Konsens nach objektivem Erklärungswert, obwohl der wirkliche Wille nicht übereinstimmt


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V will sein Gemälde für €980 verkaufen. Er vertippt sich jedoch und schickt K ein Angebot über €890. K ist damit einverstanden und antwortet: „Okay, abgemacht!“. Den wahren Willen von V hatte er nicht erkannt.

Einordnung des Falls

Konsens nach objektivem Erklärungswert, obwohl der wirkliche Wille nicht übereinstimmt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat ein Angebot über den Verkauf des Bildes zum Preis von €890 abgegeben.

Ja, in der Tat!

Das Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach dem wahren Willen und dem objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der Verkehrssitte und Treu und Glaube (§§ 133, 157 BGB) auszulegen ist.Der wahre Wille des V war auf die Veräußerung des Gemäldes zum Preis von €980 gerichtet. Ein objektiver Empfänger in der Position des K wusste nichts von dem Willen des V und musste davon ausgehen, dass es sich bei dem Angebot über €890 um den gewollten Preis handelt. Aus Gründen des Verkehrsschutzes überlagert der Empfängerhorizont den wahren Willen des Erklärenden.

2. K hat eine Annahme über den Kauf des Bildes zu €890 abgegeben.

Ja!

Die Annahme muss mit dem Angebot inhaltlich korrespondieren. Sie ist nach dem wahren Willen und dem objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der Verkehrssitte und Treu und Glauben auszulegen (§§ 133, 157 BGB).Der wahre Wille des K bezog sich allein auf den Kaufpreis in Höhe von €890. Da sich die Annahme direkt auf das Angebot des V bezieht, musste ein objektiver Empfänger in der Postion des V auch davon ausgehen, dass es sich um eine Annahme zum Preis von €890 handelt.

3. V und K haben einen Kaufvertrag über das Gemälde zum Preis von €890 geschlossen.

Genau, so ist das!

Ein Vertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme, zustande. Die Übereinstimmung der beiden Willenserklärungen wird Konsens genannt. Die Parteien müssen sich über die essentialia negotii einigen.Trotz des abweichenden wahren Willens des V ergibt die Auslegung der Erklärungen, dass beide Erklärungen den Kaufpreis von €890 enthielten.

4. V kann seine Willenserklärung anfechten (§§ 119 Abs. 1 Alt. 2, 142 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

In bestimmten Fällen (§§ 119 ff. BGB) macht das Gesetz eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Verträge bindend sind („pacta sunt servanda“) und erlaubt die Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB). Beim Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt.2 BGB) fallen das Erklärte und das Gewollte bei Abgabe der Willenserklärung unbewusst auseinander.Die Auslegung ergibt, dass V €980 erklären wollte, aber €890 erklärt hat. Dies stellt einen Erklärungsirrtum dar, der eine Anfechtung der Willenserklärung erlaubt. Gegebenenfalls ist er dann aber zum Schadensersatz verpflichtet (§ 122 BGB).

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TO

TomBombadil

12.11.2023, 17:27:43

Liebes Jurafuchs-Team, mir stellt sich eine Frage zur Anfechtung, wenn - z. B. beim Verschreiben - der wirkliche Wille erkannt wird, dies aber, um ein Schnäppchen zu machen, ausgenutzt wird: A schreibt an B, dass er ihm sein Auto für 1.000 € verkaufen wolle. B erkennt, dass A eigentlich 10.000 € meinte. B nimmt das Angebot an, weil er denkt, dass er trotzdem ein Schnäppchen mache, das Auto also für 1.000 € kaufe. In der Literatur ist dieses Beispiel zwar zu finden, allerdings wird dort - soweit mir ersichtlich - immer nur besprochen, ob A anfechten muss; mich würde aber interessieren, ob B anfechten kann, weil er dachte, es käme ein Vertrag zu 1.000 € zustande oder ob ihm die Möglichkeit der Anfechtung verwehrt ist (Verstoß gegen § 242 BGB, wenn er sich auf seinen Irrtum beruft?, "irrt" B überhaupt, wenn er den wirklichen Willen erkannt hat?). Ich hoffe, meine Frage passt hier einigermaßen. Liebe Grüße:) Tom

CAS

Captain Stupid

22.2.2024, 10:56:51

Heißt es nicht Auslegung vor Anfechtung? Warum liegt hier (ich meine den Fall in dem der K den wahren Willen des V NICHT kennt) nicht ein versteckter Dissens gem. Par. 155 BGB vor? Und da es sich um essentiala negotii handelt, dürfte doch auch kein Vertragsschluss zustande gekommen sein!? Ich hätte viel auf diese Lösung gewettet, ich bitte um Aufklärung. 🙏🏼😇

TI

Timurso

22.2.2024, 11:22:29

Ein (versteckter) Dissens liegt dann vor, wenn in diesem Punkt keine zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Hier haben wir jedoch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, gerichtet auf 890 €. Dass der V sich dabei gedacht hat, 980 € zu erklären ist dafür unerheblich, da seine Erklärung nach Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB sich auf 890 € richtet.

CAS

Captain Stupid

22.2.2024, 17:34:24

Verstehe! Danke dir!

ELE

ElenaSS

27.4.2024, 19:07:18

Wäre es nicht ein Inhaltsirrtum (er will ja eine Erklärung abgeben, nur nicht mit dem Inhalt) ?

Gruttmann

Gruttmann

29.4.2024, 16:36:10

Nein, da beim Inhaltsirrtum man sich bewusst ist, was für einen Preis man genau abschickt. Quasi, wenn er wüsste, dass er 890€ abgeschickt hätte, sich jedoch über die wahre Bedeutung von 980€ irrt, was ziemlich schwierig ist. Hier hat er sich vertippt und war sich garnicht bewusst, dass er 890€ abschickt. Ein vertippen, verschreiben oder vergreifen stellt meistens einen Erklärungsirrtum dar.

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

2.5.2024, 11:48:17

Die Abgrenzung zwischen Erklärungsirrtum und Inhaltsirrtum ist im Einzelfall sehr schwierig. Entscheidend ist, dass in beiden Fällen Wille und Erklärung nicht übereinstimmen und aus diesem Grund die Möglichkeit der Anfechtung besteht: „Irrtum ist das unbewusste Auseinanderfallen von subjektivem Willen und objektiver Erklärung.“ Erklärungsirrtum ist ein Irrtum in der Erklärungshandlung. Die Äußerung des Erklärenden weicht von dem ab, was er eigentlich erklären will. Beispiele hierfür sind Versprechen, Vergreifen oder Verschreiben.  Beim Inhaltsirrtum irrt der Erklärende über die Bedeutung oder Tragweite der abgegebenen Erklärung. Der Erklärende sagt also bewusst die Wörter, die er sagen möchte, aber verbindet mit diesen Wörtern etwas anderes. Beispiel:  Ich sage A, weil ich denke, A heißt B = Inhaltsirrtum  Ich sage A, wollte aber B sagen = Erklärungsirrtum Beste Grüße, Max – für das Jurafuchs-Team


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