+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Autofahrer T bedrängt die mit 105 km/h auf der Überholspur vor ihm fahrende O. Über einige Kilometer fährt er ihr unter ständigem Hupen und Blinken bis auf zwei Meter heran, um sie so von der Spur zu verdrängen. O wird dadurch nervös und fahrunsicher und fährt unter heftigem Abbremsen nach rechts.

Einordnung des Falls

Bedrängen anderer Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T der O wiederholt aufblinkt und dicht auffährt, übt er an O "Gewalt" aus (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

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Ja!

Der klassische Gewaltbegriff setzt voraus, dass der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. BGH: Gewalt könne auch ohne erhebliche Körperkraft ausgeübt werden. Wesentlich sei die Zwangswirkung. Ein durchschnittlicher Kraftfahrer könne in Furcht geraten, wenn ihm ein Auto bei 105 km/h Geschwindigkeit in einem Abstand von maximal 2 Metern dauernd folge. Diese Auffahrweise könne ihn zu ungewollten Reaktionen wie zu einem gefährlichen/gefährdenden Ausweichen nach rechts unter erheblichem Abbremsen zwingen. Durch die hervorgerufene innere Beunruhigung der O habe T so körperlich wirkenden Zwang auf sie ausgeübt.

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JO

jomolino

25.10.2021, 15:03:53

Ich meine das würde heute unter dem eingeschränkt vergeistigten Gewaltbegriff nicht mehr unter Gewalt subsumiert werden. Stimmt das?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.10.2021, 17:57:09

Hallo nomamo, das zu dichte Auffahren wurde von dem BVerfG in einem Nichtannahmebeschluss (BVerfG, 29.3.2007 - 2 BvvR 932/06) auch nach den Sitzblockadeentscheidungen noch als Gewalt iSd § 240 StGB akzeptiert. Einen guten Überblick zur Nötigung im Straßenverkehr geben auch Maatz, Nötigung imStraßenverkehr, NZV 2006, 337 bzw. Rebler, Nötigung im Straßenverkehr, DAR 2011, 372. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DO

Dominic

27.7.2023, 08:36:56

Aber das BVerfG verlangt doch im Sitzblockadefall eine ! unmittelbare ! Einwirkung auf den Körper des Opfers. Das hier wäre doch allenfalls eine mittelbare Einwirkung. Also eigentlich hält sich das BVerfG hier nicht an seine selbst aufgestellten Anforderungen.


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