Freibleibendes Angebot – invitatio ad offerendum
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Ohne mit ihm vorher in Kontakt getreten zu sein, bietet V dem K „freibleibend“ 100 Smartphones zum Preis von €8.000 per Brief an.
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Einordnung des Falls
Freibleibendes Angebot – invitatio ad offerendum
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat K ein bindendes Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags gemacht.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach h.M. hat V den K zur Abgabe eines Angebots aufgefordert (invitatio ad offerendum).
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Skywalker
23.10.2020, 23:38:36
Ich finde die Auslegung einer
invitatio ad offerendumhier etwas merkwürdig. Ich würde eher sagen, dass es sich hierbei um ein Angebot handelt, bei dem der Antragende es sich vorbehält seinem Angebot in der Zeit zwischen Zugang und Annahme zu widersprechen oder dies spätestens mit nach Zugang der Annahme tut. Ansonsten sind hier die Interessen des Empfängers meiner Meinung nach ziemlich allein gelassen, der im Unklaren bleibt, obwohl er es doch war der das Angebot bekommen hat.
gelöscht
29.10.2020, 22:55:57
Der Empfänger (K) hat hier durch die Nachricht des V zunächst einen Informationsvorteil. Eine aufschiebende Bedingung nach § 158 Abs. 1 BGB, die pauschal auf einen Vorbehalt des Angebotswiderrufs gerichtet ist, widerspricht zum einen der Bindungswirkung nach § 145 BGB und insbesondere der Regelung nach
§ 130 BGBzu Zugang und Widerruf der Willenserklärung. Eine derartige Angebotskonstruktion wäre gerade nicht im Interesse von K (bzw. objektiver Empfänger). Allerdings ist ein
freibleibendes Angebotwirklich nicht mit einer
invitatio ad offerendumgleichzusetzen: Der Erklärende hat, ähnlich wie bei einem Kaufmännischen Bestätigungsschreiben, eine Reaktionspflicht auf etwaige Angebote, so dass sein Schweigen als Annahme i.S.v.
§ 151 BGBzu werten ist. Dadurch wird K auch wiederum geschützt.
Skywalker
29.10.2020, 23:32:46
Danke für die Erklärung, sehr hilfreich. Also könnte man am ehesten sagen ein
freibleibendes Angebotist ein
invitatio ad offerendummit Reaktionspflicht. Definitiv aber kein bindendes Angebot, kein bedingtes Angebot und auch kein Angebot bei dem die Bindung im Vertrag ausgeschlossen wird, weil letztes ja nur zum Rücktritt berechtigt aber erstmal ein Vertrag durch Annahme zustande kommt. Was der Erklärende ja nicht will. Richtig?
Eigentum verpflichtet 🏔️
30.10.2020, 17:00:39
Hallo ihr beiden, danke für eure sehr lesenswerte Diskussion. Wir haben mal die Kommentare gewälzt und die einschlägige Rspr gesichtet. Nach BGH NJW 1996, 919 (Link jetzt im Fall!) ist in einem freibleibenden Angebot regelmäßig kein Vertragsangebot, sondern eine
invitatio ad offerendumzu sehen. (Für diese hatte das Reichsgericht damals noch vertreten, dass derjenige, der diese invitatio abgibt, nach Eingang eines Vertragsangebots unverzüglich reagieren muss, in dieser Pauschalität wird das so heute nicht mehr gesehen). Eine andere Ansicht geht von einem verbindlichen Angebot mit
Widerrufsvorbehaltaus (Streitstand findet sich jetzt auch im Fall, sehr lesenswert dazu: BGH NJW 1984, 1885ff). Letztlich kommt es auf die Auslegung im Einzelfall nach §§ 133, 157 BGB an.
Rüsselrecht 🐘
6.5.2021, 18:27:38
Der Verweis im ersten Teil der Lösung auf BGH NJW 1994, 1885 f. ist fehlerhaft; dort es um Betäubungsmittel und Strafrecht 😬
Tigerwitsch
7.5.2021, 00:21:03
Ich glaube, da war ein Zahlendreher drin: BGH, U. v. 08.03.1984 – AZ.: VII ZR 177/82 (NJW 1984, 1885 ff.) https://www.prinz.law/urteile/bgh/VII_ZR_177-82#
Lukas_Mengestu
7.5.2021, 08:45:50
Super, danke euch beiden! In der Tat ist es hier die NJW 1984 und nicht NJW 1994 gewesen und das von Tigerwitsch verlinkte Urteil. Wir haben das auch in der Antwort korrigiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
sinaaaa
27.12.2022, 20:26:20
Hab ich dies richtig verstanden: ein nicht bindendes Angebot kann man bis zum Zugang widerrufen? Ich dachte der Verkäufer hat immer ein Widerufsrecht.
Nora Mommsen
2.1.2023, 12:37:30
Hallo sinaaaa, danke für deine Frage. Es muss genau differenziert werden: Nach
§ 130 BGBkann eine Willenerklärung grundsätzlich bis zu ihrem Zugang widerrufen werden. Ein Angebot kann also bis zum Zugang beim Empfänger widerrufen werden. Bei einer abweichenden Regelung, z.B. wenn eine "
freibleibendes Angebot" gemacht wird kann bis zum Zugang der Annahmeerklärung beim Antragenden widerrufen werden. Das verschafft also mehr Zeit für den Widerruf. Im Einzelnen ist aber umstritten, was genau unter einem freibleibenden Angebot und ähnlichen Formulierungen zu verstehen ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
NF
30.3.2023, 16:18:51
Wenn ein
freibleibendes Angebotdes V als
invitatio ad offerendumausgelegt wird und der K ein Angebot abgibt, kommt der Vertrag erst mit einer entsprechenden Annahme des V zustande? Oder ist dem V sein Schweigen, sollte er sich nicht mehr äußern, irgendwie zuzurechnen?
David.
16.9.2023, 14:07:27
Der Händler schafft sich durch die Klausel „freibleibend“ eine Reaktionspflicht, er muss also ausdrücklich widersprechen, wenn er das Angebot ablehnen möchte, ansonsten gilt sein Schweigen als Annahme
Blotgrim
6.1.2024, 10:06:25
Für den Fall dass ich ein
freibleibendes Angebotals Angebot mit
Widerrufsvorbehaltsehe, wäre es dann nicht trotzdem ein bindendes Angebot nur mit dem Zusatz dass ich mich aufgrund des Vorbehalts von dieser Bindung lösen kann?
Leo Lee
7.1.2024, 14:14:37
Hallo Blotgrim, vielen Dank für die Frage! Beachte allerdings, dass ein
Widerrufsvorbehalt(also die Möglichkeit, das Angebot in der Zukunft zurückzunehmen) eben nicht wie ein unwiderruflich gesehen werden kann (das wäre ein begrifflicher Widerspruch). Deshalb ist „freibleibend“ entweder invitatio oder eben ein Angebot mit
Widerrufsvorbehalt, allerdings nicht bindend. Allerdings muss dann der Antragende diese Unverbindlichkeit deutlich hervortreten lassen. Neben „freibleibend“ gibt es noch weitere geschäftstypische Begriffe, die du bei MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 145 Rn. 9 finden kannst :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo