Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Anfechtung bei versehentlichem „Sofort–Kauf“ – eBay

Anfechtung bei versehentlichem „Sofort–Kauf“ – eBay

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V erstellt ein eBay Inserat für seinen Anhänger. Dabei wählt sie irrtümlich die Option „Sofort-Kaufen“ aus und stellt den Preis auf €1. K klickt auf die Schaltfläche „Sofort-Kaufen“.

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Einordnung des Falls

Anfechtung bei versehentlichem „Sofort–Kauf“ – eBay

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat ein Angebot über den Kauf seines Anhängers zum Preis von €1 abgegeben (§ 145 BGB).

Ja!

Bei der Auslegung der WE sind die AGB des Betreibers zu beachten. Nach § 6 Nr. 2 eBay AGB (Stand: 1.5.2018) gibt der Ersteller eines Inserats für Festpreisartikel ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags ab. Dieses richtet sich an alle registrierten Mitglieder der Plattform und stellt damit ein Angebot „ad incertas personas“ dar. Dabei kann das Angebot allerdings nicht von beliebig vielen Erklärungsempfängern angenommen werden. Vielmehr ist die Erklärung so auszulegen, dass nur die erste Person, die auf „Sofort-Kaufen“ klickt, das Angebot annehmen kann.
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2. K hat die Annahme des Angebots erklärt, indem sie auf die Schaltfläche „Sofort-Kaufen“ geklickt hat.

Genau, so ist das!

Auch hier sind bei der Auslegung die AGB des Betreibers heranzuziehen. Nach § 6 Nr. 4 eBay AGB (Stand: 1.5.2018) nimmt der Käufer bei Festpreisartikeln das Angebot an, indem er den Button „Sofort-Kaufen“ anklickt und anschließend bestätigt. Bei Festpreisartikeln, bei denen der Verkäufer die Option „sofortige Bezahlung“ ausgewählt hat, nimmt der Käufer das Angebot an, indem er den Button „Sofort-Kaufen“ anklickt und den unmittelbar nachfolgenden Zahlungsvorgang abschließt.

3. V kann ihre Willenserklärung anfechten, weil sie sich bei der Auswahl der Optionen „verklickt“ hat (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

In bestimmten Fällen (§§ 119 ff. BGB) macht das Gesetz eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Verträge bindend sind („pacta sunt servanda“) und erlaubt die Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB). Der Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB) bezeichnet das unbewusste Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem, dadurch, dass der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich der Erklärende verschreibt, vergreift, verspricht, vertippt oder Ähnliches. Da V sich verklickt hat, kann sie ihre Willenserklärung anfechten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

3.9.2023, 02:07:56

Könnte es sich hierbei auch um einen sittenwidrigen Kaufvertrag handeln?

lexspecialia

lexspecialia

24.1.2024, 16:35:35

Ich denke nicht. Bei den eBay-Fällen geht der Verkäufer ja gerade das Risiko bewusst ein, dass seine Ware zum „Schnäppchenpreis“ ersteigert werden könnte. Denn solche Portale sind ja gerade dafür bekannt, dass man Sachen unter seinem Wert ersteigern kann. Würde hier eher den Kaufvertrag anfechten, wie in der Lösung

Steinfan

Steinfan

27.4.2024, 15:36:55

Das objektiv ein Rechtsbindungswille vorliegt, ist mE sehr zweifelhaft. EBay zeichnet sich normalerweise dadurch aus, dass ein Vertrag nach einer „Versteigerung“ zustande kommt, wobei dieses Risiko selbstverständlich der Anbietende trägt. Im Gegensatz dazu soll bei „Sofort-kaufen“ keine vorige Versteigerung mehr stattfinden. Wie ein Angebot bei EBay zu verstehen ist, richtet sich nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte, §§ 133, 157 BGB. Ein Angebot mit der Funktion „Sofort-kaufen“ spricht zwar prima facie dafür, dass ein Kaufvertrag mit dem genannten Kaufpreis gewollt ist; hier also 1€. Ein redlicher Empfänger muss aber bei einem Angebot von einem Euro davon ausgehen, dass ein Vertrag nur nach einer Versteigerung stattfinden sollte. Das ein Verkäufer seinen Anhänger für einen Euro verkaufen will, ist zwar theoretisch möglich und denkbar, wäre gegenüber Unbekannten aber völlig unüblich. Noch dazu ergibt es in diesem Fall keinen Sinn, dass der Verkäufer ausgerechnet die Plattform EBay verwendet: hier beruht das klassische Geschäftsmodell gerade auf der Versteigerung. Nach all dem darf ein redlicher Empfänger nicht davon ausgehen, dass der Verkäufer hier Ebay nutzt, um seinen Anhänger wirtschaftlich quasi zu verschenken.

