Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Konkludente Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnis - McFit (keine Kenntnis)

Konkludente Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnis - McFit (keine Kenntnis)

1. Juli 2025

22 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B trainiert im Fitnessstudio McBody GmbH (M). Am 23.03. kündigt M mittels eines Aufstellers an, dass ab 1.04. das Nutzungsentgelt auf €24,90 steigen soll. Die Zustimmung hierzu gelte mit Durchschreiten des Drehkreuzes als erteilt, sofern man nicht vorher widerspricht. B bemerkt den Aufsteller nicht und tritt ein.

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Einordnung des Falls

Konkludente Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnis - McFit (keine Kenntnis)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen B und M besteht ein Vertrag.

Genau, so ist das!

Bei einem Vertrag handelt es sich um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, das ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien begründet.Zwischen B und M besteht ein „Fitnessstudiovertrag“. Dieser Vertrag enthält Elemente des Mietrechts (§§ 535 ff. BGB, Bereitstellung der Geräte) und des Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff. BGB, Anleitung der Nutzung, Kurse).Im Schuldrecht herrscht - anders als im Sachenrecht - kein Typenzwang. Neben den ausdrücklich kodifizierten Vertragsformen (z.B. Kaufvertrag, Mietvertrag …) können deshalb zwischen den Parteien auch „typengemischte Verträge“ abgeschlossen werden (vgl. § 311 Abs. 1 BGB). Die rechtliche Behandlung richtet sich nach dem im Vordergrund stehenden Vertragstypus (sog. Absorptionsmethode).
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2. Kann M die monatlich geschuldete Nutzungsgebühr ohne Zustimmung der B erhöhen?

Nein, das trifft nicht zu!

Nicht nur der Abschluss eines Vertrages bedarf zwei übereinstimmender, in Bezug aufeinander abgegebener Willenserklärungen, Antrag und Annahme (§§ 145, 147 BGB). Vielmehr ist auch eine Änderung eines bestehenden Vertrages grundsätzlich nur mit Zustimmung der beteiligten Parteien möglich. Etwas anderes gilt bei Dauerschuldverhältnissen nur dann, wenn die Parteien eine wirksame Preisanpassungsklausel vereinbart haben. Der Sachverhalt enthält keinen Hinweis darauf, dass die Parteien M ein einseitiges Anpassungsrecht eingeräumt haben. M kann von B also nur dann eine höhere Nutzungsgebühr verlangen, wenn B dieser Änderung zustimmt.

3. Bei dem Aufsteller handelt es sich um ein Angebot der M zur Änderung des Fitnessstudiovertrages (Erhöhung der Nutzungsgebühr).

Ja!

Das Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt.Bei dem Aufsteller handelt es sich um ein hinreichend bestimmtes Änderungsangebot, wonach die monatliche Nutzungsgebühr aller Bestandskundinnen auf €24,90 ansteigen soll.

4. B muss dieses Angebot ausdrücklich annehmen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Annahme ist eine Willenserklärung, mit der das Einverständnis mit dem Antrag ausgedrückt wird. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt in einem äußerlich erkennbaren Verhalten, das auf das Vorliegen eines Handlungswillens, eines Erklärungsbewusstseins und eines Geschäftswillen schließen lässt. Die Annahme muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann sich auch durch schlüssiges Verhalten ergeben.B kann ihre Zustimmung zur Vertragsänderung somit auch durch entsprechend schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringen (z.B. zustimmendes Nicken, Zahlung des höheren Entgeltes …).

5. Allein das Schweigen der B auf die vorgeschlagene Vertragsänderung stellt eine konkludente Annahme dar.

Nein, das trifft nicht zu!

Die konkludente Annahme ist vom bloßen Schweigen zu unterscheiden. Schweigen gilt nur dann als Willenserklärung, wenn (1) die Parteien es vereinbart haben oder (2) das Gesetz es bestimmt (z.B. in §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 BGB als Ablehnung sowie in §§ 516 Abs. 2 S. 2, 1943 BGB und § 362 Abs. 1 HGB als Zustimmung). B und M haben keine Vereinbarung getroffen, dass dem Schweigen einer Partei ein bestimmter Erklärungswert zukommen soll. Auch eine gesetzliche Bestimmung liegt nicht vor.

6. Jedenfalls indem B das Drehkreuz durchschritten hat, hat sie der Änderung konkludent zugestimmt.

Nein!

Eine Annahme durch schlüssiges Verhalten liegt vor, wenn der Annahmewille aus der Sicht des Antragenden „aktiv“ zum Ausdruck kommt.Das Durchschreiten des Drehkreuzes stellt eine aktive Handlung dar. B hat hier aber ersichtlich den Aufsteller nicht wahrgenommen. Das Durchschreiten des Drehkreuzes war notwendig, um zum Trainingsbereich zu gelangen. Aus Sicht der M kann allein aus dem Durchschreiten des Drehkreuzes insoweit nicht geschlossen werden, dass B eine rechtsverbindliche Annahmeerklärung abgeben wollte.Ebenfalls gut vertretbar wäre es hier, dass man die Vertragsänderung bereits am Zugang des Angebots scheitern lässt. McFit hatte wohl deshalb alle Mitglieder zusätzlich noch per E-Mail benachrichtigt. Spätestens dann liegt der Schwerpunkt bei der Frage der Annahme der Erklärung.

7. Kann M von B ab 01.04. die höhere Nutzungsgebühr verlangen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die geschuldeten Leistungen der Vertragsparteien ergeben sich aus dem zwischen Ihnen geschlossenen Vertrag sowie zwingenden gesetzlichen Bestimmungen.B hat der Vertragsänderung nicht zugestimmt, somit bleibt die ursprünglich vereinbarte Nutzungsgebühr bestehen.Solltest Du von einer solchen Änderung betroffen und hiermit nicht einverstanden sein sein, so solltest Du einen Widerspruch formulieren und einreichen. Damit stellst Du klar, dass Deine fortgesetzte Nutzung gerade keine konkludente Zustimmung darstellt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

antoniasophie

antoniasophie

27.4.2022, 22:40:00

Super, wie schnell ihr den Sachverhalt bei Jurafuchs umgesetzt habt! 😊

QUIG

QuiGonTim

28.4.2022, 08:44:44

Das Wort „Mitgliederinnen“, welches ihr im Ergänzungstext zur vorletzten Aufgabe verwandt habt, gibt es nicht.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.4.2022, 12:43:19

Da hast Du uns erwischt, danke Dir. Da das Mitglied im Deutschen ein Neutrum ist, gibt es hier in der Tat nur die Pluralform "Mitglieder". Wir haben das korrigiert, danke Dir :-)

Isabell

Isabell

23.5.2022, 20:41:04

Praxistipp ist eine charmante Ergänzung!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.5.2022, 10:06:52

Das freut uns zu hören, Isabell :-)

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

4.6.2022, 18:24:22

Bei der vorletzten Erklärung schreibt ihr ausversehen von Mcfit, aber es heißt hier ja Mcbody.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.6.2022, 09:31:15

Hallo Corina, vielen Dank für den Hinweis. Der Sachverhalt und unser modifiziertes Studio "McBody" sind an die tatsächlichen Vorgänge bei McFit angelehnt. Der Vertiefungshinweis bezieht sich insoweit auf den realen Sachverhalt, wo die Preisänderungen den Mitgliedern vorab auch per Mail zugeschickt worden waren. Deswegen haben wir an dieser Stelle den richtigen Namen verwendet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

7.6.2022, 09:55:21

Achso, ok. Danke

enise

enise

16.1.2023, 16:50:19

könnte hier nicht auch ei Fall des potenziellen Erklärungsbewusstseins vorliegen? B erkennt nicht, dass sie durch schlüssiges Verhalten eine Annahmeerklärung abgegeben haben könnte. 🤔

Sambajamba10

Sambajamba10

25.1.2023, 09:40:39

Konkludent

es Annahme liegt vor, wenn der Erklärende unmittelbar einen anderen Zweck verfolgt, mittelbar aber seinen

Geschäftswille

n zum Ausdruck bringt. Insofern könnte man denken, dass du Recht hast. Andererseits war es für B nötig, das Drehkreuz zu durchschreiten, um trainieren zu können. B hat das Angebot nicht wahrgenommen, weshalb ein objektiver, redlicher Betrachter nicht davon ausgehen kann, dass sie ihren

Geschäftswille

n zum Ausdruck gebracht hat. Daher ist ihr Verhalten lediglich als Schweigen aufzufassen, welchem grundsätzlich kein Erklärungswert beigemessen wird.

enise

enise

25.1.2023, 10:45:40

hmm verstehe. Aber ist es denn einem obj. Dritten erkennbar, dass sie das Hinweisschild nicht wahrgenommen hat? (Verkehrsschutzgründe..)

Sambajamba10

Sambajamba10

25.1.2023, 11:25:23

Einerseits ist der Sachverhalt Gesetz, an ihm darf nicht gerüttelt werden. Andererseits ergibt sich das auch eindeutig aus der Zeichnung.

Dogu

Dogu

22.5.2023, 14:08:11

Hier ist meines Erachtens kein Raum für ein potenzielles Erklärungsbewusstsein. B befindet sich nicht in einer Auktionshalle und daher in besonderen Räumlichkeiten, in denen durch Handzeichen Verträge geschlossen werden, sondern durchschreitet ein Drehkreuz in einem Fitnessstudio, dass nur nach vorherigem, separaten Vertragsschluss durchschritten werden kann. Das ist ein anderer Fall als bei der Weinversteigerung, da beim Studio praktisch niemand des Verkehrskreises der Fitnessstudiobesucher im Durchschreiten eines Drehkreuzes eine Annahme eines Vertragsschlusses sehen würde. Ansonsten müsste ja jeder im öffentlichen Raum ständig nach Plakaten Ausschau halten, auch wenn zuvor bei der entsprechenden Räumlichkeit kein Anlass bestand (anders wäre es bei einem Fitnessstudio mit Ticketverkauf zu sehen). Hier ist auch der Verkehr nicht schutzwürdig. Offensichtlich will der Betreiber seinen Kunden eine "einvernehmliche" Preiserhöhung unterjubeln. Das ist etwas ganz anderes als der gutgläubige Auktionator, der im Handheben zu Recht ein Gebot erkennen durfte.

EB

Elias Von der Brelie

20.6.2023, 21:42:37

So wie ich das verstanden habe würde das bedeuten, dass Preiserhöhungen (also Abänderungen eines Vertrages) einseitig nicht möglich sind, die Partei welche eine höhere Zahlung verlangt aber eben auch nicht einseitig aus dem Vertrag zurücktreten kann. Bedeutet das, dass man solche Preiserhöhungen als Nutzer einfach ignorieren kann? Das kann doch Praktisch nicht sein oder? Solche Preiserhöhungen finden doch alltäglich statt. Oder ist es in einem Dienstleistungs Vertrag eben doch möglich einseitig den Vertrag zu beenden?

Richter Alexander Hold

Richter Alexander Hold

14.11.2023, 10:20:03

Ich würde sagen, solange die Mindestvertragslaufzeit gilt (meist 12 oder 24 Monate), kann man als Nutzer zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen weiter trainieren, also zu dem geringeren Preis. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit steht es dem Fitnessstudio dann natürlich frei, einen erneuten Vertrag zu dem geringeren Preis mit dem Nutzer nicht mehr abzuschließen und auf den erhöhten Preis zu bestehen. Es kommt also meiner Meinung nach auf die Vertragslaufzeit an. Viele Studios haben nach Ende einer einmaligen langen Mindestvertragslaufzeit von 12 oder 24 Monaten in ihren AGB stehen, dass sich danach der Vertrag automatisch jeden Monat um einen weiteren Monat verlängert. Sozusagen läuft der Vertrag also jeden Monat aus und es wird ein neuer abgeschlossen, zu dem natürlich das Studio dann auf den erhöhten Preis bestehen und bei der Verweigerung des Nutzers einen erneuten Vertragsschluss mit diesem ablehnen kann.

