Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Stellvertretung
Offenkundigkeit: gewahrt bei offenem Geschäft für den, den es angeht
Offenkundigkeit: gewahrt bei offenem Geschäft für den, den es angeht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Stylist S soll für Popikone P ein Kleid auf Rechnung für eine Gala kaufen und dabei ihre Identität geheim halten, damit keiner Ps Stil auf der Gala kopiert. S findet ein Kleid in Bs Boutique und sagt zu B: Ich kaufe dieses Kleid im Namen meiner Auftraggeberin. Ihre Identität ist vorerst geheim.
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Einordnung des Falls
Offenkundigkeit: gewahrt bei offenem Geschäft für den, den es angeht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S hat gegenüber B eine eigene Willenserklärung abgegeben.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. S hat die Willenserklärung in fremdem Namen abgegeben. Das Offenkundigkeitsprinzip wurde eingehalten.
Ja!
3. S handelte mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht.
Genau, so ist das!
4. Wenn B das in fremdem Namen abgegebene Kaufangebot des S akzeptiert, kommt ein Kaufvertrag zwischen B und P zustande.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
sinaaaa
12.1.2023, 19:38:16
Warum wird 179 gegebenenfalls analog angewendet und nicht direkt?
Nora Mommsen
13.1.2023, 12:00:16
Hallo sinaaaa, der § 179 BGB wird in dieser Konstellation nicht direkt angewandt, da S kein Vertreter ohne Vertretungsmacht ist. Vielmehr handelt er in fremden Namen und im Rahmen der rechtsgeschäftlich durch P erteilten Vertretungsmacht. Da S gegenüber B aber, wenn er die Person nicht noch offenlegt, wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht darsteht wird § 179 BGB analog angewandt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Sniter
30.11.2023, 17:18:06
Nora Mommsen
30.11.2023, 18:04:54
Hallo Sniter, der Fall bildet eine Konstellation des offenen Geschäfts, für den den es angeht ab. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Rechthaber
13.4.2024, 19:26:59
Kann man nicht anstatt den Umweg über eine Analoge Anwendung des 179 BGB, zu einer Haftung des Vertreters bei späterer Nichtoffenlegung der perosn des Geschäftsherren über 241 II BGB kommen, wenn man argumentiert, dass durch das offene Geschäft für den , den es angeht der Vertreter durch die Geheimhaltung des eigentlichen Vertragspartners besonderes Vertrauen an das tatsächliche Gelingen des Vertrages in Anspruch nimmt, da durch das Geheimhalten der Identität des Geschäftsherren der Vertrag quasi faktisch nicht vollzogen werden kann und dadurch eine Haftung über die Vertreter cic gem §
311 IIIkonstruiert. man könnte das offene Geschäft für den des es angeht unter die aufgezählte Variante des §
311 III2 "in Anspruchnahme besonderen Vertrauens " Beim offenen
Geschäft für den den es angehthat der Vertreter ja noch vielmehr Einfluss auf die Durchführung des Vertrages als derjenige , der im Sinne des §
311 IIIS. 2 nur besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, weil die Voraussetzungen der Stellvertretung js quasi vorliegen und der Hintermann rechtlich gebunden wird. Der Vertreter hat es quasi in der Hand , ob der Geschäftspartner seine Recht gegenüber seinem Vertragspartner durchsetzen kann oder nicht.
Leo Lee
14.4.2024, 09:19:35
Hallo Marcel A., vielen Dank für die sehr gute Frage! Zu deiner konkreten Frage finden sich leider auf Anhieb keine Fundstellen; allerdings ist dein Gedanke insofern ein sehr guter und berechtigter, als der Gesetzgeber selbst bei Entwurf des
311 III1 allen voran die EIGENHAFTUNG der Vertreter (etwa als Verhandlungsgehilfen) im Auge hatte, während S. 2 sich vornehmlich mit dem Sachwalter beschäftigt. Und wenn – wie du auch anmerkst – i.R.d. Verhältnisses etwa die Rücksichtspflicht (was du sehr gut und vertretbar mMn begründet hast) verletzt wird, scheint auch die Bejahung des SEA sehr gut vertretbar! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Emmerich § 311 Rn. 206 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
nullumcrimen
7.6.2024, 19:01:24
Was genau ist damit gemeint, dass der Vertreter „später“ die Identität offenlegen muss? Warum macht er es nicht direkt, wenn er es im Nachhinein eh müsste?
