Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Angebot und Annahme
Konsens nach objektivem Erklärungswert, obwohl der wirkliche Wille nicht übereinstimmt
Konsens nach objektivem Erklärungswert, obwohl der wirkliche Wille nicht übereinstimmt
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V will sein Gemälde für €980 verkaufen. Er vertippt sich jedoch und schickt K ein Angebot über €890. K ist damit einverstanden und antwortet: „Okay, abgemacht!“. Den wahren Willen von V hatte er nicht erkannt.
Diesen Fall lösen 93,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Konsens nach objektivem Erklärungswert, obwohl der wirkliche Wille nicht übereinstimmt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat ein Angebot über den Verkauf des Bildes zum Preis von €890 abgegeben.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. K hat eine Annahme über den Kauf des Bildes zu €890 abgegeben.
Ja!
3. V und K haben einen Kaufvertrag über das Gemälde zum Preis von €890 geschlossen.
Genau, so ist das!
4. V kann seine Willenserklärung anfechten (§§ 119 Abs. 1 Alt. 2, 142 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
TomBombadil
12.11.2023, 17:27:43
Liebes Jurafuchs-Team, mir stellt sich eine Frage zur Anfechtung, wenn - z. B. beim Verschreiben - der wirkliche Wille erkannt wird, dies aber, um ein Schnäppchen zu machen, ausgenutzt wird: A schreibt an B, dass er ihm sein Auto für 1.000 € verkaufen wolle. B erkennt, dass A eigentlich 10.000 € meinte. B nimmt das Angebot an, weil er denkt, dass er trotzdem ein Schnäppchen mache, das Auto also für 1.000 € kaufe. In der Literatur ist dieses Beispiel zwar zu finden, allerdings wird dort - soweit mir ersichtlich - immer nur besprochen, ob A anfechten muss; mich würde aber interessieren, ob B anfechten kann, weil er dachte, es käme ein Vertrag zu 1.000 € zustande oder ob ihm die Möglichkeit der Anfechtung verwehrt ist (Verstoß gegen § 242 BGB, wenn er sich auf seinen Irrtum beruft?, "irrt" B überhaupt, wenn er den wirklichen Willen erkannt hat?). Ich hoffe, meine Frage passt hier einigermaßen. Liebe Grüße:) Tom
Linne_Karlotta_
20.11.2024, 17:36:54
Hey @[TomBombadil](23400), besser spät als nie: Du hast deine Fragen eigentlich schon selbst gut beantwortet. B könnte in diesem Fall nicht anfechten. Wie du schon richtig sagst, kann man nicht von einem Irrtum sprechen, wenn B erkannte, dass A eigentlich 10.000 € gemeint hat. Jedenfalls würde die Anfechtung auch an Treu und Glauben (§ 242 BGB) scheitern. Anfechtungsrechte dürfen nicht dazu missbraucht werden, eine unlautere Vorteilnahme zu legitimieren. B ist nicht schutzwürdig. Die bewusste Ausnutzung des Erklärungsirrtums von A spricht gegen den guten Glauben von B. Darauf kommt es hier aber eigentlich nicht an, denn es liegt ja bereits kein Irrtum vor. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Shark
4.12.2024, 11:33:45
@[Linne_Karlotta_](243622) Auch wenn B nicht schutzwürdig ist, braucht es den Schutz überhaupt? Er hat dann doch gar keine Erklärung mit dem Inhalt 10.000 Euro abgegeben. Wenn die WE gem. §§ 133, 157 auszulegen ist, ist der wahre Wille 1.000 Euro, das ist nach dem Objektiven
Empfängerhorizontauch so zu verstehen. Nach meinem Verständnis ist die WE des B eine abändernde Annahme gem. § 150 II, dh ein Vertragsschluss liegt gar nicht vor. Warum ist das falsch?
