Persönlicher Schutzbereich eines Deutschen-Grundrechts: Deutsche --> Nicht-EU-Bürger


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US-Staatsbürger X nimmt an einer Demonstration gegen US-Präsident Trump in Deutschland teil. Als er der Aufforderung der Polizei, den Platz zu räumen, nicht nachkommt, wird er von einem von der Polizei eingesetzten Wasserwerfer getroffen.

Einordnung des Falls

Persönlicher Schutzbereich eines Deutschen-Grundrechts: Deutsche --> Nicht-EU-Bürger

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Damit X sich auf die Versammlungsfreiheit berufen kann, muss der persönliche Schutzbereich eröffnet sein. Dies setzt nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 GG voraus, dass X Deutscher ist.

Genau, so ist das!

Richtig. Es handelt sich bei Art. 8 Abs. 1 GG nach seinem Wortlaut um ein sog Deutschen-Grundrecht ("Alle Deutschen haben das Recht, sich […] zu versammeln."). Auf Deutschen-Grundrechte können nur Deutsche sich berufen. Deutscher im Sinne des GG ist insbesondere, wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt (Art. 116 Abs. 1 GG). X ist nicht deutscher Staatsbürger, sondern US-Bürger. Er kann sich nicht auf Art. 8 Abs. 1 GG berufen, denn der persönliche Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG ist nicht eröffnet.

2. Da X sich nicht auf Art. 8 Abs. 1 GG berufen kann, ist er in grundrechtlicher Hinsicht schutzlos gestellt.

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist anerkannt, dass das Jedermann-Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) als Auffang-Grundrecht die Freiheit allgemein, also stets dann schützt, wenn kein spezielles Freiheitsgrundrecht einschlägig ist. Damit können sich auch ausländische Staatsbürger auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Art. 2 Abs. 1 GG vermittelt ausländischen Staatsbürgern damit auch die Schutzwirkungen der Deutschen-Grundrechte, jedoch nicht mit dem gleichen Schutzniveau. Würde dem X über Art. 2 Abs. 1 GG der gleiche Schutz wie aus Art. 8 Abs. 1 GG zustehen, widerspräche dies der Grundrechtssystematik.

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ri

ri

17.7.2021, 04:12:37

Wäre hier nicht vor 2 I GG auf 5 I einzugehen?

JURA

Juranus

7.8.2021, 17:32:21

Ja, da könnte man sicherlich noch eine Abgrenzung tätigen. Ich vermute aber, dass der Fall so gemeint ist, dass sich die Auflösung nicht gegen die Meinung richtet und nur versammlungsspezifisch ist, so dass Art. 5 I hier nicht zum Tragen kommt.

FABY

Faby

23.3.2022, 22:56:00

Kann jemand erklären, weshalb es überhaupt die Unterscheidung zwischen Jedermann- und Deutschen-Grundrechte gibt? Wieso z.B. die Versammlungsfreiheit nicht als Jedermann-Grundrecht ausgestalten? :)

VIC

Victor

24.3.2022, 08:07:07

Grund für die Beschränkung ist zumeist ein besonderer Bezug zur demokratischen Willensbildung und damit zum Staatsvolk, der Volkssouveränität. Die Versammlungsfreiheit dient ja mitunter der kollektiven Meinungsbildung und ist auch Ausfluss der Demokratie. Damit soll Mitgestaltung im „eigenen Land“ gewährleistet und gefördert werden. Allerdings ist die strenge Abgrenzung ja aufgeweicht. „Deutscher“ wird in unionskonformer Sicht ja weit ausgelegt und anderen Ausländer über Art. 2 I GG ähnlich umfassende Rechte eingeräumt

Sambajamba10

Sambajamba10

21.5.2023, 22:39:59

Hinzu kommt beispielsweise, dass den "eigenen Bürgern" ein Privileg geschaffen werden soll, weil gerade sie das Staatsvolk darstellen und ohne diese Unterscheidung Chaos hereinbrechen würde. Beispielsweise Art. 11 ist nur ein Deutschengrundrecht, damit man ausländische Menschen, die nach Deutschland kommen, systematische Gemeinden und Städten zu ordnen kann. Könnten alle sich darauf berufen, könnte es der Fall sein, dass viele dorthin wollen, wo es die meiste Sozialhilfe und ähnliches gibt, wobei andere Gegenden dann völlig unbelebte wären (alles nicht wertend gemeint).

DO

Dominic

17.8.2023, 13:02:04

Es heißt ja immer, dass die Versammlungsfreiheit demokratiekonstitutiv ist. Prägendes Merkmal einer Demokratie sind Wahlen. Und da in Deutschland nur Deutsche wählen dürfen, soll auch nur Deutschen das grundrechtliche Recht zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung gewährt werden (zumindest das besonders geschützte Recht aus Art. 8 I GG). Ein weiterer historischer Zweck war es, dass Deutschland keine sog. Fremdenpolizei sein wollte, also nicht "Fremdenkonflikte" nach Deutschland holen wollte (z.B. Kurden gg. Türken in Deutschland). Ob das heute noch ein tragender Zweck ist, sei mal dahingestellt. Bei Art. 12 GG wollte sich der damalige Verfassungsgeber die Möglichkeit vorbehalten, den Arbeitsmarkt und den Zugang zu diesem in schwächeren Wirtschaftssituationen nur den Deutschen zu öffnen. Inzwischen haben sich aber - nicht nur durch die Europäisierung - einige dieser Zwecke faktisch mehr oder weniger erledigt.

PET

Petrus

17.11.2023, 15:39:54

Was heißt bitte, dass er nicht das gleiche Schutzniveau über Art. 2 I GG hat? Ist der Schutzbereich enger oder die Rechtfertigung einfacher? Wie stellt man das in der Prüfung dar, wenn es mal darauf ankommen sollte?

YU

YU

19.12.2023, 13:01:26

Du lehnst Art. 8 I GG im Schutzbereich ab, weil X kein Deutscher ist. Dann prüfst du Art. 2 I GG. Im Schutzbereich subsumierst du dann das Teilnehmen an der Versammlung unter das Recht des Einzelnen, tun und lassen zu können, was er möchte (Sachlicher Schutzbereich Art. 2 I GG). Die Rechtfertigung muss dann am Maßstab der Schranken von Art. 2 I GG erfolgen, und da gibt es eben Unterschiede zu Art. 8 GG (z.B. Art. 8 II GG), weshalb ein Eingriff leichter zu rechtfertigen sein kann als die Einschränkung der Versammlungsfreiheit eines Deutschen. Das meint man mit „nicht das gleiche Schutzniveau“


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