Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Die Nichtleistungskondiktion

auf dessen Kosten: Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung

auf dessen Kosten: Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung

3. Juli 2025

27 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Mieter der V nutzen die Garagenzufahrt auf Gs Grundstück, um zu ihrer Tiefgarage auf dem Grundstück der V zu kommen. Der frühere Eigentümer von Gs Grundstück (E) hatte zugunsten der V eine öffentlich-rechtliche Baulast hinsichtlich dieser Nutzung eintragen lassen.

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Einordnung des Falls

auf dessen Kosten: Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja!

Bereicherungsgegenstand bei der Eingriffskondiktion ist jeder Verwendungs-, Nutzungs- oder Eingriffserfolg eines fremden Rechts. Hierbei kommt es nicht auf einen Vermögenswert oder auf eine Gegenständlichkeit an. V erlangt die Möglichkeit der Nutzung der Garagenzufahrt.
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2. V hat die Möglichkeit der Nutzung der Garagenzufahrt auf sonstige Weise erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Der Bereicherungsschuldner erlangt den Bereicherungsgegenstand „in sonstiger Weise“, wenn er ihn nicht durch Leistung erlangt. Ob eine Leistung vorliegt, bestimmt sich nach den Grundsätzen der Leistungskondiktion. G hat das Vermögen der V nicht ziel- und zweckgerichtet gemehrt. Auch sonst liegt keine Leistung vor. V hat die Möglichkeit der Nutzung der Garagenzufahrt auf sonstige Weise erlangt hat.

3. Das erlangte Etwas muss unmittelbar auf Kosten des Bereicherungsgläubigers auf den Bereicherungsschuldner übergehen.

Ja, in der Tat!

Zunächst muss ein Eingriff in ein fremdes Recht vorliegen. Eingriff bedeutet nach der herrschenden Zuweisungstheorie die Verletzung des Zuweisungsgehalts eines fremden Rechts. Zusätzlich zu dem Eingriffskriterium wendet die Rechtsprechung bei Mehrpersonenverhältnissen ein weiteres Merkmal an. Demnach muss die durch den Eingriff stattfindende Vermögensverschiebung unmittelbar sein. Das heißt, dass der Bereicherungsgegenstand aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers direkt in das Vermögen des Bereicherungsschuldners übergegangen ist, und zwar ohne Umweg über das Vermögen eines Dritten.

4. V hat die Baulast unmittelbar auf Kosten des G erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Nein!

Die Vermögensverschiebung ist unmittelbar, wenn der Bereicherungsgegenstand aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers direkt in das Vermögen des Bereicherungsschuldners übergegangen ist, und zwar ohne Umweg über das Vermögen eines Dritten. Eine etwaige Vermögensverschiebung durch Bestellung der Baulast fand nicht zwischen V und G statt. Vielmehr fand eine solche schon vor Gs Eigentumserwerb zwischen E und V statt. Als G Eigentum erwarb, war sie schon öffentlich-rechtlich im Sinne der Baulast gebunden war. V erlangte ihre Stellung als Baulastbegünstigte nicht auf Kosten der G.

5. V hat die Möglichkeit der Nutzung der Garagenzufahrt unmittelbar auf Kosten des G erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Die Vermögensverschiebung ist unmittelbar, wenn der Bereicherungsgegenstand aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers direkt in das Vermögen des Bereicherungsschuldners übergegangen ist, und zwar ohne Umweg über das Vermögen eines Dritten. Problematisch ist, dass V die Garagenzufahrt nicht selbst nutzt. Ausreichend ist vielmehr, dass V hieraus unmittelbar begünstigt wird. Es ist also nicht nötig, dass V die Garagenzufahrt selbst nutzt. V ist unmittelbar begünstigt, da sie die Tiefgaragenplätze vermietet hat und sie somit die Zufahrt zu dieser schuldet. Insoweit erspart sie eigene Aufwendungen.

6. Vs Bereicherung war ohne Rechtsgrund iSd Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Bereicherung des Bereicherungsschuldner ist ohne Rechtsgrund, wenn dem Schuldner kein Behaltensgrund zusteht. Es gibt gesetzliche und vertraglich Bereicherungsgründe. Gesetzliche Behaltensgründe, wie etwa der gutgläubige Erwerb, kommen nicht in Betracht. Die Baulast selbst stellt keinen Rechtsgrund für die Nutzung dar. Ein weiterer Behaltensgrund ist nicht ersichtlich. Vs Bereicherung war somit ohne Rechtsgrund.

7. V hat die ersparten Aufwendungen herauszugeben (§ 818 Abs. 1 BGB).

Ja!

Die Rechtsfolge des Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Herausgabe der Bereicherung (§ 818 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

29.3.2022, 16:17:43

Wieso stellt eine öffentlich rechtliche Baulast denn keinen Rechtsgrundsatz zum Nutzen da?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.3.2022, 12:49:09

Hallo nomamo, die Baulast ist in erster Linie eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Insofern obliegt es in erster Linie der Bauaufsichts

behörde

bei Bedarf den Inhalt der Baulast mittels Ordnungsverfügung durchzusetzen. Ob eine Baulast darüber hinaus einen privatrechtlichen Anspruch gewährt ist gesetzlich nicht geregelt. Der BGH hat insoweit indes in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass privatrechtlich aus einer Baulast weder ein Nutzungsanspruch noch eine Duldungspflicht der Nutzung folgt (BGH NJW 1984, 124, DNotz 1986 140, 142). Um eine solche Baulast auch zivilrechtlich zu sichern, bedarf es also dennoch der Sicherung mittels einer Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) in Form der Einräumung eines Wegerechtes. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

2.5.2023, 03:47:36

Ich finde, die Informationen aus diesem Kommentar sollten direkt in den Fall eingebaut werden.