Paulah

Paulah

3.5.2024, 02:57:40

In den über dem Sachverhalt angegebenen § 6 der AGB von Ebay, der zugegebenermaßen kaum zu lesen ist, weil die Buttons den Text verdecken, steht ausdrücklich, dass ein Angebot im Festpreisformat - und ein solches ist die "Sofort-Kaufen" Option - ein verbindliches Angebot zum schließen eines Vertrags über den Artikel abgibt. Bei Ebay gibt es also nicht nur das Versteigerungsmodell, sondern auch andere Verkaufsmodelle, so gibt es z. B. auch noch die Option beim "Sofort-Kaufen", dass man einen Preisvorschlag macht. Das Angebot ist vorliegend also abgegeben und der Vertrag ist mit der Annahme zustande gekommen. Deshalb kann V nur anfechten, weil er beim Klicken der Taste "Sofort Kaufen" die falsche Option erwischt hat. Gerade bei Ebay werden Sachen häufig auch zu sehr günstigen Preisen angeboten. Das ist auch nicht sittenwidrig. Dazu gibt es hier zwei Fälle "VW Passat" (unter "Entdecken" in der Suchfunktion eingeben).

Steinfan

Steinfan

3.5.2024, 10:42:16

Hallo, danke für die Antwort. Mir ist bewusst, dass gerade bei EBay häufig zu sehr günstigen Preisen angeboten wird - das aber Fahrzeuge zu 1€ für „Sofort-Kaufen“ angeboten werden, dürfte wohl kaum üblich sein. Anders formuliert: Wenn ich persönlich sehe, dass mir auf EBay ein Anhänger für 1€ angeboten wird, dann weiß ich sofort, dass es dem Verkäufer um eine Versteigerung gehen soll und er mir nicht seinen Anhänger schenken will - EBay-AGB hin oder her. Selbst wenn man hier im Übrigen einen Vertragsschluss annimmt, wäre ernsthaft über § 138 BGB nachzudenken. Das wucherähnliche Rechtsgeschäft wird ja gerade aufgrund des klassischen Versteigerungsmodells widerlegt; der Verkäufer trägt hier die Chance und das Risiko einer Versteigerung. Genau das ist aber bei „Sofort-Kaufen“ nicht der Fall: hier gibt es keine Chancen und Risiken. LG

Paulah

Paulah

3.5.2024, 13:59:39

Aber warum willst du mit dem § 138 BGB eine komplizierte Prüfung anstreben, wenn ganz einfach eine Anfechtung möglich ist? Der Verkäufer muss in diesem Fall den Anhänger ja nicht für 1 € abgeben.

Steinfan

Steinfan

3.5.2024, 14:56:07

Naja, mir geht es ja nicht um eine komplizierte Lösung, sondern um ein dogmatisch vertretbares Ergebnis und im Ergebnis sind wir uns einig: bei dem Vertrag kann es nicht bleiben. Ich bin aber wie gesagt der Auffassung, dass dogmatisch gesehen bereits kein Vertrag zustandegekommen ist. Anfechtung oder § 138 BGB wären danach allenfalls hilfsgutachterlich zu prüfen. Beste Grüße

nullumcrimen

nullumcrimen

26.5.2024, 13:17:51

Stellen Festpreisangebote, sowie Onlineauktionen ein

Angebot ad incertas personas

dar? Oder ist es bei der Auktion ein

invitatio ad offerendum

mit der aufschiebenden Bedingung, dass das höchste Angebot nach Zeitablauf angenommen wird?

