Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Stellvertretung

Offenkundigkeit: gewahrt bei offenem Geschäft für den, den es angeht

Offenkundigkeit: gewahrt bei offenem Geschäft für den, den es angeht

20. Mai 2025

22 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Stylist S soll für Popikone P ein Kleid auf Rechnung für eine Gala kaufen und dabei ihre Identität geheim halten, damit keiner Ps Stil auf der Gala kopiert. S findet ein Kleid in Bs Boutique und sagt zu B: „Ich kaufe dieses Kleid im Namen meiner Auftraggeberin. Ihre Identität ist vorerst geheim.“

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Einordnung des Falls

Offenkundigkeit: gewahrt bei offenem Geschäft für den, den es angeht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat gegenüber B eine eigene Willenserklärung abgegeben.

Ja, in der Tat!

Eine wirksame Stellvertretung setzt nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung abgibt und nicht nur diejenige seines Geschäftsherrn überbringt. Dadurch wird die Stellvertretung von der Botenschaft abgegrenzt. Ob eine Person als Vertreter oder als Bote agiert, ist dabei aus Sicht eines objektiven Empfängers zu beurteilen. Hat die Person hiernach ein gewisses Maß an Entschließungsfreiheit und Handlungsspielraum, so ist sie Vertreter. S hat das Kleid in der Boutique der B erkennbar selbst ausgesucht. Er hatte somit ein gewisses Maß an Handlungsspielraum.
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2. S hat die Willenserklärung in fremdem Namen abgegeben. Das Offenkundigkeitsprinzip wurde eingehalten.

Ja!

Das Offenkundigkeitsprinzip ist auch dann gewahrt, wenn der Vertreter nur offenlegt, dass er für jemand anderen handelt, ohne dessen Identität zu verraten. Bei dieser Konstellation handelt es sich nach h.M. um eine zulässige Stellvertretung unter Offenhaltung der Person des Vertretenen, auch offenes Geschäft für den, den es angeht, oder offene Stellvertretung genannt. Der Vertragspartner ist ausreichend geschützt, da er weiß, dass der Vertreter für einen Dritten handelt. Es bleibt ihm überlassen, ob er sich auf ein Geschäft mit einem Unbekannten einlässt. S hat die Willenserklärung in fremdem Namen und unter Geheimhaltung von Ps Identität abgegeben. Der Fall, dass dem Vertreter, nicht aber dem Vertragspartner die Identität des Vertretenen bekannt ist, stellt nur eine Variante des offenen Geschäfts für den, den es angeht dar. Ein offenes Geschäft für den, den es angeht, liegt ferner vor, wenn weder dem Vertreter noch dem Vertragspartner die Identität des Vertretenen bekannt ist, weil dieser noch nicht bestimmt wurde. Derjenige, der später als Geschäftsherr bestimmt wird, muss das Geschäft dann noch nach § 177 BGB genehmigen, damit es für und gegen ihn wirkt.

3. S handelte mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht.

Genau, so ist das!

Eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (= Vollmacht) kann ausdrücklich oder konkludent sowohl gegenüber dem Vertreter (= Innenvollmacht) als auch gegenüber dem Geschäftspartner (= Außenvollmacht) erklärt werden, gegenüber dem die Vertretung stattfinden soll (§ 167 Abs. 1 BGB). Insbesondere dann, wenn der Geschäftsherr einer Person Aufgaben zuweist, deren ordnungsgemäße Ausführung auch eine entsprechende Vertretungsmacht erfordert, liegt regelmäßig eine konkludent erteilte Innenvollmacht vor. S konnte Ps Auftrag nur mit entsprechender Vollmacht ausführen. Durch die Auftragserteilung hat P dem S eine konkludente Innenvollmacht erteilt.

4. Wenn B das in fremdem Namen abgegebene Kaufangebot des S akzeptiert, kommt ein Kaufvertrag zwischen B und P zustande.

Ja, in der Tat!

Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies gilt auch im Fall eines offenen Geschäfts für den, den es angeht. Der Vertrag kommt zwischen dem Vertragspartner und dem ihm unbekannten Vertretenen zustande. Zwischen P und B kommt ein Kaufvertrag zustande, wenn B das von S in fremdem Namen abgegebene Kaufangebot akzeptiert. Der Vertreter muss dem Vertragspartner die Identität des Vertretenen später offenlegen. Tut er dies nicht, so haftet er selbst aus § 179 BGB analog.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SI

sinaaaa

12.1.2023, 19:38:16

Warum wird 179 gegebenenfalls analog angewendet und nicht direkt?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.1.2023, 12:00:16

Hallo sinaaaa, der

§ 179 BGB

wird in dieser Konstellation nicht direkt angewandt, da S kein Vertreter ohne Vertretungsmacht ist. Vielmehr handelt er in

fremd

en Namen und im Rahmen der

rechtsgeschäft

lich durch P erteilten Vertretungsmacht. Da S gegenüber B aber, wenn er die Person nicht noch offenlegt, wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht darsteht wird

§ 179 BGB

analog angewandt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SN

Sniter

30.11.2023, 17:18:06

Liebes Team, das ist noch kein offenes

Geschäft für den, den es angeht

, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

30.11.2023, 18:04:54

Hallo Sniter, der Fall bildet eine Konstellation des offenen Geschäfts, für den den es angeht ab. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Rechthaber

Rechthaber

13.4.2024, 19:26:59

Kann man nicht anstatt den Umweg über eine Analoge Anwendung des 179 BGB, zu einer Haftung des Vertreters bei späterer Nichtoffenlegung der perosn des Geschäftsherren über 241 II BGB kommen, wenn man argumentiert, dass durch das offene Geschäft für den , den es angeht der Vertreter durch die Geheimhaltung des eigentlichen Vertragspartners besonderes Vertrauen an das tatsächliche Gelingen des Vertrages in Anspruch nimmt, da durch das Geheimhalten der Identität des Geschäftsherren der Vertrag quasi faktisch nicht vollzogen werden kann und dadurch eine Haftung über die Vertreter cic gem §

311 III

konstruiert. man könnte das offene Geschäft für den des es angeht unter die aufgezählte Variante des §

311 III

2 "in Anspruchnahme besonderen Vertrauens " Beim offenen

Geschäft für den den es angeht

hat der Vertreter ja noch vielmehr Einfluss auf die Durchführung des Vertrages als derjenige , der im Sinne des §

311 III

S. 2 nur besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, weil die Voraussetzungen der Stellvertretung js quasi vorliegen und der Hintermann rechtlich gebunden wird. Der Vertreter hat es quasi in der Hand , ob der Geschäftspartner seine Recht gegenüber seinem Vertragspartner durchsetzen kann oder nicht.

LELEE

Leo Lee

14.4.2024, 09:19:35

Hallo Marcel A., vielen Dank für die sehr gute Frage! Zu deiner konkreten Frage finden sich leider auf Anhieb keine Fundstellen; allerdings ist dein Gedanke insofern ein sehr guter und berechtigter, als der Gesetzgeber selbst bei Entwurf des

311 III

1 allen voran die EIGENHAFTUNG der Vertreter (etwa als Verhandlungsgehilfen) im Auge hatte, während S. 2 sich vornehmlich mit dem Sachwalter beschäftigt. Und wenn – wie du auch anmerkst – i.R.d. Verhältnisses etwa die Rücksichtspflicht (was du sehr gut und vertretbar mMn begründet hast) verletzt wird, scheint auch die Bejahung des SEA sehr gut vertretbar! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Emmerich § 311 Rn. 206 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

nullumcrimen

nullumcrimen

7.6.2024, 19:01:24

Was genau ist damit gemeint, dass der Vertreter „später“ die Identität offenlegen muss? Warum macht er es nicht direkt, wenn er es im Nachhinein eh müsste?

PAUL1

paul1ne

17.7.2024, 15:21:12

In diesem Fall möchte der Stylist die Identität ja nicht vor der Gala offenlegen. Der Gesetzgeber möchte dem Verkäufer allerdings nicht prinzipiell das Recht absprechen, den Geschäftspartner zu kennen und schiebt die Offenbarungspflicht lediglich auf.

