mittel

Diesen Fall lösen 61,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T entwendet den zur Bestattung vorgesehenen Leichnam des O, um die Organe des O im Ausland zu verkaufen.

Einordnung des Falls

Eigentumsfähigkeit menschlicher Leichen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Leichnam des O ist nach h.M. eine "Sache" (§ 242 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine Sache im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB ist nach dem vom Zivilrecht grundsätzlich unabhängigen strafrechtlichen Sachbegriff jeder körperliche Gegenstand vergleichbar mit §90 BGB, unabhängig von seinem Aggregatzustand. Der lebende Mensch ist als Subjekt von Rechten keine Sache. Ob der Leichnam eine Sache darstellt, ist umstritten. Eine Mindermeinung verneint dies. Im Leichnam verbleibe ein "Rückstand des Persönlichkeitsrechts". Nach h.M. ist der Leichnam eine Sache. Der Begriff „Rückstand des Persönlichkeitsrechts“ sei nicht fassbar. Zudem sei unbestritten, dass Leichen in Museen (Moorleichen, Mumien) oder in anatomischen Instituten zu Forschungszwecken Sachqualität aufwiesen.

2. Der Leichnam des O ist eigentumsfähig und war daher für T "fremd" (§ 242 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Sache ist für den Täter fremd, wenn sie weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. Die Fremdheit bestimmt sich nach den Regeln des BGB. Eigentumsfähig ist eine Sache, wenn jemand Eigentum an ihr erwerben kann. Leichen unterliegen der Pietätsbindung. Deshalb ist eine Aneignung (§ 958 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen. Die Erben erwerben kein Eigentum am Leichnam, da dieser aufgrund der mangelnden Eigentumsfähigkeit kein Bestandteil des Nachlasses ist. Am zur Bestattung vorgesehenen Leichnam kann kein Eigentum erworben werden. Der Leichnam ist für T nicht fremd im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB.

Jurafuchs kostenlos testen


PAUL

Paulis

7.11.2019, 18:21:55

Worin läge dann eine Strafbarkeit? Ginge 246?

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

13.11.2019, 10:23:58

@Paulis, gute Frage! § 246 StGB (Unterschlagung) setzt gleichermaßen eine fremde, bewegliche Sache voraus. Die Wegnahme menschlicher Leichen ist aber als Störung der Totenruhe strafbar (§ 168 StGB).

Notorious P.M.S.

Notorious P.M.S.

8.7.2021, 23:08:41

Wenn es sich bei der Täterin um eine Angestellte bspw. des Friedhofs handelt, käme auch Verwahrungsbruch (§ 133 StGB) in Betracht, denke ich.

DEUSI

DeusImperatus

22.7.2020, 23:14:36

Wie verhält es sich, wenn aus einem toten Menschen ein Exponat (Körperwelten) wird? Meiner Meinung nach, kann hier Eigentum begründet werden. Womöglich ebenfalls, wenn man seinen Körper für die Wissenschaft an eine Uni spendet.

Fräulein Cowds

Fräulein Cowds

23.7.2020, 05:25:29

Das stimmt. Eigentum kann erworben werden weil durch den Tod des Menschen seine „Einzelteile“ eigentumsfähig werden. Körperwelten begründet dann Eigentum an den Exponaten. Entwendest du ein solches handelt es sich dann um Diebstahl. Habe ich dir Frage richtig verstanden? Oder ging es darum, dass der Mensch von vornherein seinen Leichnam zu Forschungszwecken spenden möchte und dieser dann von dem oben genannten Täter entwendet wird?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

23.7.2020, 14:25:22

Hallo ihr beiden. Die Eigentumsfähigkeit eines Leichnams ist umstritten. Die wohl herrschende Ansicht geht davon aus, dass Leichnahme per se herrenlose Sachen sind, also auch insbesondere nicht den Erben gehören. Allerdings verhält es sich, wie ihr richtig gesagt habt anders, wenn der Leichnam zulässigerweise der Bestattung entzogen und einer (populär-)wissenschaftlichen Einrichtung (bspw. Körperspende zur Plastination) überlassen wurde. Dann kann daran ein Diebstahl begangen werden.

eichhörnchen II

eichhörnchen II

2.6.2024, 14:56:13

Wäre es möglich hier in der Lösung genauer darauf einzugehen wie ausnahmsweise doch Eigentum an Leichen erworben werden kann? Nachdem in der ersten Frage explizit das Beispiel der Museumsexponate angebracht wird, verwirrt die Aussage, dass Leichen nicht eigentumsfähig sein können, hier auf den ersten Blick.

Isabell

Isabell

20.10.2020, 17:29:30

Wo ist denn die Pietätsbindung rechtlich verankert?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

20.10.2020, 17:52:31

Hallo Isabell, danke für deine Frage. Die Peitätsbindung geht auf das Pietätsgefühl der Allgemeinheit zurück. Dieses ist nach BGH Schutzgut des § 168 Abs. 1 StGB. Vgl. dazu insb. BGHSt 60, 302. Die ganze Thematik ist allerdings äußerst umstritten, vgl. nur den Aufsatz von Prof. Dr. Stephan Stübinger; ZIS 2016, 373-381, online frei abrufbar unter: http://www.zis-online.com/dat/artikel/2016_6_1022.pdf

Isabell

Isabell

20.10.2020, 17:57:13

Spannend. Da werde ich bei Zeiten mal nachlesen. Danke für die Fundstellen!

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

15.9.2022, 11:35:29

Fliege ich bei der Subsumtion dann bei „Alleineigentum“ oder „herrenlos“ raus? Eigentumsähigkeit klingt ja dann eher wie ein „ungeschriebenes“ Definitionsmerkmal…

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.9.2022, 19:41:06

Hallo eiskaltengel, um die Wegnahme zu bejahen müssen ja beide Merkmale quasi "negativ" ausfallen, also die Sache darf weder im Alleineigentum des Täters stehen noch darf sie herrenlos sein. Da sie eigentumsunfähig ist kann sie nicht im Eigentum des T stehen und auch nicht herrenlos sein. Denn herrenlos sind Sachen, die zur Zeit keinen Eigentümer haben aber grundsätzlich eigentumsfähig sind. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2024