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V schickt K eine E-Mail, in der sie der K eine wertvolle Perlenkette für €200 zum Kauf anbietet. Kurz darauf signalisiert Vs Tochter T Interesse an dieser Kette. V fragt sich, ob sie an das Angebot, das sie K gemacht hat, gebunden ist.

Einordnung des Falls

§ 145 BGB, Bindung an den Antrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V ist an ihr Angebot gegenüber K gebunden.

Genau, so ist das!

Im Interesse des Empfängers bestimmt § 145 BGB, dass der Antragende an seinen Antrag gebunden ist, sofern er die Gebundenheit nicht ausgeschlossen hat. Er kann sich nicht einseitig von seinem Antrag lossagen, sondern nur mit Zustimmung des Empfängers. Die Bindungswirkung beginnt mit dem Zugang (§ 130 BGB) des Antrags und endet mit seinem Erlöschen (§§ 146ff. BGB). Erlöschensgründe sind die Ablehnung (§ 146 BGB) und der Ablauf der Annahmefrist (§§ 147ff. BGB). K hat das Angebot nicht abgelehnt. Sie kann es noch bis zu dem Zeitpunkt annehmen, in dem V den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB).

2. Wenn K sich binnen zwei Wochen nach Zugang des Angebots nicht äußert, kann sie den Antrag der V nicht mehr annehmen. Dieser ist dann bereits erloschen.

Ja, in der Tat!

Zum Schutze des Antragenden darf die Bindung nicht endlos sein. Mangels Fristbestimmung durch den Antragenden erfolgt die Fristbestimmung durch das Gesetz. Das gegenüber einem Abwesenden erklärte Angebot kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB). Diese objektiv zu bemessende Frist setzt sich aus drei Abschnitten zusammen: (1) Die Zeit zur Übermittlung des Angebots, (2) zur Überlegung und (3) zur Übermittlung der Annahme. Der angetragene Kauf der Kette ist kein komplexes Geschäft, sodass eine zweiwöchige Frist jedenfalls ausreichend erscheint.

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MARC

Marcoyayo

7.11.2019, 11:58:47

2 Wochen sind hier m.E. hoch gegriffen. Eine Nacht zum "drüber schlafen" sollte wohl ausreichen. Darauf die üblichen jeweiligen Übermittlungs- und Kenntnisnahmezeitspannen addiert, ergibt sich eine angemessene Annahmefrist von 4 Tagen.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

8.11.2019, 10:43:56

Marcoyayo, sehen wir genauso: V ist wahrscheinlich nicht ganze 2 Wochen an den Antrag gebunden. Aber nach Ablauf von 2 Wochen ist sie JEDENFALLS nicht mehr daran gebunden. Es kam uns darauf an, einen eindeutigen Fall zu bilden. Deshalb fragen wir ab, ob die Bindung nach 2 Wochen noch besteht. Wie lange die Bindung genau besteht, müsste ein Gericht feststellen. Der Maßstab ist nicht 100% präzise. Insofern scheinen Deine 4 Tage plausibel. Aber für sicher, dass es ein Gericht so entscheiden würde, halten wir es nicht.

DO

DonQuiKong

25.2.2020, 09:12:16

Das sehe ich auch so, die Formulierung der Frage ist jedoch leicht irreführend. Der Antrag erlischt nicht nach zwei Wochen, er ist nach zwei Wochen erloschen

LO

Lorbeerbekränzte🦩

24.3.2021, 12:33:20

Sehe ich auch so, vielleicht könnte man die Frage leicht abändern und z.B. einfach ein „spätestens“ einfügen, auch dann muss man sich bei der Fragestellung nicht auf eine genaue Frist festlegen 😊

Felix Baumgarten

Felix Baumgarten

28.10.2020, 21:48:22

Wäre V aber ein gewerblicher Verkäufer läge doch eher eine invitatio ad offerendum nahe, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.4.2021, 17:12:01

Hallo Felix, allein der Umstand, dass ein Verkäufer gewerblich tätig ist, genügt noch nicht für die Annahme einer invitatio ad offerendum. Vielmehr muss sich aus den jeweiligen Gesamtumständen ergeben, dass die Erklärung keine Bindungswirkung entfalten soll (Schaufenster, Reklameheft, Speisekarte). Wenn - wie hier - individuell an eine Person ein Angebot verschickt wird, so liegen für eine bloße invitatio ad offerendum und einen fehlenden Rechtsbindungswillen keine Anhaltspunkte vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Gerald von Trivia

Gerald von Trivia

13.3.2021, 13:02:52

Ich habe bei der ersten Frage mit „Nein sie ist nicht gebunden“ geantwortet. Meine Begründung dafür war, dass sie ja noch die Möglichkeit hätte den Antrag zu widerrufen, solange die Empfängerin NOCH nicht angenommen hat. Wäre der Gedanke richtig, oder ist man ab der Abgabe eines Angebots immer gebunden?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.3.2021, 17:44:48

Lieber Gerald von Trivia, vielen Dank für Deine Rückfrage! An dieser Stelle musst du die einzelnen Schritte eines Vertragsschlusses wirklich sauber voneinander trennen. Nach § 145 BGB ist ein Angebot grundsätzlich bindend, auf die Annahme des Angebotes kommt es insoweit nicht an. Maßgeblich für die Bindungswirkung ist allein der Zugang des Angebotes. Vorliegend ist das Angebot per E-Mail erfolgt. Dies stellt eine Erklärung unter Abwesenden iSv § 130 Abs. 1 BGB dar, welches nur bis zum Zugang der Erklärung frei widerruflich ist (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Vorliegend ist durch Eingang der E-Mail auf dem E-Mail Server der K von einem Zugang auszugehen, weshalb die Bindungswirkung des § 145 BGB eintritt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Fuller at H(e)art

Fuller at H(e)art

3.7.2023, 20:06:10

Mit dem Zugang auf dem Emailserver ist die Email aber bloß in den Machtbereich der K gelangt. Damit ist noch nicht gesagt, dass bereits nach gewöhnlichen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen war. Zumindest unter Privaten kann nach den gewöhnlichen Umstanden nicht mit sofortiger Kenntnisnahme der Email gerechnet werden (in der Literatur wird z.T. ein Zeitraum von 24 Stunden als maßgeblich angesehen Wertenbruch, JuS 2020, 481 (486)). Ob hier wirklich bereits Zugang erfolgt und damit Bindungswirkung (i.e. keine Widerrufsmöglichkeit gemäß 130 I 2) eingetreten ist, ist also durchaus zweifelhaft.


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