FL

Flohm

24.7.2024, 11:31:39

Hey :) Schön wäre es, wenn ihr das neue Urteil (LG Bamberg, Urt. v. 15.03.2024 - Az.: 13 O 730/22) mit einbauen könntet und wenn noch auf die AGB-Prüfung eingegangen wird.

FL

Flohm

24.7.2024, 11:35:11

Meine Anmerkung bezieht sich mehr auf die Aufgabe danach als auf diese. Ich wusste nicht, dass es dazu noch weitere Aufgaben gibt! LG

SGH

SGH

12.10.2024, 13:48:04

Hast du hier noch Aufgaben dazu gefunden; was den neuen Urteil thematisiert. Ich habe so einen Fall, den ich bearbeiten muss.

Philip

Philip

1.11.2024, 15:46:48

Vorausgesetzt ist ja, damit die Preiserhöhung durchgehen kann, dass die Person sich DURCH das Drehkreuz auf die Trainingsfläche begibt. Bei McFit-Studios kann man aber auch anders, als durch das Drehkreuz auf diese Trainingsfläche kommen (Springt über eine Art Zaun, innerhalb des Gebäudes). Ich weiss nicht, ob es eine AGB im MCFit Vertrag gibt, dass man immer durch das Drehkreuz gehen muss, aber wenn nicht, könnte dann ja niemals der Preis auf diesem Weg erhöht werden, oder sehe ich das falsch?😂

LELEE

Leo Lee

3.11.2024, 11:39:33

Hallo Philip, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab ist natürlich anzumerken, dass sich die Kette im Fall nicht auf eine bestimmte Kette im echten Leben bezieht ;). Ungeachtet dessen gilt aber, dass das Drehkreuz in den meisten Studios (und auch in dem unseres Falles) die "normale" Art des Eintritts darstellt, weshalb die Erhöhung bzw. die Zustimmung hierzu auch an das Passieren durch das Drehkreuz geknüpft sein wird. Wenn man anderweitig in die Räumlichkeiten gelangt, kann man selbstverständlich darüber streiten, ob dieses Springen das Passieren des Drehkreuzes ersetzt. Hier scheint es nahliegend, mit der Rechtsfigur des 242 - venire contra factum proprium - zu argumentieren und zu sagen, dass das Drüberspringen in Kenntnsi des Zustimmungscharakters i.V.m. dem Negieren der Zustimmung widersprüchlich ist und deshalb der Kunde sich nicht auf eine fehlende Zustimmung berufen kann. Denn er/sie hätte genauso - ehe gesprungen wurde - das Personal konfrontieren können :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

DI

Dini2010

31.3.2025, 11:05:57

Als kleine Ergänzung, für die, die es interessiert, aus dem Originalfall und -Urteil vom LG Bamberg :) Ich habe mal die meiner Meinung nach wesentlichen Passagen herausgesucht. Der SV ist identisch, in einer parallel verschickten Email wies McFit ebenfalls daraufhin, dass eine Zustimmung zur Preiserhöhung entweder beim Kundenservice oder eben durch Durchschreiten des Drehkreuzes erteilt werden könne. Das LG Bamberg sah darin eine unzulässige aggressive geschäftliche Handlung. "... Die gewählte Vorgehensweise erfüllt die Kriterien einer unzulässigen Beeinflussung (…). Um das Fitness-Studio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter

Verwendung

des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich eine Machtposition der Fitness-Studio-Inhaber ergibt, unter welchen Bedingungen die Mitglieder das Fitness-Studio betreten dürfen. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Mit Einführung der Zustimmung zur Beitragserhöhung mittels Durchschreiten des Drehkreuzes durch die Beklagte standen die Mitglieder vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Fitness-Studio betreten zu können, oder nicht trainieren zu können.... ...Zu berücksichtigen ist ferner, dass diese Aufforderung, der Beitragserhöhung mittels Durchschreiten des Drehkreuzes zuzustimmen, vielen Mitgliedern erstmaligen mit Betreten des Fitness-Studios bekannt gemacht worden sein dürfte.... ...Zwar wurde von Beklagtenseite behauptet, alle Mitglieder seien per Mail auf die bevorstehende Beitragserhöhung hingewiesen worden. Jedoch ist selbst in diesem Fall nicht gewährleistet, dass alle Fitness-Studio-Mitglieder vor der Konfrontation mit den Aufstellern am Drehkreuz diese E-Mails auch tatsächlich erhalten und gelesen haben. Sie waren daher nicht vorbereitet auf die ihnen

konkludent

abverlangte Willenserklärung unmittelbar vor dem Betreten des Fitness-Studios. Dies gilt um so mehr, als der Besuch eines Fitness-Studios eine Freizeitaktivität darstellt, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt...... ....Die von Beklagtenseite verwendeten Formulierungen zur Zustimmung zur Beitragsanpassung sind allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB..... ...Die angegriffenen Klauseln weichen von dem wesentlichen Grundgedanken der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB ab. Die von der Beklagten verwendete Klausel knüpft an ein bestimmtes Verhalten die Bedeutung einer Zustimmungserklärung und fingiert damit letztendlich das Zustandekommen eines Konsenses hinsichtlich der Vertragsänderung. Dieses Vorgehen der Beklagten weicht jedoch von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, wonach sowohl ein Vertragsschluss als auch eine Vertragsänderung durch zwei, ggf. auch

konkludent

e übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen. Diese Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wobei eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vermutet wird, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist .... ....Vorliegend ist die Vermutung jedoch nicht widerlegt. Die Beklagte darf nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes einen Zustimmungswillen der Mitglieder zum Ausdruck bringt. Denn, wie bereits ausgeführt, geht es diesen beim Durchschreiten des Drehkreuzes vorrangig darum, ihr vertraglich vereinbartes Recht wahrzunehmen und zu trainieren und nicht darum, einer für sie nachteiligen Preiserhöhung zuzustimmen. Für

diesen Fall

hat sich die Beklagte mit Hilfe von AGB eine Handhabe geschaffen, um die Verträge einseitig umzugestalten. Dies ist sachlich nicht gerechtfertigt. Gleichzeitig ist die Möglichkeit des Widerspruchs kein geeignetes Mittel, um den

Schutzzweck

der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB auf vergleichbare Weise zu gewährleisten. Auch hier ändert daher der Umstand, dass die Mitglieder der Vertragsänderung widersprechen können, nichts an der Unzulässigkeit des Vorgehens der Beklagten. Denn der Verbraucher muss aktiv werden, um die herbeigeführte Vertragsänderung wieder zu beseitigen. Die Gründe, aus denen er untätig bleibt, können vielfältig sein und haben letztlich keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Vertragsänderung...." Identisch handelte wohl auch die Sport-Kette clever fit, die eine Absage vom LG Augsburg erhielt (Urt.v. 6.10.2023 - 081 O 1161/23). Dort hatte das Studio einzig auf die Passage des Drehkreuzes abgestellt. Auch hier wurde eine aggressive geschäftliche Handlung gesehen, AGB wurden dort allerdings nicht geprüft.

Sahara 77

Sahara 77

18.6.2025, 10:09:57

Super, danke dir für diese ausführliche Zusammenfassung! Hatte mich schon gefragt, wie es sich mit den zusätzlichen E-Mails verhält.


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