Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Konkludente Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnis - McFit (keine Kenntnis)

Konkludente Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnis - McFit (keine Kenntnis)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B trainiert im Fitnessstudio McBody GmbH (M). Am 23.03. kündigt M mittels eines Aufstellers an, dass ab 1.04. das Nutzungsentgelt auf €24,90 steigen soll. Die Zustimmung hierzu gelte mit Durchschreiten des Drehkreuzes als erteilt, sofern man nicht vorher widerspricht. B bemerkt den Aufsteller nicht und tritt ein.

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Einordnung des Falls

Konkludente Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnis - McFit (keine Kenntnis)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen B und M besteht ein Vertrag.

Genau, so ist das!

Bei einem Vertrag handelt es sich um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, das ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien begründet.Zwischen B und M besteht ein „Fitnessstudiovertrag“. Dieser Vertrag enthält Elemente des Mietrechts (§§ 535 ff. BGB, Bereitstellung der Geräte) und des Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff. BGB, Anleitung der Nutzung, Kurse).Im Schuldrecht herrscht - anders als im Sachenrecht - kein Typenzwang. Neben den ausdrücklich kodifizierten Vertragsformen (z.B. Kaufvertrag, Mietvertrag …) können deshalb zwischen den Parteien auch „typengemischte Verträge“ abgeschlossen werden (vgl. § 311 Abs. 1 BGB). Die rechtliche Behandlung richtet sich nach dem im Vordergrund stehenden Vertragstypus (sog. Absorptionsmethode).
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2. Kann M die monatlich geschuldete Nutzungsgebühr ohne Zustimmung der B erhöhen?

Nein, das trifft nicht zu!

Nicht nur der Abschluss eines Vertrages bedarf zwei übereinstimmender, in Bezug aufeinander abgegebener Willenserklärungen, Antrag und Annahme (§§ 145, 147 BGB). Vielmehr ist auch eine Änderung eines bestehenden Vertrages grundsätzlich nur mit Zustimmung der beteiligten Parteien möglich. Etwas anderes gilt bei Dauerschuldverhältnissen nur dann, wenn die Parteien eine wirksame Preisanpassungsklausel vereinbart haben. Der Sachverhalt enthält keinen Hinweis darauf, dass die Parteien M ein einseitiges Anpassungsrecht eingeräumt haben. M kann von B also nur dann eine höhere Nutzungsgebühr verlangen, wenn B dieser Änderung zustimmt.

3. Bei dem Aufsteller handelt es sich um ein Angebot der M zur Änderung des Fitnessstudiovertrages (Erhöhung der Nutzungsgebühr).

Ja!

Das Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt.Bei dem Aufsteller handelt es sich um ein hinreichend bestimmtes Änderungsangebot, wonach die monatliche Nutzungsgebühr aller Bestandskundinnen auf €24,90 ansteigen soll.

4. B muss dieses Angebot ausdrücklich annehmen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Annahme ist eine Willenserklärung, mit der das Einverständnis mit dem Antrag ausgedrückt wird. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt in einem äußerlich erkennbaren Verhalten, das auf das Vorliegen eines Handlungswillens, eines Erklärungsbewusstseins und eines Geschäftswillen schließen lässt. Die Annahme muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann sich auch durch schlüssiges Verhalten ergeben.B kann ihre Zustimmung zur Vertragsänderung somit auch durch entsprechend schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringen (z.B. zustimmendes Nicken, Zahlung des höheren Entgeltes …).

5. Allein das Schweigen der B auf die vorgeschlagene Vertragsänderung stellt eine konkludente Annahme dar.

Nein, das trifft nicht zu!

Die konkludente Annahme ist vom bloßen Schweigen zu unterscheiden. Schweigen gilt nur dann als Willenserklärung, wenn (1) die Parteien es vereinbart haben oder (2) das Gesetz es bestimmt (z.B. in §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 BGB als Ablehnung sowie in §§ 516 Abs. 2 S. 2, 1943 BGB und § 362 Abs. 1 HGB als Zustimmung). B und M haben keine Vereinbarung getroffen, dass dem Schweigen einer Partei ein bestimmter Erklärungswert zukommen soll. Auch eine gesetzliche Bestimmung liegt nicht vor.

6. Jedenfalls indem B das Drehkreuz durchschritten hat, hat sie der Änderung konkludent zugestimmt.

Nein!

Eine Annahme durch schlüssiges Verhalten liegt vor, wenn der Annahmewille aus der Sicht des Antragenden „aktiv“ zum Ausdruck kommt.Das Durchschreiten des Drehkreuzes stellt eine aktive Handlung dar. B hat hier aber ersichtlich den Aufsteller nicht wahrgenommen. Das Durchschreiten des Drehkreuzes war notwendig, um zum Trainingsbereich zu gelangen. Aus Sicht der M kann allein aus dem Durchschreiten des Drehkreuzes insoweit nicht geschlossen werden, dass B eine rechtsverbindliche Annahmeerklärung abgeben wollte.Ebenfalls gut vertretbar wäre es hier, dass man die Vertragsänderung bereits am Zugang des Angebots scheitern lässt. McFit hatte wohl deshalb alle Mitglieder zusätzlich noch per E-Mail benachrichtigt. Spätestens dann liegt der Schwerpunkt bei der Frage der Annahme der Erklärung.

7. Kann M von B ab 01.04. die höhere Nutzungsgebühr verlangen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die geschuldeten Leistungen der Vertragsparteien ergeben sich aus dem zwischen Ihnen geschlossenen Vertrag sowie zwingenden gesetzlichen Bestimmungen.B hat der Vertragsänderung nicht zugestimmt, somit bleibt die ursprünglich vereinbarte Nutzungsgebühr bestehen.Solltest Du von einer solchen Änderung betroffen und hiermit nicht einverstanden sein sein, so solltest Du einen Widerspruch formulieren und einreichen. Damit stellst Du klar, dass Deine fortgesetzte Nutzung gerade keine konkludente Zustimmung darstellt.
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