Kohl-Tagebücher – Besprechen eines Tonbandes

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K und J vereinbaren, dass J die Memoiren des K anfertigen soll. Hierzu nimmt J Gespräche mit K auf Tonbänder des J auf. Nachdem es zwischen J und K zu einem Streit gekommen war, verlangt K Herausgabe der Tonbänder mit der Begründung, er sei Eigentümer geworden.

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Einordnung des Falls

Kohl-Tagebücher – Besprechen eines Tonbandes

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wird durch das Aufnehmen eines Interviews auf Tonbänder eine neue Sache hergestellt?

Nein!

Wann eine neue Sache vorliegt, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, wobei wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigten sind. Relevante Indizien sind insbesondere, dass die Sache einen neuen wirtschaftlichen Zweck hat und dass die Sache im allgemeinen Sprachgebrauch einen neuen Namen hat.BGH: Tonbänder dienten, wenn sie noch unbespielt sind, als Speichermedium. Im konkreten Fall seien die Tonbänder dafür genutz wordent, dass J sich die Interviews mit K später erneut anhören kann. Sie dienten daher weiterhin als Speichermedium. Eine Zweckveränderung liege nicht vor und damit auch keine neue Sache (RdNr.18).
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2. Wenn Zweck der Tonbänder wäre, diese weiter zu veräußern, läge eine neue Sache vor.

Genau, so ist das!

Wann eine neue Sache vorliegt, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung, wobei wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigten sind. Relevante Indizien sind insbesondere, dass die Sache einen neuen wirtschaftlichen Zweck hat und dass die Sache im allgemeinen Sprachgebrauch einen neuen Namen hat.BGH: Wird ein Tonband bzw. ein CD-Rohling oder ähnliches bespielt, um es anschließend zu veräußern und nicht, um es weiterhin selbst als Speichermedium zu verwenden, verändere sich der wirtschaftliche Zweck des Rohlings und es entstehe eine neue Sache (RdNr.19).

3. Die Bedeutung des Inhalts der aufgezeichneten Interviews spielt für die Einordnung als neue Sache eine entscheidende Rolle.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Der gewöhnliche wirtschaftliche Zweck eines Tonbands umfasse auch, dass Medien darauf dauerhaft gespeichert werden. Dieser Zweck ändere sich auch dann nicht, wenn der Inhalt des Tonbands so besonders ist, dass dieser niemals überspielt werden soll und es somit bei einer einmaligen Verwendung bleibe. Auch die urheberrechtlichen Zuordnungen hinsichtlich des Inhalts spielen keine Rolle für die sachenrechtliche Zuordnung des Eigentums des Datenträgers (RdNr.20).Dieses Argument leuchtet ein, da ansonsten bei jeder Kopie eines Musikstücks auf einen CD-Rohling der Urheber Eigentum an der CD erwerben würde.

4. K hat Eigentum an den Tonbändern nach § 950 BGB erworben.

Nein!

Nach § 950 BGB erwirbt jemand, der durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe, (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt, (4) wenn der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der der Rohstoffe, Eigentum an der neuen Sache.Durch das Besprechen der Tonbänder wurde schon keine neue bewegliche Sache hergestellt. Auf die weiteren Voraussetzungen des § 950 BGB kommt es daher nicht mehr an.

5. Kann K Herausgabe der Tonbänder nach § 985 BGB verlangen?

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 985 BGB setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz ist. Vorliegend hat J das Eigentum an den Tonbändern nicht an K verloren. Im Originalfall hatte der BGH Helmut Kohl aber zumindest einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch aus § 667 BGB zugesprochen, da er zwischen K und J das Bestehen eines konkludent geschlossenen Auftragsverhältnisses angenommen hat (§ 662 BGB).
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