Strafrecht
BT 5: Verkehrsdelikte
Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB
§ 316 StGB: Fahrlässigkeit - keine Zäsur - Vorsatz
§ 316 StGB: Fahrlässigkeit - keine Zäsur - Vorsatz
19. April 2025
10 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

T weist eine BAK von 1,1‰ auf, hält sich aber sorgfaltswidrig für fahrtüchtig. Daher unternimmt er mit seinem Pkw eine „Spritztour“. Als er bei einer Pinkelpause ins Schwanken gerät, wird ihm seine Fahruntüchtigkeit bewusst. Dennoch setzt er die Fahrt fort.
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1. T hat den objektiven Tatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) verwirklicht.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat die Trunkenheit im Verkehr vorsätzlich verwirklicht (§ 316 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
3. Durch die Pinkelpause wird die „Trunkenheitsfahrt“ in einen fahrlässigen (§ 316 Abs. 2 StGB) und einen vorsätzlichen (§ 316 Abs. 1 StGB) Teil aufgespalten (§ 53 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Fahrradfischlein
13.11.2020, 10:16:33
Das heißt dann also es bleibt im Ergebnis bei einer fahrlässigen Begehung? Letztlich kann man doch nicht wenn die Pinkelpause keine
Zäsurwirkunghat den danach entstandenen
Vorsatzauf die ganze Tat erstrecken. Das ginge doch zu Lasten des Täters.

Eigentum verpflichtet 🏔️
13.11.2020, 14:55:56
Hallo Fahrradfischlein, nein es liegt vorsätzliche Begehungsweise vor. Zunächst hat T den Tatbestand des § 316 Abs. 2, 1 StGB (fahrlässig) begangen. Da die Pinkelpause aber nur eine Pause war und danach kein neuer Entschluss entstand loszufahren, sondern der alte fortgesetzt wurde, liegt keine Zäsur vor. Allerdings hatte er in diesem Moment
Vorsatz. Dieser Motivwechsel führt dann zu einer Strafbarkeit wegen vorsätzlichen Delikts, allerdings nicht zu einer zusätzlichen Strafbarkeit wegen der vorangegangenen fahrlässigen Begehung. Von daher ist es für den Täter ja vorteilhaft, dass hier keine Zäsur angenommen wird, da sonst Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 StGB in Tatmehrheit (§ 53 StGB) mit Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 2, 1 StGB (fahrlässig) vorliegen würde.
Nickname
14.1.2023, 18:03:22
Aber der
Vorsatzlag doch nicht zum Zeitpunkt der Begehung der Tat vor, diese Wertung verstößt doch gegen das
Koinzidenzprinzip, wenn ich den gefassten
Vorsatzder Pinkelpause auf die fahrlässige Tatbegehung „vorverlagere“

Larzed
24.2.2023, 12:57:45
Doch, das
Koinzidenzprinzipist gewahrt. Es sagt lediglich aus, dass der
Vorsatzbei Begehung der Tat vorliegen muss. D.h. ja nicht, dass der
Vorsatzzwingend am Anfang der ersten Tatausführung vorgelegen haben muss. Vielmehr ist bei Dauerdelikten ausreichend, dass der
Vorsatzwährend der Begehung gebildet wird. Er darf nur nicht nach Abschluss der Deliktsverwirklichung gebildet werden.

sy
2.2.2025, 16:20:54
Meines Erachtens nach ist hier gerade die Pause eine entscheidende Zäsur. Der T wechselt die innere Willensrichtung sogar ab von "ich kann sehr gut fahren" zu "ups ich kann ja doch nicht so gut fahren". In Kentniss dieser Umstände beschließt er erneut und weiterhin mit dem pkw zu fahren. Wo ist mein Denkfehler?
Leo Lee
3.2.2025, 09:29:47
Hallo sy, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab ist dein Einwand insofern nachvollziehbar, als eine Änderung der Willlensrichtung in der Regel für einen Zäsur und damit für eine "neue"
prozessuale Tatsprechen kann. Beachte allerdings, dass 316 nicht ein klassisches Erfolgs-, sondern ein DAUERdelikt ist. D.h., hier hält der Täter - in diesem Fall die Trunkenheitsfahrt - so lange aufrecht, bis ein Zustand eintritt, der diesen dauerhaften Zustand ENDGÜLTIG beendet. D.h., solange unser Täter weiter betrunken fährt, ohne fahrtüchtig zu werden oder KOMPLETT die Fahrt zu unterlassen, sind Pinkelpausen oder die Änderung der inneren Willensrichtung egal. Natürlich gilt dies nur, wenn er entsprechend mit Wissen und Wollen handelt. Allerdings gilt stets, dass solange der Zustand weiter perpetuiert wird, macht er sich weiterhin (kontinuierlich) strafbar. Merken dir deshalb: DAUERDELIKT! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Pegel § 316 Rn. 125 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

sy
3.2.2025, 09:35:10
Vielen Dank, dann kann ich mir vlt auch merken, dass wohl solche kleinen Pausen, die gerade ein immanenter und natürlicher Teil einer Autofahrt sein können( wie tanken, und pinkeln) keine Zäsur bilden können?
Leo Lee
4.2.2025, 09:26:33
Hallo sy, so kann man sich das tats. „faustformelartig“ merken!
babakd
16.2.2025, 16:43:45
Fischer § 316 Rn. 56 (72. Aufl.)
Rechtsanwalt B. Trüger
5.3.2025, 11:57:09
Wie baue ich das ganze dann auf? Mein Vorschlag: -Man prüft eine Strafbarkeit nach § 316 Abs. 1 StGB -im subjektiven Tatbestand kommt man dann ja zum
Vorsatz. Da schreibt man dann, dass zunächst Fahrlässigkeit vorliegt. Diese Fahrlässigkeit wurde nach der „Pinkelpause“ aber zum
Vorsatz. Mangels Zäsur erstreckt sich der
Vorsatzdann auf die ganze Fahrt -i.E. § 316 Abs. 1 StGB (+) passt das so?