Strafrecht

BT 5: Verkehrsdelikte

Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB

§ 316 StGB: Fahrlässigkeit – Zäsur – Vorsatz

§ 316 StGB: Fahrlässigkeit – Zäsur – Vorsatz

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Trotz einer BAK von 1,3‰ fährt T Auto. Unterwegs hält sie die Polizei an und nimmt sie mit zur Wache. Dort weist sie die Polizei darauf hin, dass sie wegen ihrer Alkoholisierung kein Auto mehr fahren dürfe. Gleichwohl begibt sich T zu ihrem Pkw und setzt ihre Fahrt fort.

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Einordnung des Falls

§ 316 StGB: Fahrlässigkeit – Zäsur – Vorsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den objektiven Tatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) verwirklicht, indem sie unter Alkoholeinfluss Auto fuhr (1. Tatkomplex).

Ja!

§ 316 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr trotz alkohol- oder sonst rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit führt. T hat ihren Pkw unter Beherrschung der dafür erforderlichen technischen Funktionen bewegt, mithin ein Fahrzeug geführt. Dies geschah im öffentlichen Verkehrsraum und damit im Straßenverkehr. Ferner war T mit einer BAK von mehr als 1,1‰ im Fahrtzeitpunkt nach gesicherten verkehrsmedizinischen Erkenntnissen unwiderlegbar nicht in der Lage, den Pkw sicher zu führen. T war damit absolut fahruntüchtig.
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2. T hat die Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) vorsätzlich verwirklicht (1. Tatkomplex).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die subjektive Tatseite des § 316 Abs. 1 StGB setzt wenigstens dolus eventualis hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes voraus. Zum einen muss der Täter (bedingten) Vorsatz bzgl. des Fahrzeugführens im Verkehr haben. Zum anderen ist Voraussetzung, dass der Täter weiß oder zumindest damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, fahruntüchtig zu sein. Es gibt keinen naturwissenschaftlichen oder medizinisch gesicherten Erfahrungssatz, dass ab einer bestimmten BAK stets Vorsatz vorliegt. Obgleich eine hohe BAK dennoch ein gewichtiges Beweisanzeichen sein mag, kann nicht allein aus der BAK von 1,3‰ auf Vorsatz geschlossen werden. Mangels anderer Beweisumstände scheidet in dubio pro reo eine Bestrafung aus der Vorsatztat aus.

3. T hat sich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 2 StGB) strafbar gemacht (1. Tatkomplex).

Ja, in der Tat!

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn sich der Täter sorgfaltswidrig für fahrtüchtig hält. Jeder Kfz-Fahrer hat die Pflicht, bei Fahrtantritt gewissenhaft aufgrund aller ihm bekannten Umstände zu prüfen, ob er wegen seines Alkoholgenusses außerstande ist, ein Kfz sicher zu führen. Ist der Täter sich danach nicht sicher, dass er fahrtüchtig ist, darf er nicht fahren. T hat ihren Pkw im öffentlichen Verkehr absolut fahruntüchtig geführt. Angesichts der BAK von 1,3‰ hätten sich der T Zweifel hinsichtlich ihrer Fahrtüchtigkeit aufdrängen müssen. Mithin handelte T fahrlässig. Rechtswidrigkeit und Schuld begegnen keinen Bedenken. Insbesondere ist der individuelle Fahrlässigkeitsschuldvorwurf zu erheben.

4. T hat sich wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem sie ihre Fahrt unter Alkoholeinfluss fortsetzte (2. Tatkomplex).

Ja!

T hat ihren Pkw im öffentlichen Verkehr absolut fahruntüchtig geführt. In subjektiver Hinsicht ist allein fraglich, ob T wusste oder zumindest damit rechnete und billigend in Kauf nahm, fahruntüchtig zu sein. Die Polizeibeamten hatten T ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie wegen ihrer Alkoholisierung kein Auto mehr fahren dürfe. Unter diesem Eindruck konnte T nicht ernsthaft davon ausgehen, fahrtüchtig zu sein. Dass sie gleichwohl ihre Fahrt fortsetzte, zeigt, dass sie dolus eventualis bezüglich ihrer Fahruntüchtigkeit besaß. Ferner handelte T rechtswidrig und schuldhaft.

5. Die fahrlässige Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 2 StGB) steht in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zu der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

§ 316 StGB ist eine Dauerstraftat, die mit dem Fahrtantritt beginnt und erst endet, wenn der Täter mit dem Weiterfahren endgültig aufhört oder die Fahruntüchtigkeit während der Fahrt entfallen ist. Weder ein Motivwechsel während der Fahrt noch kurzfristige Unterbrechungen (z.B. durch Tanken oder Halten an einer Ampel) beenden die Fahrt. Die tatbestandliche Bewertungseinheit wird erst unterbrochen und eine eigene Strafbarkeit durch die erneute Begehung des Dauerdelikts begründet, wenn eine Zäsur des Gesamtgeschehens eintritt. Dies ist der Fall, wenn es zu einer Unterbrechung kommt und die anschließende Weiterfahrt auf einem neuen Entschluss beruht. So liegt es hier, weshalb zwei real konkurrierende Taten vorliegen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Laura

Laura

9.7.2021, 01:04:03

Wenn die Polizisten ihn darauf hinweisen, dass er zu betrunken ist um Auto zu fahren, wieso liegt dann nur Fahrlässigkeit und kein

Vorsatz

vor? Er weiß doch, durch den Hinweis der Polizei, sicher dass er fahruntüchtig ist und fährt trotzdem weiter??

Marilena

Marilena

9.7.2021, 08:04:46

Hallo Laura, danke für die Frage! Wir haben die Aufgaben in den ersten und zweiten Tatkomplex aufgeteilt (Geschehen vor der Wache und danach). Danach liegt

Vorsatz

vor, davor Fahrlässigkeit.

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

15.11.2022, 16:46:35

Aus dem Sachverhalt wird nicht deutlich, ob im ersten Tatkomplex

Vorsatz

oder Fahrlässigkeit vorliegt, ein kleiner Hinweis wäre da noch nett 🌞

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.11.2022, 14:52:25

Hallo Im🍑nderabilie, es handelt sich hierbei um einen Kniff, der letztlich nur fürs zweite Examen relevant wird. Ausweislich des Hinweistextes ist die Sachverhaltsungenauigkeit hier zugunsten der T aufzulösen ("in dubio pro reo"). Da unklar ist, inwieweit im Sachverhaltskomplex 1 zumindest bedingter

Vorsatz

vorliegt, ist zugunsten der T zu unterstellen, dass sie lediglich fahrlässig betrunken gefahren ist (und ihre Alkoholisierung als geringer eingeschätzt hat). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

L.G

L.Goldstyn

1.8.2024, 18:25:34

Ich kenne durchaus auch Klausuren aus dem 1. Staatsexamen, in denen eine Sachverhaltsungenauigkeit in dubio pro reo aufzulösen ist. Daher sehe ich hier nicht nur eine Relevanz für das zweite Examen.


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