PAUL1

paul1ne

17.7.2024, 15:29:09

Also in diesem Fall ist es V natürlich einigermaßen egal. Aber z.B.: A verkauft einen Dalmatinerwelpen. C schickt B um den Welpen zu kaufen, weil C weiß, dass A ihm den Welpen nicht verkaufen würde, weil A bekannt ist, dass C mit den Welpen einen Mantel aus Dalmatinerfell herstellen möchte. Hier ist es natürlich in As Interesse, die Käuferidentität zu erfahren. Würde C andersherum nicht selbst zu A gehen wollen, weil C ihre Privatsphäre liebt und ihr hässliche Gerüchte über die Herstellung von Dalmatinerfellmänteln anhaften, wirkt sie ebenfalls schutzbedürftig. Die Offenbarung im Nachhinein ist der Kompromiss. Und der Verkäufer darf sich natürlich dagegen entscheiden, zu verkaufen, wenn ihm die Identität nicht bekannt ist!

DAN

Daniel

12.11.2024, 20:00:55

Aber was soll die Offenlegung bringen, wenn C über B den Welpen von A zur Fellherstellung bekommt. Wann wird überhaupt offengelegt? Wenn der Hund schon verarbeitet wurde? Ist die Offenlegung dann in diesem Fall ein Anfechtungsgrund? Etc. etc. ich glaub ich schau nochmal in den Kommentar in der Bib.

PAUL1

paul1ne

12.11.2024, 22:48:09

Das ist in jedem Fall eine gute Idee!👍🏼 Die Offenlegung kann vor dem Zustandekommen des Kaufvertrags verlangt werden, wenn der Verkäufer

verzicht

et, akzeptiert er die Geheimhaltung des Käufers. Beim Verarbeiten des Hundes wären wir jetzt wohl in der Sittenwidrigkeit, aber unter normaleren Umständen ist der Verkäufer nicht anfechtungsberechtigt, weil ihm der Käufer nicht gefällt, er hat schließlich darauf

verzicht

et die Identität zu erfahren.

DAN

Daniel

13.11.2024, 21:35:28

Ah danke nochmal für die Klarstellung. Es gibt also kein Anspruch auf Offenlegung nach Abschluss des Kaufvertrags, wenn vor Abschluss die Geheimhaltung der Identität akzeptiert wird. Für mich klang es im Fall so, als hätte man einen Anspruch nachträglich die Identität des Käufers offengelegt zu bekommen, selbst wenn man bei Abschluss die Geheimhaltung des Käufers zunächst akzeptiert hat. Denkbar wäre dies im Fall, dass der Verkäufer zwar den Kaufvertrag abschließt, aber dann vor

Übereignung

der Sache die Offenlegung verlangt. Womöglich wären wir hier aber dann eher im Dissens und könnte den Fall darüber lösen.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

16.4.2025, 17:16:17

Hallo @[nullumcrimen](224363), @[paul1ne](243719) und @[Daniel](89940), Die Ausgangsfrage hat @[paul1ne](243719) zutreffend beantwortet, sie ist auch im Fall erklärt. Zu den weiteren Fragen: In jedem Fall besteht grundsätzlich eine spätere

Obliegenheit

des Vertreters zur Offenbarung des Vertretenen, siehe MüKoBGB/Schubert, 10. Aufl. 2025, BGB § 164 Rn. 139. Diese greift spätestens dann, wenn der Vertragspartner Ansprüche gegen den Vertretenen durchsetzen möchte. Benennt der Vertreter diesen dann nicht, wäre es unbillig, den anderen faktisch ohne Ansprüche dastehen zu lassen. Der Vertreter hat daher die Wahl: Entweder er offenbart den Vertretenen, dann können gegen diesen Ansprüche geltend gemacht werden, oder er haftet selbst nach

§ 179 BGB

analog. Genau das ist auch der Zweck der Offenbarung: Wenn in eurem Beispiel der A den

Rücktritt

erklären oder sonstige Ansprüche geltend machen möchte, braucht er einen Vertragspartner. Ob eine

