Strafrecht
BT 4: Brandstiftungsdelikte
Einführung
„Teilweise Zerstörung“ bei der Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB)
„Teilweise Zerstörung“ bei der Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T wirft einen entzündeten Feuerwerkskörper durch ein geöffnetes Fenster eines Mehrfamilienhauses. Daraus entsteht ein Brand, der das Kinderzimmer so stark beschädigt, dass es wegen einer erforderlichen Renovierung drei Wochen nicht benutzbar ist.
Diesen Fall lösen 42,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
„Teilweise Zerstörung“ bei der Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat das Mehrfamilienhaus "in Brand gesetzt" (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat das Mietshaus "durch Brandlegung teilweise zerstört" (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Nein!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
clarasbr
25.4.2022, 10:00:08
Wieso wurde hier „durch
Brandlegung“ abgelehnt? Ausreichend ist hierbei doch, dass das Brandmittel den Zerstörungsvorgang auslöst und das war doch der Fall? Ich hätte die Strafbarkeit bei „teilweise Zerstören“ abgelehnt
Lukas_Mengestu
26.4.2022, 19:12:49
Hallo clarasbr, in der zweiten Frage geht es nicht nur um die
Brandlegung(die wohl vorliegt), sondern es wird zugleich danach gefragt, ob eine teilweise Zerstörung des Mehrfamilienhauses damit einherging. Diese ist im Ergebnis abzulehnen, da ja nur das Kinderzimmer betroffen war. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Blotgrim
2.10.2022, 00:51:09
Aber warum ist ein Kinderzimmer kein wesentlicher Teil?
Martin.
20.1.2023, 21:48:04
Würde mich auch interessieren
Peter
9.2.2023, 08:26:24
Mich auch..
NoahJurafuchs
11.2.2023, 20:49:18
Mich würde es ebenfalls interessieren.
Izapella
10.3.2023, 16:13:35
Same here 🙌🏻
Lukas_Mengestu
10.3.2023, 16:50:02
Hallo ihr Lieben, vielen Dank fürs Nachhaken! Des Rätsels Lösung liegt hier in den Anforderungen des
Tatbestands. Es genügt nicht, dass eine "Wohnung" teilweise zerstört ist (das wäre beim zerstörten Kinderzimmer der Fall). Vielmehr verlangt § 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB, dass ein "
Gebäude" teilweise zerstört wird. Bezugsobjekt ist insoweit das gesamte Mehrfamilienhaus. Damit dieses teilweise zerstört ist, genügt es noch nicht, dass ein einzelnes Zimmer einer Wohnung nicht bewohnt werden kann. Vielmehr ist erforderlich, dass " zumindest eine Wohnung für eine beträchtliche Zeit zu Wohnzwe- cken nicht mehr benutzbar war" (RdNr.5). Ich hoffe, es ist nun etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Anna-Lena.2002
18.4.2023, 15:19:25
Ich meine zu glauben, dass unser Prof gesagt hat, dass es umstritten ist, ob man die Wohnung als “Ganzes” zugrunde liegt oder das ganze
Gebäude. Würde man die Wohnung als Ganzes zugrunde legen so wäre doch das eine Zimmer auch ein Teil dieser und sie wäre teilweise zerstört. Kann auch sein, dass ich mich irre, aber ich dachte, dass das auch vertreten wird.
Nils
17.10.2023, 23:17:30
Bei
Tatobjekten nach Abs. 1 Nr. 1 (
Gebäude) ist eine teilweise Zerstörung dann gegeben, wenn es: (1.) „für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für einzelne seiner Zweckbestimmungen unbrauchbar“ ist, (2.) „ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar wird“ oder (3.) „einzelne Bestandteile der Sache, die für einen selbstständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, gänzlich vernichtet“ worden sind. Bei einer teilweisen Zerstörung muss berücksichtigt werden, dass diese „von Gewicht“ ist (BGHSt 48, 14) Das (teilweise) Zerstören ist dann von dem erforderlichen Gewicht, wenn ein „verständiger Wohnungsinhaber“ die Wohnung für eine beträchtliche Zeit nicht mehr benutzen würde Lackner/Kühl/Heger/Heger, 30. Aufl. 2023, StGB § 306 Rn. 4 MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2022, StGB § 306 Rn. 56
Nordisch
28.10.2023, 22:34:31
Wie sieht es denn bei einem einzelnen Zimmer in einem Einfamilienhaus aus? Bei Wohnzimmer oder Eingangsbereich würde man das dann eher bejahren als bei Kinderzimmer?
Skywalker
2.11.2023, 02:48:47
Entscheidend ist die Frage, ob der unbrauchbare Teil für den bestimmungsgemäßen Gebrauch(!) des
Gebäudes notwendig ist. Bei einem Kinderzimmer in einem Einfamilienhaus kann m.E. nichts anderes gelten als auch bei Mehrfamilienhäusern. Das zeigt auch warum eine Argumentation, die aufzeigen will, dass das Zimmer einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses nicht einen "unmittelbaren Teil" des Mehrfamilienhauses darstellt, verfehlt ist. Ein Teil eines Teils bleibt ein Teil des ganzen, es kommt nur überhaupt nicht auf das "Teilsein"an, sondern in wie fern der unbrauchbare Teil die Zweckbestimmung einschränkt. Bei dem Mehrfamilienhaus ist nur die Frage, was der bestimmungsgemäße Gebrauch eigentlich ist. Die Zweckbestimmung ist wohl die Bewohnbarkeit von allen(!) Wohneinheiten, wofür eine unbrauchbare einzelne Wohneinheit nicht ausreichend sein könnte. Daher hat das BGH auch die Grundsätze zur teilweisen Zerstörung (o.g.) dahingehend konkretisiert, dass auch die Unbrauchbarkeit einzelner Zweckbestimmungen ausreicht. Die Unbrauchbarkeit einer einzelnen Wohnung soll also bei Mehrfamilienhäusern reichen. Die Unbrauchbarkeit eines Kinderzimmers hingegen genügt nicht um die einzelne Zweckbestimmung ausreichend einzuschränken, weil die Nutzbarkeit der Wohnung bestehen bleibt. Bei Wohnzimmer wird in der Regel der bestimmungsgemäßer Gebrauch ausreichend beeinträchtigt sein, um eine teilweise Zerstörung anzunehmen. Beim Eingangsbereich eher nicht.
Nordisch
2.11.2023, 11:28:53
Danke für deine Erklärung! Wobei ich beim Eingangsbereich tatsächlich nicht mitgehe. Wenn ich die Wohnung nicht betreten kann, kann ich sie gar nicht nutzen.