Abzugrenzen: Sachsubstanz und Surrogat (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung)


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Jurafuchs

Unternehmer U kauft von Dieb D gutgläubig Krokodilleder und verarbeitet dieses zu Brieftaschen. D hatte das Leder zuvor von E gestohlen.

Einordnung des Falls

Abzugrenzen: Sachsubstanz und Surrogat (Verbindung, Vermischung, Verarbeitung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist U Eigentümer des zu Brieftaschen verarbeiteten Leders geworden?

Ja!

In Folge der Verarbeitung des Leders zu Brieftaschen hat U gemäß § 950 Abs. 1 S. 1 BGB das Eigentum an den Sachen erlangt. Dass das Leder zuvor gestohlen wurde, ist unerheblich. Denn § 935 Abs. 1 S. 1 BGB gilt nur für den rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb nach den §§ 932-934 BGB, nicht hingegen für den gesetzlichen Eigentumserwerb.

2. Für Ansprüche des E aus dem EBV fehlt es bereits an der Vindikationslage zum Zeitpunkt der Verarbeitung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Vindikationslage liegt vor, wenn (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist.U ist durch die Verarbeitung des Leders zum Eigentümer geworden. Allerdings stellt bereits die Verarbeitung das haftungsbegründende Ereignis dar. Zu diesem Zeitpunkt war E noch Eigentümer. U war Besitzer. Da D das Leder gestohlen hatte, besaß U weder ein eigenes noch ein abgeleitetes Besitzrecht. Damit lag zum Zeitpunkt der Verarbeitung eine Vindikationslage vor.

3. E kann von U für die Verarbeitung Nutzungsersatz nach §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Anspruch auf Nutzungsersatz aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB setzt (1) eine Vindikationslage, (2) Ziehung von Nutzungen durch den Besitzer und (3) Bösgläubigkeit des Besitzers voraus. Zum Zeitpunkt der Verarbeitung bestand zwar eine Vindikationslage. Allerdings handelt es sich bei der Verarbeitung nicht um eine Nutzung iSd § 100 BGB, sondern um einen Eingriff in die Sachsubstanz. Zudem war U nicht bösgläubig. Daher scheidet auch hier der Nutzungsersatz aus.

4. Da eine Vindikationslage bestand, sind Wertersatzansprüche aus dem Bereicherungsrecht gesperrt.

Nein!

Der gutgläubige Besitzer soll durch die Regelung der §§ 987-993 BGB lediglich von Schadensersatzansprüchen des Eigentümers bzw. der Herausgabe von Nutzungsersatz freigestellt werden. Dagegen soll er nicht den Wert der Sache behalten dürfen. Die §§987ff. BGB schützen den Besitzer nicht davor, dass er die Sache an den Eigentümer herausgeben muss (§ 985 BGB). Ist die Herausgabe nicht mehr möglich (zB wegen Vearbeitung, Verbrauch, Veräußerung) muss er dem Eigentümer grundsätzlich Wertersatz leisten. Deshalb wird im Falle der Verarbeitung der Bereicherungsanspruch aus § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB durch die Sonderregelung der §§ 987-993 BGB nicht berührt.Da E durch die Verarbeitung sein Eigentum an den Taschen verloren hat, steht ihm gegen U ein Anspruch auf Wertersatz nach §§ 951 Abs. 1 S. 1, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB iVm § 818 Abs. 2 BGB zu.

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