Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Abzugrenzen: Sachsubstanz und Surrogat (Verfügung)

Abzugrenzen: Sachsubstanz und Surrogat (Verfügung)

10. Juni 2025

21 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A erwirbt von E ein Fahrrad. Anschließend stellt sich heraus, dass die Übereignung unwirksam war. Noch bevor A dies erfährt, verkauft und übereignet er das Fahrrad an den gutgläubigen B.

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Einordnung des Falls

Abzugrenzen: Sachsubstanz und Surrogat (Verfügung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E hat gegen B einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.

Nein!

Ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. Die Übereignung von E an A war zwar unwirksam, wodurch E sein Eigentum nicht verloren hat. Anschließend hat B jedoch gutgläubig durch die Übereignung von A an B das Eigentum erworben. Daher scheidet ein Herausgabeanspruch von E aus.
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2. E kann von A Nutzungsersatz verlangen (§§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Anspruch auf Nutzungsersatz aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB setzt (1) eine Vindikationslage, (2) Ziehung von Nutzungen durch den Besitzer und (3) Bösgläubigkeit des Besitzers voraus. Zum Zeitpunkt des Verkaufs bestand zwar eine Vindikationslage. Allerdings handelt es sich bei der Verfügung bereits nicht um eine Nutzung iSd § 100 BGB, sondern um einen Eingriff in die Sachsubstanz. Zudem war A nicht bösgläubig.

3. Kann E dennoch von A das Surrogat herausverlangen?

Ja, in der Tat!

Der § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB entfaltet eine Sperrwirkung zugunsten des gutgläubigen Besitzers bezüglich der Herausgabe von Nutzungen und Ansprüchen auf Schadensersatz. Da es sich bei der Verfügung aber nicht um eine Nutzung, sondern einen Eingriff in die Sachsubstanz handelt, greift diese Sperrwirkung hier nicht. E kann daher von A nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB wegen der Verfügung eines Nichtberechtigten die Herausgabe des erlangten Surrogates, also den Erlös verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAN

Daniel

10.8.2022, 19:24:34

Ich bin verwirrt, warum im "Verkauf" des Fahrrads (wo offenbar die

Übereignung

mit gemeint ist) ein Eingriff in die Sachsubstanz liegen soll?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.8.2022, 12:47:24

Hallo Daniel,

Nutzungen

sind Früchte einer Sache sowie Vorteile, die der bestimmungsgemäße Gebrauch der Sache mit sich bringt. Die Veräußreung stellt aber keinen bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sache dar. Vielmehr wird dadurch die Herausgabe durch E an A unmöglich, sodass ein Eingriff in die Sachsubstanz vorliegt. Dies ist nicht nur bei

Beschädigung

oder Zerstörung der Fall, sondern auch bei anderen Umständen, die zur Unmöglichkeit der Herausgabe führen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DAN

Daniel

14.8.2022, 19:18:33

Danke für die Antwort. Die Sachsubstanz an sich bleibt ja davon unberührt. Meint der Begriff dann hier quasi einen Eingriff in das Eigentumsrecht des A, die Sachsubstanz der selbst betreffend?

DO

Doli

20.12.2022, 15:23:32

Wäre nicht viel wichtiger hier 989 statt 987 zu erwähnen, da dieser tatsächlich vorliegt und nicht an dem Merkmal der Nutzung scheitert?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.12.2022, 12:34:21

Hallo Doli, vielen Dank für Deinen Hinweis! Um die Aufgaben nicht zu überfrachten, gehen wir in unseren systematischen Kursen nicht bei jeder Aufgabe auf alle in Betracht kommenden Ansprüche ein. Du hast aber völlig recht, dass Du in der Klausur §§ 989,

990 BGB

kurz anprüfen müsstest. Im Ergebnis geht der Anspruch allerdings nicht durch, da A gutgläubig ist. Die Begehr des E ist in der Aufgabee aber auch nicht auf die Kompensation seines Schadens gerichtet, sondern auf die Abschöpfung des Erlöses. Deswegen schien es uns an dieser Stelle wichtiger, hier noch einmal zwischen Nutzung und

Wertersatz

zu differenzieren. Da die Herausgabe des Surrogates weder einen Nutzungs- noch einen Schadensersatz darstellt, tritt die

Sperrwirkung des EBV

nicht ein, sodass E das Surrogat nach

§ 816

Abs. 1 BGB abschöpfen kann. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Edward Hopper

Edward Hopper

23.2.2023, 18:19:33

Wieso lag überhaupt

vindikationslage

vor? Der Vertrag ist doch wirksam und somit recht zum Besitz??

