Verhältnis Nichtigkeitsklage zur Anfechtungsklage
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
BAföG-Behörde B erlässt einen Rückforderungsbescheid gegenüber Stundentin S. Der Bescheid lässt B als erlassende Behörde nicht erkennen. Ein Widerspruchsverfahren ist unstatthaft. Zwei Monate vergehen. S will nun den Bescheid anfechten, hilfsweise die Nichtigkeit feststellen lassen.
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Einordnung des Falls
Verhältnis Nichtigkeitsklage zur Anfechtungsklage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Statthaft könnte die Anfechtungsklage sein.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. S hat hier die Klagefrist eingehalten, sodass eine Anfechtungsklage zulässig sein könnte.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Statthaft könnte die Nichtigkeitsfeststellungsklage sein.
Ja, in der Tat!
4. Ein schriftlicher Bescheid, der die erlassende Behörde nicht erkennen lässt, ist in jedem Fall nur rechtswidrig. Eine Nichtigkeitsfeststellungsklage scheidet aus.
Nein!
5. Die Frist der Anfechtungsklage gilt auch für die Nichtigkeitsfeststellungsklage.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Diaa
22.7.2023, 17:23:59
Vielleicht liege ich falsch, aber wenn der VA ja nichtig ist, dann entfaltet er keine Rechtswirkung und somit nicht bestandskräftig. Wieso gilt die Frits für die Anfechtungsklage?
Nilson2503
15.9.2023, 17:41:15
Obgleich ich abschließender Weisheit nicht mächtig bin, würde ich die Dogmatik der AK anführen. Diese ist stets fristgebunden. Es würde dogmatisch unglaublich unsauber, wenn man die einzelnen Klagearten je nach Sachverhalt mit Blick auf ihre Voraussetzungen unterschiedlich handhaben würde. Führt man deinen Gedanken konsequent zuende, so müsste ja die AK deshalb keine
Klagefristvoraussetzen, weil der zugrundeliegende VA nichtig ist. Aber eben aufgrund der Unterschiedlichkeit der einzelnen Klagearten der VwGO ist schlicht eine andere Klageart statthaft. Die Voraussetzungen der divergierenden Klagearten sind eben kein Selbstzweck. Sie sind zwingende prozessuale Zulässigkeitsvoraussetzungen.
L.Goldstyn
26.8.2024, 16:47:23
Darüber hinaus lässt sich eventuell auch mit dem Gesetzeswortlaut argumentieren: Die
Klagefristist in § 74 Abs. 1 VwGO geregelt. Dieser spricht aber lediglich davon, dass die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (S. 1) oder bei Entbehrlichkeit des Vorverfahrens
innerhalb eines Monats nach Bekanntgabedes
Verwaltungsaktes (S. 2) erhoben werden muss. Die Bekanntgabe richtet sich nach § 41 VwVfG. Ob der VA wirksam oder nichtig ist, ergibt sich aus § 43 Abs. 1, 3,
§ 44 VwVfG, und wird weder in
§ 74 VwGOnoch in § 41 VwVfG nicht erwähnt.