Konsens nach objektivem Erklärungswert, obwohl der wirkliche Wille nicht übereinstimmt
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V will sein Gemälde für €980 verkaufen. Er vertippt sich jedoch und schickt K ein Angebot über €890. K ist damit einverstanden und antwortet: „Okay, abgemacht!“. Den wahren Willen von V hatte er nicht erkannt.
Einordnung des Falls
Konsens nach objektivem Erklärungswert, obwohl der wirkliche Wille nicht übereinstimmt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat ein Angebot über den Verkauf des Bildes zum Preis von €890 abgegeben.
Ja, in der Tat!
2. K hat eine Annahme über den Kauf des Bildes zu €890 abgegeben.
Ja!
3. V und K haben einen Kaufvertrag über das Gemälde zum Preis von €890 geschlossen.
Genau, so ist das!
4. V kann seine Willenserklärung anfechten (§§ 119 Abs. 1 Alt. 2, 142 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
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TomBombadil
12.11.2023, 17:27:43
Liebes Jurafuchs-Team, mir stellt sich eine Frage zur Anfechtung, wenn - z. B. beim Verschreiben - der wirkliche Wille erkannt wird, dies aber, um ein Schnäppchen zu machen, ausgenutzt wird: A schreibt an B, dass er ihm sein Auto für 1.000 € verkaufen wolle. B erkennt, dass A eigentlich 10.000 € meinte. B nimmt das Angebot an, weil er denkt, dass er trotzdem ein Schnäppchen mache, das Auto also für 1.000 € kaufe. In der Literatur ist dieses Beispiel zwar zu finden, allerdings wird dort - soweit mir ersichtlich - immer nur besprochen, ob A anfechten muss; mich würde aber interessieren, ob B anfechten kann, weil er dachte, es käme ein Vertrag zu 1.000 € zustande oder ob ihm die Möglichkeit der Anfechtung verwehrt ist (Verstoß gegen § 242 BGB, wenn er sich auf seinen Irrtum beruft?, "irrt" B überhaupt, wenn er den wirklichen Willen erkannt hat?). Ich hoffe, meine Frage passt hier einigermaßen. Liebe Grüße:) Tom
Captain Stupid
22.2.2024, 10:56:51
Heißt es nicht Auslegung vor Anfechtung? Warum liegt hier (ich meine den Fall in dem der K den wahren Willen des V NICHT kennt) nicht ein versteckter Dissens gem. Par. 155 BGB vor? Und da es sich um essentiala negotii handelt, dürfte doch auch kein Vertragsschluss zustande gekommen sein!? Ich hätte viel auf diese Lösung gewettet, ich bitte um Aufklärung. 🙏🏼😇
Timurso
22.2.2024, 11:22:29
Ein (versteckter) Dissens liegt dann vor, wenn in diesem Punkt keine zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Hier haben wir jedoch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, gerichtet auf 890 €. Dass der V sich dabei gedacht hat, 980 € zu erklären ist dafür unerheblich, da seine Erklärung nach Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB sich auf 890 € richtet.
Captain Stupid
22.2.2024, 17:34:24
Verstehe! Danke dir!
ElenaSS
27.4.2024, 19:07:18
Wäre es nicht ein Inhaltsirrtum (er will ja eine Erklärung abgeben, nur nicht mit dem Inhalt) ?
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Gruttmann
29.4.2024, 16:36:10
Nein, da beim Inhaltsirrtum man sich bewusst ist, was für einen Preis man genau abschickt. Quasi, wenn er wüsste, dass er 890€ abgeschickt hätte, sich jedoch über die wahre Bedeutung von 980€ irrt, was ziemlich schwierig ist. Hier hat er sich vertippt und war sich garnicht bewusst, dass er 890€ abschickt. Ein vertippen, verschreiben oder vergreifen stellt meistens einen Erklärungsirrtum dar.
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Maximilian Puschmann
2.5.2024, 11:48:17
Die Abgrenzung zwischen Erklärungsirrtum und Inhaltsirrtum ist im Einzelfall sehr schwierig. Entscheidend ist, dass in beiden Fällen Wille und Erklärung nicht übereinstimmen und aus diesem Grund die Möglichkeit der Anfechtung besteht: „Irrtum ist das unbewusste Auseinanderfallen von subjektivem Willen und objektiver Erklärung.“ Erklärungsirrtum ist ein Irrtum in der Erklärungshandlung. Die Äußerung des Erklärenden weicht von dem ab, was er eigentlich erklären will. Beispiele hierfür sind Versprechen, Vergreifen oder Verschreiben. Beim Inhaltsirrtum irrt der Erklärende über die Bedeutung oder Tragweite der abgegebenen Erklärung. Der Erklärende sagt also bewusst die Wörter, die er sagen möchte, aber verbindet mit diesen Wörtern etwas anderes. Beispiel: Ich sage A, weil ich denke, A heißt B = Inhaltsirrtum Ich sage A, wollte aber B sagen = Erklärungsirrtum Beste Grüße, Max – für das Jurafuchs-Team