CAN

cann1311

26.5.2024, 13:33:31

Festpreisangebot wird wohl ad incertas Personitas sein. Bei Auktionen ist das bisschen anders. Klassiker ist, dass durch Auktionsbeginn der Verkäufer eine WE abgibt. Der Käufer eine WE bei angebotsabgabe. V nimmt das Angebot aber unter der Bedingung an, dass K am Ende der Auktion Höchstbieter ist

Lea_6.9

Lea_6.9

24.9.2024, 09:32:38

Bei einer Auktion ist es so (wenn ich es den vorigen Fällen richtig entnommen habe), dass der Verkäufer ein

Angebot ad incertas personas

abgibt, welches von demjenigen angenommen wird, welcher innerhalb der

Annahmefrist

das höchste Gebot abgibt. Wichtig ist dabei eben noch, dass das letzte "echte" Gebot als Annahme gewertet wird. "Schein-Gebote" von dem Verkäufer selbst oder einem vom Verkäufer eingeschalteten Strohmann, sind also als nichtig anzusehen und dementsprechend sind alle darauffolgenden künstlich nach oben getriebenen Gebote unbeachtlich.

AN

AngeD

6.11.2024, 13:11:05

Was wäre die konkrete Rechtsfolge? SE für den Vertrauensschaden? In welcher Höhe?

LUC1502

luc1502

7.11.2024, 22:57:05

Hi, also die konkrete Rechtsfolge wäre gem.§

142 BGB

, dass die WE und damit zugleich das Rechtsgeschäft (Kaufvertrag) unwirksam sind, d.h. keinerlei Rechtswirkung erzeugt. Aber die Anfechtung ist idR nicht „kostenlos“, sodass hier

§122 BGB

greift. Der Anspruchssteller müsste also darlegen, welche Schäden ihm im Vertrauen auf die Gültigkeit der WE entstanden sind. Hoffe, dass die das weiterhilft!

AN

AngeD

8.11.2024, 10:43:59

Schäden im Sinne von vergeblichen Aufwendungen? Oder könnte man auch die Kosten für eine vergleichbare Kaufsache geltend machen? Hier in dem Beispiel geht es um einen Anhänger. Könnte man die Kosten für einen gleichwertigen Ersatz geltend machen?

LUC1502

luc1502

8.11.2024, 11:08:43

Als einfache Regel kann man sich da merken: der Anfechtungsgegner ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hätte; was hat der Anfechtungsgegner also im Vertrauen auf die gültige Erklärung gemacht.. und dazu können, wie du sagst, auch Aufwendungen anlässlich des Vertragsschlusses gehören. Darunter fallen z.B Portokosten Zur weiteren Lektüre kann ich dir da MüKo/Armbrüster BGB §122 empfehlen.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

9.11.2024, 15:55:16

Hallo @[AngeD](2266), @[luc1502](95177) hat schon gute Vorarbeit geleistet, von mir nur einige Ergänzungen. In der Tat hätte K nach § 122 I BGB höchstens einen Anspruch auf das

negative Interesse

, begrenzt durch das

positive Interesse

. Darunter können verschiedene Positionen fallen, abstrakt lässt sich das kaum umfassend beantworten. Die Kosten für einen gleichwertigen Anhänger könnte er jedenfalls nicht verlangen, weil das nicht sein

negatives Interesse

ist, also kein Schaden, der ihm dadurch entstanden ist, dass er auf die Erklärung vertraut hat. Hätte K aber zB kurz nach Annahme eine neue Anhängerkupplung gezielt für den neuen Anhänger gekauft, könnte er deren Kosten evtl als

negatives Interesse

geltend machen - vorausgesetzt, dass er die Kupplung nicht trotzdem verwendet, weil er den Anhänger bei einem anderen Anbieter kauft, oder die Kupplung auch für einen sonstigen Anhänger passt, den K erwirbt. Zumindest ansprechen müsste man aber auch noch § 122 II BGB: Bei einem Sofortkaufpreis von 1 € für einen Anhänger kann man mE K zumindest eine Nachfrage bei V dahingehend abverlangen, ob der Kaufpreis so wirklich passt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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