Ermächtigungswiderruf

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird am 6.12 wegen versuchten Totschlags verurteilt. Er ermächtigt Verteidigerin V auf alle Rechtsmittel zu verzichten. Diese schickt eine entsprechende schriftliche Erklärung zu Gericht. Am 7.12. hat A es sich anders überlegt. A widerruft am 7.12. um 12:00 Uhr gegenüber V die Ermächtigung. Die von V verschickte Verzichtserklärung wird um 12:05 Uhr zugestellt.

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Einordnung des Falls

Ermächtigungswiderruf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein wirksamer Rechtsmittelverzicht durch die Verteidigerin setzt voraus, dass diese hierzu ausdrücklich ermächtigt wurde.

Genau, so ist das!

Nach ständiger Rechtsprechung bedarf die Verteidigerin nicht nur für eine Rechtsmittelrücknahme, sondern über den Wortlaut des § 302 Abs. 2 StPO auch für einen Verzicht einer entsprechenden Ermächtigung.
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2. Vs Ermächtigung, für A auf Rechtsmittel zu verzichten, ist unwiderruflich.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach ihrem Wirksamwerden können zwar Rücknahme- und Verzichtserklärung nicht mehr widerrufen oder wegen Willensmängeln angefochten werden. Anders sieht dies bei der vorgelagerten Ermächtigung der Verteidigung aus (§ 302 Abs. 2 StPO). Diese kann der Beschuldigte grundsätzlich jederzeit und unabhängig vom (Fort-) Bestehen des Mandatsverhältnisses widerrufen. Der Widerruf ist allerdings nur bis zum Wirksamwerden des Verzichts oder der Rücknahme möglich, dh bei schriftlicher Erklärung vor deren Eingang bei Gericht.A war somit im Grundsatz berechtigt, die zunächst erteilte Ermächtigung zu widerrufen.

3. Da V zum Zeitpunkt des Widerrufs die Verzichtserklärung schon abgeschickt hatte, erfolgte der Widerruf allerdings zu spät und der Rechtsmittelverzicht ist wirksam.

Nein!

Der Widerruf ist bis zum Wirksamwerden des Verzichts oder der Rücknahme möglich, dh bei schriftlicher Erklärung vor deren Eingang bei Gericht.Unerheblich ist, dass V die Verzichtserklärung schon losgeschickt hatte, als A sie über seinen Sinneswandel in Kenntnis setzte. V wurde um 12:00 Uhr über den Widerruf informiert, also fünf Minuten vor Zugang der Verzichtserklärung bei Gericht. Damit fehlte zum Zeitpunkt des Zugangs die entsprechende Ermächtigung, sodass der Rechtsmittelverzicht unwirksam war.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PAT

Patrick4219

26.2.2024, 14:14:52

Wemdet man hier § 130 BGB analog an, da es sich bei der Revisionseinlegung nicht um eine rechtsgeschäftliche WE handelt sondern im eine Prozesserklärung oder stützt man den Widerruf lediglich auf den Rechtsgedanken des § 130 BGB?


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