Captain Stupid
22.2.2024, 10:56:51
Heißt es nicht Auslegung vor Anfechtung? Warum liegt hier (ich meine den Fall in dem der K den wahren Willen des V NICHT kennt) nicht ein
versteckter Dissensgem. Par. 155 BGB vor? Und da es sich um essentiala negotii handelt, dürfte doch auch kein Vertragsschluss zustande gekommen sein!? Ich hätte viel auf diese Lösung gewettet, ich bitte um Aufklärung. 🙏🏼😇
Timurso
22.2.2024, 11:22:29
Ein (versteckter) Dissens liegt dann vor, wenn in diesem Punkt keine zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Hier haben wir jedoch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, gerichtet auf 890 €. Dass der V sich dabei gedacht hat, 980 € zu erklären ist dafür
unerheblich, da seine Erklärung nach Auslegung nach dem objektiven
Empfängerhorizontgem.
§§ 133, 157 BGBsich auf 890 € richtet.
Captain Stupid
22.2.2024, 17:34:24
Verstehe! Danke dir!
hannabuma
20.11.2024, 19:22:06
@[Timurso](197555) Scheidet hier ein
versteckter Dissensgem. § 155 BGB nicht schon aus, weil §§ 154, 155 BGB nur bei Vereinbarungen über Nebenpunkte anwendbar sind und hier kein Nebenpunkt sondern der Kaufpreis betroffen ist? Deine Argumentation würde man dann nicht bei § 155 BGB einbauen, sondern als Totaldissens beim Vertragsschluss gem. §§ 145ff. BGB, oder?
ElenaSS
27.4.2024, 19:07:18
Gruttmann
29.4.2024, 16:36:10
Nein, da beim
Inhaltsirrtumman sich bewusst ist, was für einen Preis man genau abschickt. Quasi, wenn er wüsste, dass er 890€ abgeschickt hätte, sich jedoch über die wahre Bedeutung von 980€ irrt, was ziemlich schwierig ist. Hier hat er sich vertippt und war sich garnicht bewusst, dass er 890€ abschickt. Ein vertippen, verschreiben oder vergreifen stellt meistens einen Erklärungsirrtum dar.
Maximilian Puschmann
2.5.2024, 11:48:17
Die Abgrenzung zwischen Erklärungsirrtum und
Inhaltsirrtumist im
Einzelfallsehr schwierig. Entscheidend ist, dass in beiden Fällen Wille und Erklärung nicht übereinstimmen und aus diesem Grund die Möglichkeit der Anfechtung besteht: „Irrtum ist das unbewusste Auseinanderfallen von subjektivem Willen und objektiver Erklärung.“ Erklärungsirrtum ist ein Irrtum in der Erklärungshandlung. Die Äußerung des Erklärenden weicht von dem ab, was er eigentlich erklären will. Beispiele hierfür sind Versprechen, Vergreifen oder Verschreiben. Beim
Inhaltsirrtumirrt der Erklärende über die Bedeutung oder Tragweite der abgegebenen Erklärung. Der Erklärende sagt also bewusst die Wörter, die er sagen möchte, aber verbindet mit diesen Wörtern etwas anderes. Beispiel: Ich sage A, weil ich denke, A heißt B =
InhaltsirrtumIch sage A, wollte aber B sagen = Erklärungsirrtum Beste Grüße, Max – für das Jurafuchs-Team
scarlux
10.8.2024, 12:32:47
Ich habe es auch so gelernt, dass ein Setzen eines falschen Erklärungszeichens, beispielsweise das Verschreiben, Versprechen oder Legen an die falsche Stelle, einen Erklärungsirrtum darstellt. Was mich jedoch leider nur so oft verwirrt, ist dass der
Kalkulationsirrtumdann eher dem
Inhaltsirrtumzugeordnet wird, aber trotzdem im Nachhinein abgelehnt wird als unbeachtlicher
Motivirrtum, da der Erklärende das Risiko seiner (mangelnden) Kalkulationsfähigkeiten trägt, die später seinen Willen beeinflussen. Kann man es so zusammenfassen, beim
Inhaltsirrtumirrt der Erklärende über das Was er erklären wollte, beim Erklärungsirrtum irrt er sich darüber, wie er es erklären wollte + Verschrieben, versprechen etc. ?
Gruttmann
11.8.2024, 10:20:36
@[scarlux](212436) Ja genau, so kann man es zusammenfassen.