Täuschung

darüber, was mit dem Hund passieren soll, zur Anfechtung berechtigt oder andere Rechtsfolgen nach sich zieht, steht dagegen auf einem anderen Papier. In aller Regel würde in dem von euch gebildeten Fall in der Praxis wohl auch eher eine

mittelbare Stellvertretung

gewählt werden, also B kauft von A und verkauft selbst an C weiter. Das ist deutlich unproblematischer im Hinblick auf die Geheimhaltung des tatsächlich beabsichtigten Vertragspartners. Eine Vereinbarung dergestalt, dass eine echte Stellvertretung vorliegt, eine Offenbarung aber in jedem Fall ausgeschlossen sein soll, halte ich dagegen für nur schwer konstruierbar. Eventuell könnte man einen

Verzicht

hinsichtlich aller erdenklicher Ansprüche aus dem Geschäft vereinbaren, sodass man nie in die Situation kommt, dass eine Offenbarung

erforderlich

würde. Spätestens bei § 276 Abs. 3 BGB würde diese Lösung jedoch an ihre Grenzen stoßen. Daher ist in so einem Fall wohl die

mittelbare Stellvertretung

das Mittel der Wahl. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

AN

Antonia

19.8.2024, 18:27:35

Wenn die Identität nachträglich offengelegt wird, der Vertragspartner aber mit der Person des Vertretenen nicht einverstanden ist, gibt es dann für ihn noch eine rechtliche Möglichkeit sich vom Vertrag zu lösen? Z.B. es ist ein bekannter Tierschänder und ihm wurde ein Hund verkauft. Noch eine Frage, gibt es eine Frist innerhalb der die Identität nachträglich offengelegt werden muss?

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

16.4.2025, 17:40:05

Hallo @[Antonia](79449), das ist insofern keine Frage der Stellvertretung, als dass § 119 Abs. 2 BGB hier normale Anwendung findet. Der Fall ist also genauso zu behandeln, wie wenn keine Stellvertretung vorliegt und die "Eigenschaft" als Tierschänder erst später ans Licht kommt. Ich denke allerdings nicht, dass eine Anfechtung in diesem Fall möglich wäre. Eigenschaften einer Person sind lediglich solche Merkmale, die einer Person dauerhaft anhaften. Bereits da tue ich mich mit "Tierschänder" schwer. Eher denkbar wäre eventuell eine Anknüpfung an einschlägige Vorstrafen als Eigenschaft. Selbst dann ist diese jedoch in der Regel nicht als

verkehrswesentlich

anzusehen. Bei reinen Austauschverträgen ohne längerfristige Geschäftsbeziehung sind

Tatsachen

im Hinblick auf die Vertrauenswürdigkeit des Vertragspartners grundsätzlich nicht

verkehrswesentlich

. Ich habe in den Kommentaren auch keinen Fall gefunden, bei dem etwas in diese Richtung zu einem

Eigenschaftsirrtum

berechtigen würde. Siehe BeckOK BGB/Wendtland, 73. Ed. 1.2.2025, BGB § 119 Rn. 42, MüKoBGB/Armbrüster, 10. A. 2025, BGB § 119 Rn. 137. Anders könnte man es wohl sehen, wenn im Vertrag selbst derartiges explizit vereinbart ist, wobei auch dann an konkrete

Tatsachen

angeknüpft werden müsste. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

Steen

Steen

26.11.2024, 01:31:30

Die Aussage „Der Vertreter muss dem Vertragspartner die Identität des Vertretenen später offenlegen. Tut er dies nicht, so haftet er selbst aus

§ 179 BGB

analog.“ erscheint mir problematisch. 1. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für eine allgemeine Pflicht, die Identität nachträglich offenzulegen, wenn der Vertragspartner die Geheimhaltung akzeptiert hat. 2.

