Abwandlung: Geringerer Verarbeitungswert

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist Eigentümerin eines Goldbarrens (Wert: € 2.000). Der untalentierte Schmied B stiehlt den Barren, schmilzt ihn ein und schmiedet daraus einen hässlichen Goldring (Wert: € 2.200). A verlangt von B Herausgabe des Goldrings. B erwidert, er sei Eigentümer.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Geringerer Verarbeitungswert

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B könnte Eigentum an dem Ring nach § 950 BGB erworben haben.

Ja!

Es kommt ein Eigentumserwerb kraft Gesetzes nach § 950 BGB in Betracht. Demnach erwirbt jemand, der durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe, (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt, (4) wenn der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der Rohstoffe, Eigentum an der neuen Sache.Es handelt sich um einen gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestand.
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2. Ist der Goldring eine neue Sache?

Genau, so ist das!

Wann eine neue Sache vorliegt, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, wobei wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigten sind. Relevante Indizien sind, dass die Sache einen neuen wirtschaftlichen Zweck hat und dass die Sache im allgemeinen Sprachgebrauch einen neuen Namen hat.Es wurde aus einem Goldbarren ein Ring gefertigt. Wirtschaftlicher Zweck des Goldbarrens ist dabei vorrangig, die Weiterverarbeitung und die Wertanlage. Der Ring ist hingegen vor allem ein Schmuckstück. Goldbarren und Ring sind auch terminologisch verschiedene Gegenstände, sodass nach der Verkehrsauffassung eine neue Sache vorliegt.

3. Der Ring ist wertvoller als der Goldbarren. Damit ist der Verarbeitungswert höher als der Wert der Rohstoffe.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 950 BGB stellt auf den Verarbeitungswert, nicht auf den Wert der neuen Sache ab. Der Verarbeitungswert berechnet sich aus dem Wert der neuen Sache abzüglich der Summe des Werts aller Rohstoffe. Dieser Verarbeitungswert darf nicht erheblich geringer sein, als die Summe des Werts aller Rohstoffe. Erheblich geringer ist der Verarbeitungswert, sobald dieser lediglich 60 % des Stoffwerts beträgt.Der Verarbeitungswert beträgt 200 € und damit lediglich 10 % des Stoffwerts. Der Verarbeitungswert ist damit wesentlich geringer als der Stoffwert.

4. Hat B Eigentum an dem Ring erworben?

Nein!

Nach § 950 BGB erwirbt jemand, der durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe, (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt, (4) wenn der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der Rohstoffe, Eigentum an der neuen Sache.B hat zwar durch das Einschmelzen und Schmieden eine neue bewegliche Sache hergestellt. Allerdings liegt der Verarbeitungswert erheblich unter dem Stoffwert.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

21.12.2022, 14:02:49

Wäre in dem Fall die Annahme einer unberechtigten GoA vertretbar?

paul

paul

3.4.2023, 10:36:43

Ne, ne angemaßte GoA, es fehlt ja am Fremdgeschäftsführungswillen, die Rechtsfolgen sind aber nahezu identisch zur unberechtigten, 687 II

EVA

evanici

15.9.2023, 13:41:51

Könntet ihr nochmal den Unterschied zwischen Verarbeitung und Umbildung erläutern?

LELEE

Leo Lee

16.9.2023, 13:39:26

Hallo evanici, diese Begriffe sind Synonyme und haben die gleiche Bedeutung. Beide werden definiert als

Realakt

e, i.R.d. durch ein willensgetragenes bzw. menschliches gesteuertes Verhalten am Ende eine neue Sache hergestellt wird. Siehe hierzu MüKo-BGB, 9. Auflage Füller § 950 Rn. 5 :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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