Dogu

Dogu

14.9.2023, 16:11:11

Dem schließe ich mich an. Ohne diese Info ist die Lösung nicht verständlich.

BI

Bilbo

19.1.2024, 17:28:51

@[

Lukas Mengestu

](221887) bitte die Antwort in die Lösung einbetten, damit sich das bereits bei der Fallbearbeitung erschließt. Danke!

Stella

Stella

30.8.2024, 16:01:58

@[Lukas_Mengestu](136780) ich schließe mich den oberen Kommentaren an, ich war bei der Lösung des falls eben maximal verwirrt!

JI

Jimmy105

6.11.2024, 12:29:55

am besten mit ergänzenden Normen um zu verdeutlichen, dass es sich bei der Baulast um eine andere Rechtsmaterie handelt. Für NRW ist die Baulast geregelt in 85 BauO NRW. In Bayern gibt es die Baulast wohl gar nicht, sodass direkt eine Grunddienstbarkeit eingetragen wird...

BECCA

Becca_la

24.6.2025, 15:24:49

@[Jurafuchs](137809) ich erinnere nochmal dran und schließe mich den Vorrednern an, dass zu dem Fall etwas mehr Erläuterung nötig ist :)

Janina_Mercator

Janina_Mercator

27.2.2023, 19:20:40

Die Rechtsfolge des § 812 Abs. 1 Abs. 1 BGB ist doch derselbige? Denn § 818 Abs. 1 BGB konkretisiert doch lediglich den Umfang, oder habe ich das falsch verstanden? VG

FW

FW

14.11.2024, 11:06:37

Hi, Was ist eine Baulast? Könnt ihr kurz die jeweilige Norm aus dem ÖRecht verlinken?

Christine

Christine

25.4.2025, 13:41:46

@[FW](139488) Eine Baulast ist eine freiwillig, öR-Verpflichtung der Grundstückseigentümerin bzw. des Grundstückseigentümers gegenüber der Bauaufsichts

behörde

, öR-Verpflichtungen zu einem ihr oder sein Grundstück betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, sie sich nicht schon aus öR-Vorschriften ergeben (https://bauportal.nrw/wissenswertes-zur-baulast-nordrhein-westfalen). Die für die verschiedenen Bundesländer geltenden Baulasten werden in einem gesonderten Baulastenverzeichnis erfasst (https://www.juraforum.de/lexikon/baulast).

FalkTG

FalkTG

30.12.2024, 21:34:25

Nur damit ich es richtig verstehe: Die Baulast wirkt sich doch jetzt eigentlich überhaupt nicht aus. Sie gilt nur als Beispiel dafür, dass sie nicht unmittelbar aus dem vermögen des G stammt oder?

BEN

benjaminmeister

5.6.2025, 20:35:55

Ich finde die Erwähnung der Baulast auch sehr verwirrend, insbesondere weil vorher immer nur von der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit als "erlangtes etwas" die Rede ist.

AME

Amelie7

18.1.2025, 14:41:29

Wieso liegt hier keine Leistung des E vor?

Jakob G.

Jakob G.

22.1.2025, 21:43:06

Hierzu hilft das Verständnis dessen, was eine öffentlich-rechtliche Baulast ist. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Nebenthread) bewirkt diese kein Nutzungsrecht. Anhand des Sachverhalts "zugunsten der Mieter*innen" habe ich aber auch ein Nutzungsrecht - mithin eine Leistung - angenommen. Auf Verwirrungsträchtigkeit des SV wird auch im Nebenthread hingewiesen.

Josef K

Josef K

25.3.2025, 17:31:48

Eine mMn ungewöhnliche Vier-Personenkonstellation mit der Frage "1. V hat „

etwas erlangt

" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB): ja/nein", einzuleiten, ohne davon zu sprechen, dass es darum geht, das G jetzt etwas dafür haben will, dass die Mieter des V bei ihm übers Grundstück müssen, finde ich für dieses Abfrageformat zu knapp.

OKA

okalinkk

9.6.2025, 18:44:10

Ich verstehe den Sachverhalt hier leider nicht. Zunächst war E Eigentümer des Grundstücks. Dann ist G Eigentümerin des Grundstücksgeworden. Welche Position nimmt V nun genau ein?

OKA

okalinkk

9.6.2025, 18:45:50

Weil die Baulast öffentlich- rechtlicher Natur ist?

LeonB

LeonB

25.6.2025, 16:55:04

Verstehe ich das richtig? Wenn der Nachbar ein Grundstück aufgrund einer Baulast (z. B. Zufahrtsbaulast) nutzt, kann sich der Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht auf § 1004 BGB berufen, um die Nutzung zu unterbinden, da dies wegen der öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht einen Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB, „Einheit der Rechtsordnung“) darstellen würde. Gleichzeitig stellt die Baulast aber keinen zivilrechtlichen Rechtsgrund im Sinne von § 812 I 1 Alt. 2 BGB dar, weil sie nur öffentlich-rechtlich wirkt – sodass der Eigentümer zwar die Nutzung dulden muss, aber bereicherungsrechtlich den Nutzungswert herausverlangen kann. Wenn das so stimmt: Warum wird dann im Bereicherungsrecht nicht ebenfalls die „Einheit der Rechtsordnung“ beachtet, sodass § 812 BGB ebenfalls gesperrt wäre? Oder anders gefragt: Warum wird im einen Fall (Abwehr) auf § 242 BGB abgestellt, im anderen Fall (Herausgabe) aber nicht?


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