paul1ne
17.7.2024, 15:21:12
In diesem Fall möchte der Stylist die Identität ja nicht vor der Gala offenlegen. Der Gesetzgeber möchte dem Verkäufer allerdings nicht prinzipiell das Recht absprechen, den Geschäftspartner zu kennen und schiebt die Offenbarungspflicht lediglich auf.
paul1ne
17.7.2024, 15:29:09
Also in diesem Fall ist es V natürlich einigermaßen egal. Aber z.B.: A verkauft einen Dalmatinerwelpen. C schickt B um den Welpen zu kaufen, weil C weiß, dass A ihm den Welpen nicht verkaufen würde, weil A bekannt ist, dass C mit den Welpen einen Mantel aus Dalmatinerfell herstellen möchte. Hier ist es natürlich in As Interesse, die Käuferidentität zu erfahren. Würde C andersherum nicht selbst zu A gehen wollen, weil C ihre Privatsphäre liebt und ihr hässliche Gerüchte über die Herstellung von Dalmatinerfellmänteln anhaften, wirkt sie ebenfalls schutzbedürftig. Die Offenbarung im Nachhinein ist der Kompromiss. Und der Verkäufer darf sich natürlich dagegen entscheiden, zu verkaufen, wenn ihm die Identität nicht bekannt ist!
Daniel
12.11.2024, 20:00:55
Aber was soll die Offenlegung bringen, wenn C über B den Welpen von A zur Fellherstellung bekommt. Wann wird überhaupt offengelegt? Wenn der Hund schon verarbeitet wurde? Ist die Offenlegung dann in diesem Fall ein Anfechtungsgrund? Etc. etc. ich glaub ich schau nochmal in den Kommentar in der Bib.
paul1ne
12.11.2024, 22:48:09
Das ist in jedem Fall eine gute Idee!👍🏼 Die Offenlegung kann vor dem Zustandekommen des Kaufvertrags verlangt werden, wenn der Verkäufer verzichtet, akzeptiert er die Geheimhaltung des Käufers. Beim Verarbeiten des Hundes wären wir jetzt wohl in der Sittenwidrigkeit, aber unter normaleren Umständen ist der Verkäufer nicht anfechtungsberechtigt, weil ihm der Käufer nicht gefällt, er hat schließlich darauf verzichtet die Identität zu erfahren.
Daniel
13.11.2024, 21:35:28
Ah danke nochmal für die Klarstellung. Es gibt also kein Anspruch auf Offenlegung nach Abschluss des Kaufvertrags, wenn vor Abschluss die Geheimhaltung der Identität akzeptiert wird. Für mich klang es im Fall so, als hätte man einen Anspruch nachträglich die Identität des Käufers offengelegt zu bekommen, selbst wenn man bei Abschluss die Geheimhaltung des Käufers zunächst akzeptiert hat. Denkbar wäre dies im Fall, dass der Verkäufer zwar den Kaufvertrag abschließt, aber dann vor Übereignung der Sache die Offenlegung verlangt. Womöglich wären wir hier aber dann eher im Dissens und könnte den Fall darüber lösen.
Antonia
19.8.2024, 18:27:35
Wenn die Identität nachträglich offengelegt wird, der Vertragspartner aber mit der Person des Vertretenen nicht einverstanden ist, gibt es dann für ihn noch eine rechtliche Möglichkeit sich vom Vertrag zu lösen? Z.B. es ist ein bekannter Tierschänder und ihm wurde ein Hund verkauft. Noch eine Frage, gibt es eine Frist innerhalb der die Identität nachträglich offengelegt werden muss?