Anforderungen an die Schriftform (§ 126 BGB)
12. April 2025
8 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

M und V wollen einen Wohnraummietvertrag für zwei Jahre schließen. Im schriftlich aufgesetzten Vertrag stehen nur Angaben zu den Parteien, der Mietsache und dem zu entrichtende Mietzins. Sowohl M als auch V unterschreiben den Mietvertrag auf derselben Urkunde.
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Einordnung des Falls
Anforderungen an die Schriftform (§ 126 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Haben M und V einen schriftlichen Mietvertrag i.S.d. § 550 S. 1 BGB geschlossen?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hätte ein Vertragsschluss per E-Mail ohne eine besondere (elektronische) Signatur die Schriftform gewahrt?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Nocebo
8.1.2025, 17:54:51
Die Antwort, die Dauer sei i.S.d. § 550 BGB erforderlicher Vertragsinhalt, ist in dieser Pauschalität nicht richtig. Entsprechend überzeugt mich auch die Lösung nicht. Hier eine sehr aufschlussreiche Kommentarstelle. Kurzfassung: Vertragszeit =/= Dauer, sondern kann auch anders bestimmbar sein. "Zu den wesentlichen Vertragsbedingungen zählt weiterhin die Vereinbarung über die Vertragszeit (BGH NJW 2016, 311). Maßgeblich ist insoweit, ob ein möglicher Erwerber der Mietsache dem schriftlichen Mietvertrag entnehmen kann, wann das Mietverhältnis endet. Für die Bestimmbarkeit ist es nicht erforderlich, dass das Mietende kalendermäßig bestimmt wird. Es genügt, wenn sich aus der Vertrags
urkundeder Beginn der Mietzeit und die vereinbarte Laufzeit ergeben. Fallen das kalendermäßig bestimmte Mietende und das Ende nach der Laufzeitberechnung auseinander macht dies den Vertrag nicht automatisch schriftform-unwirksam. Viel mehr ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln, welches Mietende gewollt war (OLG Hamm ZMR 2020, 832: Vorrang des konkreten Enddatums). Ferner ist die Schriftform gewahrt, wenn einer Partei eine Verlängerungsoption eingeräumt wird und unklar ist, ob der Berechtigte die Option ausgeübt hat; wenn ein Mietvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen wurde und unklar ist, ob die Bedingung eingetreten ist; wenn in einem Gewerbemietvertrag vereinbart ist, dass dem Vermieter das Recht zur Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen zustehen soll und unklar ist, ob er von diesem Recht Gebrauch gemacht hat (BGH NJW 2014, 1300) oder wenn der Mietbeginn nicht im Mietvertrag selbst, sondern in einem separaten Übergabeprotokoll festgehalten wurde (BGH NJW 2013, 3361; 2014, 1300). Nach der Auffassung des BGH ist dem Gebot der Bestimmbarkeit Genüge getan, wenn der Vertragsbeginn mit Begriffen wie „Mietbeginn bei Übergabe“ umschrieben wird (BGH NJW 2006, 139; 2007, 1817; 2007, 3273; 2009, 2195 Rn. 28; NJW 2010, 1518 Rn. 11 betr. Vermietung vom Reißbrett; NJW 2013, 3361; NJW 2014, 1300 Rn. 22; OLG Jena NZM 2008, 572; OLG Dresden NJOZ 2019, 1243; KG NZG 2020, 186)." (Blank/Börstinghaus/Siegmund/Weidt, 7. Aufl. 2023, BGB § 550 Rn. 42, beck-online)