Grundfall: Sperrmüll

14. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A möchte mit seinem Lebensgefährten L zusammenziehen. Weil er nicht alle Möbel mitnehmen kann, stellt A einen alten Schuhschrank mit dem Schild „Zu verschenken“ an den Straßenrand. Was damit passiert, ist ihm gleichgültig. Nachbarin N nimmt den Schuhschrank an sich.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Sperrmüll

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die bloße Inbesitznahme einer Sache ist ein Eigentumserwerb möglich.

Genau, so ist das!

§ 958 BGB regelt, dass jemand, der eine (1) herrenlose, (2) bewegliche Sache in (3) Eigenbesitz nimmt, das Eigentum daran erwirbt, wenn (4) kein Aneignungsverbot oder kein ausschließliches Aneignungsrecht eines anderen besteht. Grundsätzlich kann also die bloße Inbesitznahme einer Sache dazu führen, dass man Eigentümer wird. Es handelt sich um einen Eigentumserwerb kraft Gesetzes.
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2. Eine Sache, die einmal im Eigentum eines Dritten stand, kann niemals herrenlos werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Sache kann entweder von Anfang an herrenlos sein oder erst später herrenlos werden. Eine Sache, die ursprünglich im Eigentum einer Person stand, kann insbesondere durch Aufgabe des Eigentums an der Sache (Dereliktion) herrenlos werden (§ 959 BGB). Die Dereliktion setzt voraus, dass der Eigentümer, den Besitz an einer beweglichen Sache aufgibt und zwar in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten.Diese Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, ist eine nicht-empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Wille, das Eigentum aufzugeben, muss aber dennoch irgendwie nach außen hervortreten.

3. Ist der Schuhschrank des A herrenlos als N ihn an sich nimmt?

Ja!

Vorliegend kommt eine Herrenlosigkeit aufgrund Dereliktion in Betracht. Diese setzt voraus, dass der Eigentümer, den Besitz an einer beweglichen Sache aufgibt und zwar in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten. Diese Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, ist eine nicht-empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach § 133 BGB auszulegen ist.A hat den Schuhschrank an den Straßenrand gestellt und dadurch den Besitz daran aufgegeben. Dem A war gleichgültig, was mit dem Schrank passieren würde, was er durch das „zu verschenken Schild“ auch gekennzeichnet hat. Sein Wille war also darauf gerichtet, das Eigentum an dem Schuhschrank aufzugeben.

4. N hat den Schuhschrank in Eigenbesitz (§ 872 BGB) genommen.

Genau, so ist das!

Eigenbesitzer ist, wer eine Sache als ihm gehörend besitzt (§ 872 BGB). Die Begründung von Eigenbesitz setzt voraus, dass der Erwerber zunächst die tatsächliche Sachherrschaft an der Sache erwirbt (§ 854 Abs. 1 BGB) und dies tut, um die Sache als eigene zu besitzen.N nimmt den Schuhschrank an sich, um ihn selbst weiterzuverwenden und gerade nicht, um ihn z.B. für A zu verwahren. Sie begründet daher Eigenbesitz an dem Schuhschrank.

5. Eine Aneignung ist vorliegend aber gesetzlich ausgeschlossen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Aneignungsverbot liegt vor, wenn irgendeine Rechtsnorm die Aneignung als solche und nicht bloß eine bestimmte Verhaltensweise bei der Aneignung verbietet. Solche Verbote ergeben sich z.B. aus Regeln zum Artenschutz oder aus Regeln, die den Erwerb bestimmter Gegenstände generell verbieten. Hier hat A seinen Schuhschrank einfach an den Straßenrand gestellt und auch keine Sperrmüllabfuhr beantragt. Somit liegt kein gesetzliches Aneignungsverbot vor.Es ist streitig, ob ein Aneignungsverbot hinsichtlich solcher Gegenstände besteht, die zur Müllabfuhr bereitgestellt wurden. Die h.M. geht aber davon aus, dass ein derartiges Aneignungsverbot nicht mehr besteht.

6. Es besteht ein vorrangiges Aneignungsrecht eines Dritten.

Nein!

Derartige Aneignungsrechte ergeben sich etwa aus dem Jagdrecht (§ 1 Abs. 1 S. 1 JagdG), dem Fischereirecht und dem Bergwerkrecht. Liegt ein solches vorrangiges Aneignungsrecht vor, ist die Begründung des Eigenbesitzes wirkungslos und die Sache bleibt herrenlos.Hier geht es um einen Schuhschrank. Ein vorrangiges Aneignungsrecht eines Dritten ist nicht ersichtlich.

7. N ist Eigentümerin des Schuhschranks.

Genau, so ist das!

§ 958 BGB regelt, dass jemand, der eine (1) herrenlose, (2) bewegliche Sache in (3) Eigenbesitz nimmt, wenn (4) kein Aneignungsverbot oder kein ausschließliches Aneignungsrecht eines anderen besteht.Der Schuhschrank ist eine herrenlose, bewegliche Sache, die N in Eigenbesitz genommen hat, ohne dass ein Aneignungsverbot oder ein vorrangiges Aneignungsrecht eines Dritten hinsichtlich des Schranks bestünde. Sie erwirbt Eigentum nach § 958 Abs. 1 BGB.
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