§ 179 BGB

betrifft die Haftung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht. In Fällen, in denen der Vertragspartner die unbekannte Identität akzeptiert, besteht aber keine vergleichbare Interessenlage, weil der Vertrag wirksam ist. 3. Schutzmechanismen wie Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder vertragliche

Nebenpflichten

(§ 241 Abs. 2 BGB) reichen aus, um den Vertragspartner zu schützen, ohne

§ 179 BGB

über seinen Anwendungsbereich hinaus zu dehnen. 4. Die Aussage verallgemeinert zu stark und berücksichtigt nicht die Unterschiede zwischen

Täuschung

, Vertretungsmachtüberschreitung oder geheimer Identität. Ich frage mich, ob eine analoge Anwendung von

§ 179 BGB

in solchen Fällen wirklich gerechtfertigt ist. Kann das jemand genauer erklären?

_a-k.wgd_

_a-k.wgd_

3.12.2024, 10:59:13

Moin, ich finde deine Anmerkung sehr gut und es hat mich auch zum Nachdenken gebracht. Jedoch bin ich schlussendlich doch dabei geblieben, dass § 179 analog greifen müsste. Und zwar aus folgenden Gründen: 1. Wortlaut des § 179: „ … sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist …“. Wenn S der B sagt, dass er mit Vertretungsmacht handelt, ist das ja erstmal schön und gut. Aber wenn die B nie erfahren wird, wer dem S diese Vertretungsmacht eingeräumt hat, kann er eben keine Vertretungsmacht nachweisen und um die B zu schützen, wird dann auf den S als Vertragspartner abgestellt. 2. Schutz der B Du hast recht, die B hat die Geheimvertretung akzeptiert. Jedoch steht aber auch im Sachverhalt, dass die Identität der P „vorerst“ geheim gehalten wird. Dies bezieht sich auf den Gala-Abend, da deshalb die Geheimvertretung erfolgte. M.M.n. kann man nicht die Akzeptierung der B auf die zeitlich begrenzte Geheimhaltung umwandeln zu einer ewig bzw. länger andauernden Geheimhaltung. Man könnte die Schutzwürdigkeit der B vlt. ausschließen, wenn es ihr völlig egal wäre, wer der Vertretene ist. Eine Gleichgültigkeit der B kann man aber mMn nicht damit bejahen, dass sie dem Vertrag zustimmte, da die Geheimhaltung -laut SV- ja auch nur zeitlich begrenzt sein sollte. 2.a Langfristige Risiken Wenn man das Vertretergeschäft mit fortlaufender Geheimhaltung von P‘s Identität gedanklich weiterlaufen lassen würde, wäre die B einem immensen Risiko ausgesetzt bezüglich eventuell später eintretenden Ansprüchen. Z.B.: Gegen wen sollte die B einen

Erfüllung

sanspruch geltend machen? Es würde dann ja lauten: B gg *Geheim*. Wenn wir dann nicht den S mit § 179 analog ranholen würden, würde die B in eine Wand rennen. Ich hoffe, dass es bisschen weiterhelfen konnte und freue mich über eine Antwort, falls ich mich irre! GLG

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

16.4.2025, 17:25:10

Hallo @[Steen](197720), @[_a-k.wgd_](268771) trifft wesentliche Punkte der Argumentation. Sicherlich hätte man es dogmatisch auch anders herleiten können, der BGH macht es aber nunmal über

§ 179 BGB

analog. Die Interessenlage ist vergleichbar, da ohne Offenbarung der Identität des Vertragspartners eine Geltendmachung von Ansprüchen unmöglich ist und in der Praxis das Risiko besteht, dass es den Dritten in Wirklichkeit gar nicht gibt. Der Vertreter übernimmt wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht bewusst dieses Risiko, sodass eine Haftung nach

§ 179 BGB

analog zumutbar ist. Vergleiche insoweit auch die Ausführungen in MüKoBGB/Schubert, 10. A. 2025, BGB § 164 Rn. 139. Zu 1.: Es handelt sich dabei auch nicht um eine Pflicht, sondern lediglich um eine

Obliegenheit

. Der Vertreter kann auch einfach nicht offenbaren und selbst für die Ansprüche haften. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

Steen

Steen

16.4.2025, 18:08:24

@[_a-k.wgd_](268771) , @[Tim Gottschalk](287974) Vielen Dank für die guten und ausführlichen Antworten. Hat mir wirklich sehr weitergeholfen und den Knoten bei mir gelöst 😊🙏


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