Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Konsens: Übereinstimmung des wirklichen Willens

Konsens: Übereinstimmung des wirklichen Willens

16. Februar 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V will sein Gemälde für 980 € verkaufen. Er vertippt sich und schickt K ein Angebot über 890 €. K weiß, dass V eigentlich 980 € haben will. Bei der Annahme vertippt sich K ebenfalls und antwortet: „Mit 98 bin ich einverstanden“. V erkennt den Tippfehler des K.

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Einordnung des Falls

Konsens: Übereinstimmung des wirklichen Willens

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat ein Angebot über den Verkauf des Bildes zum Preis von 890 € abgegeben.

Nein!

Das Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach dem wahren Willen und dem objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der Verkehrssitte und Treu und Glauben auszulegen (§§ 133, 157 BGB) ist. Der wahre Wille des V war auf die Veräußerung des Bildes zum Preis von 980 € gerichtet. Ein objektiver Empfänger in der Position des K kannte zudem den wahren Willen des V und musste daher davon ausgehen, dass es sich um einen Tippfehler handelt. Damit ist trotz des Tippfehlers von einem Angebot in Höhe von 980 € statt 890 € auszugehen.
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2. K hat die Annahme über den Kauf des Bildes zu 980 € erklärt.

Genau, so ist das!

Die Annahme muss auf das Angebot Bezug nehmen und inhaltlich mit ihm korrespondieren. Sie ist nach dem wahren Willen und dem objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der Verkehrssitte und Treu und Glauben auszulegen (§§ 133, 157 BGB). K kannte den wahren Willen des V und war mit dem Kaufpreis von 980 € einverstanden. Auch V erkannte den Tippfehler des K und musste daher davon ausgehen, dass 980 € anstelle von 98 gewollt sind. Damit erklärte K die Annahme zum Kauf des Bildes für 980 €.

3. V und K haben einen Kaufvertrag über das Gemälde zum Preis von 980 € geschlossen.

Ja, in der Tat!

Ein Vertrag besteht aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme. Eine Übereinstimmung der beiden Willenserklärungen wird Konsens genannt. Sie liegt vor, wenn die Parteien sich über die essentialia negotii geeinigt haben. Dem Wortlaut zufolge könnten V und K keine übereinstimmenden Erklärungen hinsichtlich des Kaufpreises abgegeben haben. Die Auslegung ergibt jedoch, dass beide Erklärungen den Kaufpreis von 980 € enthielten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

23.5.2020, 15:57:35

Finde das zu unklar formuliert "V erkennt den Tippfehler" welchen Tippfehler? Hier kamen ja mehrere vor. Also seinen eigenen oder den von K? Und weiß V auch, dass K weiß, dass er (V) eigentlich 980 meinte? Ich sehe bei all diesen Unwägbarkeiten keine wirksame Annahme des K.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

23.6.2020, 09:04:58

Fair point! Wir haben Klargestellt, dass V den Tippfehler „des K“ erkannt hat. Damit kommt es dann auch nicht mehr darauf an, ob V weiß, dass K weiß, dass V eigentlich 980€ meinte.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

6.7.2020, 12:23:37

**now

QUIG

QuiGonTim

10.2.2022, 16:44:41

Ist das schon ein Fall der

falsa demonstratio non nocet

?

VIC

Victor

11.2.2022, 00:02:39

Ja!

PAUL21

Paul21

17.10.2023, 21:49:08

Die Erklärung überzeugt nicht. Bzgl. des ersten Tippfehlers ist hier ausnahmsweise nicht nach dem obj.

Empfängerhorizont

auszulegen. Vielmehr gilt (wie bei anderen Fällen von falsa demonstratio non novet) der wahre Wille der Parteien.

0815jurafuchs

0815jurafuchs

13.2.2024, 12:53:30

Unter Berücksichtigung des objektiven

Empfängerhorizont

s aus der Sicht des K, der die wahren Absichten Vs kannte, durfte man m.E. von einer Annahme des Angebots über 980 € ausgehen.

PAUL21

Paul21

13.2.2024, 17:41:44

Die Argumentation würde aber auf alle Fälle der

falsa demonstratio non nocet

anwendbar sein. Das würde dazu führen, dass man in Fällen der

falsa demonstratio non nocet

– anders als in anderen Aufgaben behauptet – keine Ausnahme vom Grundsatz macht, nach dem objektiven

Empfängerhorizont

auszulegen und einzig den wahren Willen der Parteien berücksichtigt. Vielmehr finden die

§§ 133, 157 BGB

auch in solchen Fällen Anwendung.

Ala

Ala

19.8.2024, 11:06:20

wie wäre der fall zu lösen, wenn V den tippfehler des K nicht erkennt (und V auch nicht weiß, dass K weiß, dass V für 980€ verkaufen will)?

