Grundfall: Handlungsstörer

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Trompeter T übt nachts immer wieder für seine Konzerte. Nachbar N kann daher nicht vernünftig schlafen und bittet den T eines Nachts darum, mit dem nächtlichen Üben aufzuhören.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Handlungsstörer

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Musizieren stellt eine Beeinträchtigung iSd § 1004 Abs. 1 BGB dar.

Ja, in der Tat!

Die h.M. versteht unter der Beeinträchtigung jede rechtliche oder tatsächliche, von außen kommende Einwirkung auf die Sache. Hier wirkt sich das Musizieren auf das Nachbargrundstück des N aus und ist somit eine Beeinträchtigung. Dem spricht auch nicht entgegen, dass das häusliche Musizieren zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung gehört, da es zumindest in der Nachtzeit als wesentliche Beeinträchtigung einzustufen ist.
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2. T ist auch Störer.

Ja!

Störer ist, auf wessen Willensbetätigung die Beeinträchtigung unmittelbar oder adäquat mittelbar zurückzuführen ist. Dabei wird unterschieden zwischen dem Handlungsstörer, der durch sein Verhalten die Beeinträchtigung herbeiführt und dem Zustandsstörer, bei dem Beeinträchtigungen vom Zustand einer Sache in seinem Herrschaftsbereich ausgehen. Vorliegend hat T die Beeinträchtigung durch eigenes positives Tun herbeigeführt, indem er Trompete gespielt hat. Er ist daher Handlungsstörer.

3. N kann von T nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB die Beseitigung der Störung verlangen.

Genau, so ist das!

Der Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer ist, (2) eine Eigentumsbeeinträchtigung vorliegt, (3) der Anspruchsgegner Störereigenschaft hat, und (4) keine Pflicht zur Duldung der Störung besteht. Die Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere besteht die Beeinträchtigung zu der Zeit fort, da N den T während des Musizierens anspricht. Auch besteht in der Nacht keine Pflicht, lautes Musizieren zu dulden.

4. N kann von T aber keine Unterlassung nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus: (1) die Eigentümerstellung des Anspruchstellers, (2) eine (drohende) Eigentumsbeeinträchtigung, (3) Wiederholungsgefahr bzw. Erstbegehungsgefahr, (4) die Störereigenschaft des Anspruchsgegners und (5) das Fehlen einer Duldungspflicht. Da T regelmäßig nachts Trompete spielt, ist auch zu erwarten, dass er dies in Zukunft wieder tun wird. Damit besteht eine Wiederholungsgefahr, aufgrund derer N von T die Unterlassung für die Zukunft verlangen kann.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURA

Jurapro

18.1.2023, 16:38:38

Mich irritiert ein bisschen der Aufbau von 1004. Rechtswidirgkeit der Eigentumsbeeinträchtigung und keine

Duldung

spflicht sind als sparate Punkte aufgeführt. Ich dachte eine Eigentumsbeeinträchtigung ist rechtmäßig, wenn eine

Duldung

spflicht besteht.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.1.2023, 17:18:27

Hallo Jur

apr

o, vielen Dank für die gute Nachfrage! Hinter diesem Prüfungsschemas, dass Du auch in der gängigen Ausbildungsliteratur findest (zB Wellenhofer, Sachenrecht, § 24 RdNr. 2, 25), steht eigentlich die Frage der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast der Parteien in einem Prozess. Grundsätzlich gilt im Zivilrecht der Grundsatz, dass der Anspruchsteller verpflichtet ist, sämtliche für ihn günstigen Tatsachen, die den Anspruch begründen, darzulegen und zu beweisen. Auch wenn dies nicht explizit in dem Gesetzestext des §

1004 BGB

steht, gehört der Umstand, dass die Eigentumsbeeinträchtigung rechtswidrig erfolgt, zu den Voraussetzungen, damit überhaupt ein Anspruch besteht. Ähnlich wie bei deliktischen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB indiziert die Eigentumsbeeinträchtigung allerdings grundsätzlich die Rechtswidrigkeit (Herrler, in: Grüneberg, BGB, § 1004 RdNr 12). Diesem Punkt kommt insoweit keine große eigenständige Relevanz zu. Grundsätzlich kannst Du die Rechtswidrigkeit des Zustandes also regelmäßig kurz feststellen. Hat der Anspruchsteller also die anspruchsbegründenden Tatsachen dargelegt ((1)Eigentümer, (2) Eigentumsbeeinträchtigung, (3)

Anspruchsgegner

Störereigenschaft hat, (4) die Eigentumsbeeinträchtigung ist rechtswidrig (wird indiziert)), so hat er seinen Job getan und kann sich zurücklehnen. Nun kann der

Anspruchsgegner

wiederum versuchen, dem Anspruch Einwendungen entgegenzuhalten. Zu diesen gehört das Bestehen einer entsprechenden

Duldung

spflicht (5) (insofern ist es auch unpräzise, diese als "Voraussetzung des Beseitigungs-

Unterlassungs

anspruchs" zu bezeichnen, vgl. Wellenhofer, Sachenrecht, § 24 RdNr. 2). Für das Bestehen einer solchen

Duldung

spflicht ist der

Anspruchsgegner

darlegungs- und beweispflichtig. Aus diesem Wechselspiel ergibt sich der Umstand, dass hier Rechtswidrigkeit und

Duldung

spflicht getrennt dargestellt sind. In der Klausur kannst Du dies aber sehr gut auch zusammenfassen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JURA

Jurapro

18.1.2023, 21:12:49

Danke für die ausführliche Antwort. :-)


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