TI

Timurso

23.2.2023, 20:46:06

Welcher Vertrag? Im Sachverhalt steht nichts von einem Verpflichtungsgeschäft.

Edward Hopper

Edward Hopper

1.3.2023, 14:28:46

Da steht "erwirbt".

TI

Timurso

12.3.2023, 12:15:32

Mit Erwerben ist die Stellung als Eigentümer gemeint, also das

Verfügungsgeschäft

. Vergleiche bspw. die amtliche Überschrift des Buch 3 Abschnitt 3 Titel 3 Untertitel 1 des BGB "Erwerb und Verlust des Eigentums beweglicher Sachen" oder auch den Wortlaut von § 929 BGB: "Erwerber"

LS2024

LS2024

25.2.2024, 11:47:18

Worin liegt der Unterschied zwischen einem Schaden und einem Eingriff in die Sachsubstanz? Hier liegt doch eigentlich beides vor, denn durch den Eingriff in die Sachsubstanz entsteht dich auch ein Schaden in Höhe des Wertes des Eigentumsrechts.

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 10:26:32

Hallo LS2024, vielen Dank für die sehr gute Frage! Du hast Recht mit dem zweiten Sazt: Wenn ein Eingriff in die Sachsubstanz vorliegt, liegt i.d.R. auch ein Schaden vor. Denn der Eingriff in die Sachsubstanz ist eine art „

Verletzungshandlung

“, die in einem Schaden resultiert. Somit liegt der Unterschied in der verschiedenen Prüfungsstufe. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Wagner § 823 Rn. 304 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Kind als Schaden

Kind als Schaden

18.5.2024, 15:30:36

Welche Ansprüche stünden denn dem A zu, sofern er gutgläubig war?

QUAR

Quarklo

20.7.2024, 06:52:31

Er kann den bereits gezahlten Kaufpreis kondizieren. Damit steht er am Ende so da, wie er vor dem Geschäft mit E stand

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

26.4.2025, 09:30:53

Hallo @[

Kind als Schaden

](207572), in dem Sachverhalt, wie wir ihn gebildet haben, hat A keine Ansprüche gegen E. A ist allerdings auch nicht schutzwürdig, da er nie eine Rechtsposition inne hatte. Er hatte vor dem Verkauf an B nichts und jetzt hat er eben auch nichts. Was @[Quarklo](252534) sagt, stimmt insofern nur, wenn es tatsächlich einen Kaufvertrag gegeben hat. Das ist in unserem Sachverhalt nicht der Fall. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

NC

nondum conceptus

25.4.2025, 22:14:07

wenn doch nur die

Übereignung

unwirksam war, dann liegt doch kein EBV vor, weil ein Recht zum Besitz auf dem Kaufvertrag besteht oder nicht

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

26.4.2025, 09:22:36

Hallo @[nondum conceptus ](234295), der Sachverhalt sagt nichts über einen Kaufvertrag. Wir können daher nicht einfach davon ausgehen, dass es einen Vertrag gibt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

9.5.2025, 11:07:06

könnte, wenn A

bösgläubig

wäre, nicht ein Anspruch aus 989, 990 bestehen? die Weiterveräusserung wäre doch eine sonstige Unmöglichkeit? dann müsste das EBV doch aber eigtl

Sperrwirkung

entfalten? Oder wo liegt mein Denkfehler? hat sich glaube ich erledigt… Schadensersatz nach 989, 990 könnte der Eigentümer dann nur für den Verlust der Sache bekommen (also den objektiven Wert der Sache). Ihm geht es hier aber um den Erlös (aus dem Verkauf der Sache). Da 989, 990 keine

Erlösherausgabe

regelt, greift auch diesbezüglich keine

Sperrwirkung

.

OKA

okalinkk

9.5.2025, 11:17:10

ich verstehe nicht so ganz, weshalb die Sachveräusserung keine Nutzung ist. Könnte man sie nicht als Gebrauchsvorteile einer Sache bezeichnen? eine Aufgabe zum Begriff der Nutzung wäre vielleicht hilfreich


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