CAUL

caulpoy

22.8.2024, 13:46:34

Ich vermute, dass der KV für 890€ zustande kommen würde und V anfechten kann.

Shark

Shark

4.12.2024, 11:08:46

Auch die Annahme, also die WE des K ist gem. §§ 133, 157 auszulegen. Der wahre Wille ist 980 Euro, aus Sicht eines verständigen Empfängers ist die WE jedoch als 98 € zu verstehen. Also § 150 II, neuer Antrag, ohne Annahme > Vertragsschluss (-). Anfechtung geht hier man dann auch nicht, weil es ja gar kein RG gibt. Oder können auch nur WE angefochten werden? ZB bei Kündigungen?

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

10.2.2025, 10:49:03

Hey @[Ala](241758), @[caulpoy](245038) und @[Shark](264930), mein erster Impuls war auch die Lösung von @[Shark](264930). Allerdings müsste man meiner Meinung nach auch beachten, dass laut Sachverhalt der V den Tippfehler des K erkennt. Da bei der Auslegung nach dem objektiven

Empfängerhorizont

auf die Wahrnehmung durch einen objektiven Dritten in der konkreten Position des Empfängers (also mit dessen Wissen) abgestellt wird, wäre das hier meiner Meinung nach beachtlich. Insofern müsste man sich fragen, wie ein objektiver Dritter, der weiß, dass der K sich verschrieben hat, die Willenserklärung versteht. Dieser objektive Dritte würde erkennen, dass sich das Angebot auf 890€ bezogen hat und damit auch die Annahme als 890€ auslegen. Somit hat @[caulpoy](245038) im Ergebnis Recht. Das ist zugegebenermaßen relativ konstruiert, weil man sich erst mal darüber einigen müsste, wie genau die Abwandlung jetzt aussieht und ob der Zusatz, dass der V den Tippfehler des K erkennt, in der Abwandlung noch Sinn ergeben würde. Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

10.2.2025, 11:03:17

Hallo @[Ala](241758), @[caulpoy](245038) und @[Shark](264930), wenn der V den Fehler des K nicht erkennt, ist die Erklärung, wie @[Shark](264930) richtig sagt, nach dem objektiven

Empfängerhorizont

auszulegen,

§§ 133, 157 BGB

. In diesem Rahmen halte ich es für fraglich, ob der Tippfehler so auffällig ist, dass ein objektiver Empfänger diesen erkennen würde. Wenn ja, kommt man zur Lösung von @[caulpoy](245038), wenn nein, zur Lösung von @[Shark](264930). Ich halte beides für vertretbar, hier müsste man entsprechend argumentieren. Und @[Shark](264930): Grundsätzlich können einzelne Willenserklärungen angefochten werden, so sagt es bereits der Wortlaut des § 119 BGB. Streng dogmatisch ist auch die Anfechtung eines Vertrages nur die Anfechtung der eigenen Willenserklärung, die dann den gesamten Vertrag zu Fall bringt (MüKoBGB/Busche, 10. Aufl. 2025, BGB § 142 Rn. 9). Darüber hinaus können auch nichtige Verträge angefochten werden. Diese Wertung könnte man auf den vorliegenden Fall übertragen und auch diese Begründung für eine Anfechtbarkeit trotz der Tatsache, dass sich die Willenserklärungen nicht decken, heranziehen. Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team

NME

nmew

23.10.2024, 22:34:02

warum wird in der Lösung nach dem objektiven

Empfängerhorizont

ausgelegt? in den fällen der falsa demonstratio sind die Erklärungen doch nach dem wirklichen Willen, allein §133 auszulegen, oder?

LELEE

Leo Lee

27.10.2024, 11:00:34

Hallo Nicholas, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man meinen, 133 alleine reiche bereits aus. Das ist auch insofern nachvollziehbar, als bei falsa demonstratio der wirkliche Wille maßgeblich ist. Beachte allerdings, dass soweit eine EMPFANGSBEDÜRFTIGE Willenserklärung relevant wird, auch der 157 rangezogen werden muss, da immerhin die WE - ungeachtet dessen, ob falsa demonstratio vorliegt oder nicht - von der Warte des Empfängers ausgelegt wird (er kann dann eben mit oder ohne Sonderwissen die Willenserklärung interpretieren). Deshalb wird 157 immer noch rangezogen! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüser § 119 Rn. 64 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

NME

nmew

30.10.2024, 14:43:22

Hallo Leo, danke für deine Antwort. Den Verweis auf Rn 64 verstehe ich nicht ganz. In Rn 63 schreibt Armbrüster schließlich, dass zuerst entsprechend 133 nach dem wahren Willen auszulegen ist. Nur wenn die wahren Willen der Erklärenden nicht einander entsprechen, ist 133,157 anzuwenden. Bedeutet doch für unseren Fall, in dem sich die wirklichen/wahren Willen von V und K entsprechen, dass nur 133 anwendbar ist. Bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Danke!


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