Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Abwandlung: Keine Verarbeitung I - bloße Wertsteigerung

Abwandlung: Keine Verarbeitung I - bloße Wertsteigerung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B stiehlt von P ein Jungkalb, das sie in ihrem Stall unterbringt und bis zur Schlachtreife mästet. Kurz vor der Schlachtung erscheint P und fordert von B Herausgabe des Kalbs.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Keine Verarbeitung I - bloße Wertsteigerung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P kann Herausgabe des Kalbs verlangen, wenn er noch Eigentümer ist (§ 985 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Eigentümer einer Sache kann nach § 985 BGB vom Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, wenn dieser nicht zum Besitz berechtigt ist.B hat vorliegend zwar die tatsächliche Sachherrschaft über das Kalb. Ein Recht zum Besitz steht ihr allerdings nicht zu. Entscheidend ist also, ob P noch Eigentümer des Kalbs ist oder nicht.
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2. Ein Eigentumserwerb der B kommt nur nach § 950 BGB in Betracht.

Ja!

Mangels einer rechtsgeschäftlichen Einigung (§§ 929 ff. BGB) zwischen B und P kommt nur ein gesetzlicher Eigentumserwerbstatbestand in Betracht. Eigentum nach § 950 BGB erwirbt dabei, wer durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe, (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt, (4) deren Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der Rohstoffe.

3. Ist das schlachtreife Kalb eine neue Sache im Vergleich zum Jungkalb?

Nein, das ist nicht der Fall!

Wann eine neue Sache vorliegt, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, wobei wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigten sind. Relevante Indizien sind, dass die Sache einen neuen wirtschaftlichen Zweck hat und dass die Sache im allgemeinen Sprachgebrauch einen neuen Namen hat.Das Schlachtkalb ist zwar wertvoller und dient einem anderen Zweck als ein Jungkalb. Allerdings handelt es sich bei dem Kalb aus Sicht der Verkehrsauffassung immer noch um dasselbe Tier und nicht um eine neue Sache. Bloße biologische Entwicklungen reichen somit nicht aus, um eine neue Sache i.S.v. § 950 BGB anzunehmen.

4. Ist B Eigentümerin des Schlachtkalbs aufgrund gesetzlichen Eigentumserwerbs nach § 950 BGB?

Nein, das trifft nicht zu!

Eigentum nach § 950 BGB erwirbt, wer durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe, (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt, (4) deren Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der Rohstoffe.Das Schlachtkalb ist keine neue bewegliche Sache. § 950 BGB ist damit nicht anwendbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

21.12.2022, 13:59:47

Blöde Frage, aber: Warum kommt hier ein gesetzlicher Eigentumserwerb nicht (zum Teil) nach § 948 bzw § 947 in Betracht?

RO

Rozaa

24.7.2023, 14:32:01

Das habe ich mich auch gefragt.

LO

Lorenz

14.8.2023, 10:38:48

Das Futter als

wesentlicher Bestandteil

? In der Folge würden Futtermittelproduzenten Eigentümer von Millionen Kühen werden.

EVA

evanici

15.9.2023, 13:34:05

Ggf. könnte man dann aber über § 947 II rausfliegen, da das jeweilige Tier dann als Hauptsache anzusehen ist und bleibt...

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

6.9.2024, 16:54:05

Hallo @[Im🍑nderabilie](170862), ein interessanter Gedanke! Meine erste Idee war ebenfalls, dass das eigtl nicht sein kann, auch wenn man eine ordentliche rechtliche Begründing dafür nicht direkt parat hat. Aber: Sollte ich zB wirklich (Mit-)Eigentum an der Nachbarskatze erhalten (können), wenn ich sie mit ein paar Stückchen Wurst füttere? In einem Urteil vom 22.1.2004 (11 U 144/03, NJW-RR 2004, 1430) hat ein Senat des OLG Celle entschieden, dass der verlängerte Eigentumsvorbehalt eines Futtermittelherstellers am Futter nach Verfütterung an für ihn fremde Schweine tatsächlich nach § 947 II BGB erlischt. Andes gewendet ist danach das Futter also bloße Nebensache ggü dem Tier, das das Futter frisst (MüKo-BGB/Füller, 9. Aufl 2023, § 947 Rn 6). Das ist dewegen recht spannend, weil § 947 II BGB als Ausnahmevroschrift sehr eng gehandhabt wird und man nicht viele Beispiele dazu findet, in denen er tatsächlich vorliegt. Entsprechendes würde über den Verweis nach § 948 I BGB auch dort gelten. Wenn wir dieser (für unseren Fall mE durchaus plausiblen) Ansicht folgen, haben wir also keinen (teilweisen) Eigentumserwerb durch das Füttern. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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