Interessenabwägung

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist auf Wandertour. Auf der Alm vom „Alpen Eumel“ genehmigt sie sich ein deftiger Salamihüttentoast und Bier aus dem Steinkrug. Plötzlich schnappt ein Schäferhund nach dem Essen. Um den Angriff abzuwehren, muss T den Hund mit dem Krug erschlagen. Der Krug zerbricht.

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Einordnung des Falls

Interessenabwägung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Krug des E ist eine für T fremde Sache (§ 303 StGB).

Ja, in der Tat!

Taugliche Tatobjekte der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) sind fremde Sachen. Darunter fallen alle körperlichen Gegenstände, beweglich oder unbeweglich. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht oder herrenlos ist. Der Krug steht im Eigentum des E.
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2. T hat den Krug durch das Schlagen zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB).

Ja!

Eine Handlungsmodalität der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) ist das zerstören. Eine Sache ist zerstört, wenn sie aufgrund der Einwirkung in ihrer Existenz vernichtet oder so wesentlich beschädigt ist, dass sie ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren hat. Der Schlag mit dem Krug führte zu dessen Zerbrechen. Dieser ist mithin nicht mehr zum bestimmungsgemäßen Gebrauch nutzbar.

3. Als T den Bierkrug auf den Hund schlug, befand sie sich in einer Notstandslage (§ 904 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Notstandslage (§ 904 BGB) liegt vor, wenn eine Gefahr für ein Rechtsgut gegenwärtig ist. Eine Gefahr ist ein Zustand, der bei ungehindertem Fortgang den Eintritt eines Schadens für ein notstandsfähiges Rechtsgut ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Eine Gefahr ist dann gegenwärtig, wenn eine besondere zeitliche Nähe des drohenden Schadenseintritts vorliegt, dieser mithin unmittelbar bevorsteht.. Der Hund war im Begriff, das Salamibrot wegzuschnappen.

4. Das Schlagen mit dem Krug ist eine erforderliche Notstandshandlung (§ 904 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Notstandshandlung (§ 904 BGB) ist die Einwirkung auf eine Sache, die zur Abwendung einer Gefahr erforderlich und verhältnismäßig ist. Erforderlich ist die Handlung, wenn sie geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt. Geeignet ist eine Handlung, wenn sie dazu förderlich ist, die Gefahr abzuwehren. Das mildeste Mittel setzt voraus, dass bei gleicher Eignung ein Mittel gewählt wurde, das per se milder ist als die anderen zur Verfügung stehenden Mittel. Das Erschlagen des Hundes führte zur sofortigen Abwendung der Gefahr. Ein anderes Mittel zur Abwehr der Gefahr war nicht ersichtlich.

5. Das Schlagen mit dem Krug ist eine verhältnismäßige Notstandshandlung (§ 904 BGB).

Nein!

Bei der Interessenabwägung muss der drohende Schaden gegenüber dem beim Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß sein. Die Beeinträchtigung des Eigentums am Salamitoast der T ist gegenüber dem Eigentum des E an seinem Steinkrug nicht unverhältnismäßig groß. Vielmehr befinden sich die Rechtsgüter auch vom Wert her auf einer vergleichbaren Stufe.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

REA🇺🇦

RealOmnimodo 🇺🇦

9.11.2021, 08:45:11

Ich habe es bisher so verstanden, dass die Interessenabwägung noch auf der Stufe der tauglichen Notstandshandlung zu prüfen ist, sodass diese im Ergebnis zu verneinen wäre. Verhältnismäßigkeit außerhalb der Notstandshandlung zu prüfen macht für mich dogmatisch keinen Sinn.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.11.2021, 10:15:20

Hallo Omnimodo facturus, in der Tat muss die Notstandshandlung erforderlich (also geeignet und das mildeste Mittel) und verhältnismäßig sein. Das heißt die Interessenabwägung ist Teil der Prüfung der Notstandshandlung. Wir haben die Session hier noch einmal überarbeitet, um dies deutlicher zu machen. Vielen Dank für den Hinweis und beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

26.3.2022, 21:07:33

Hier wäre es n.E. viel interessanter zu prüfen, ob der Tod des (wohl in Eigentum einer anderen Person stehenden) Hundes gegenüber dem drohenden Verlust der Mahlzeit verhältnismäßig wäre.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.3.2022, 12:36:13

Hallo QuiGonTim, bei dem Verteidigungsnotstand (

§ 228 BGB

) hat eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen. Die Grenzen der Verhältnismäßigkeit dürften hier allerdings überschritten sein, wenn auf der einen Seite lediglich der Verlust des Brotes droht und auf der anderen Seite der Tod des Hundes steht (neben dem wirtschaftlichen Wert ist hier vor allem das Affektionsinteresse zu berücksichtigen). Anders wäre dies, wenn durch den Hund auch Körperverletzungen des T drohen (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1997, 467 - Postbote vs. Dackel). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PAUL1

paul1ne

14.10.2024, 23:40:45

Müsste es nicht heißen „Einen deftigen Toast“?😅

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

17.10.2024, 16:31:27

Hallo paul1ne, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team


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