Eingreifen von Berufsrettern
3. Juli 2025
9 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
N zündet das Haus seiner reichen Tante T an. Nachbarn alarmieren die Feuerwehr. Als Berufsfeuerwehrfrau F die Schreie von T hört, stürzt sie sich mit voller Schutzmontur in das brennende Haus. Bevor sie T retten kann, wird F durch einen herunterfallenden Dachbalken tödlich verletzt.
Diesen Fall lösen 89,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Eingreifen von Berufsrettern
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. N hat durch das Anzünden des Hauses eine kausale Verletzungshandlung für die Verletzung des Rechtsguts Leben der F gesetzt.
Ja!
2. N ist die Rechtsgutsverletzung der F auch adäquat-kausal zurechenbar.
Genau, so ist das!
3. N ist die Rechtsgutsverletzung der F auch unter den Grundsätzen des Schutzzwecks der Norm zurechenbar.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Cosmonaut
21.5.2023, 13:09:09
Sind dies die sog. Herausfordererfälle? Eure Formulierung der „psychisch vermittelten Kausalität“ kommt sehr an das heran, was ich einst unter der „Herausforderer-Formel“ des BGH erlernt habe. Sind diese gleichbedeutend? Ich habe zumindest den (auch hoch examensrelevanten) Fall des Polizisten, der einen Kriminellen verfolgt, und dabei aus einem Fenster springt, aber kraft unterlegenen Wissens nicht sieht, dass er in eine Kellertreppe hinab stürzt, weil er nicht weit genug hinaus sprang, nicht gefunden. Könntet Ihr diesen inklusive entsprechendem Suchindex ergänzen?

Cosmonaut
21.5.2023, 14:05:39
: a. vernünftiger Anlass, i.e. Angst um das eigene Leben / Strafverfolgung b. angemessenes Verhältnis zwischen Zweck und Be
drohungc. RGV beruht gerade auf den gesteigerten Risiken der herausgeforderten Handlung

CR7
19.12.2023, 17:01:52
@[Cosmonaut](188718) sehr gut zusammengefasst!

Sebastian Schmitt
5.12.2024, 15:26:14
Hallo @[Cosmonaut](188718), sucht man nach einem Schlagwort, ist das tatsächlich im weiteren Sinne ein "Herausforderungs-Fall", hier in der besonderen Konstellation des "Berufsretters", weil F sogar von Berufs wegen zum Einschreiten verpflichtet ist. Die von uns hier verwendete Formulierung "
psychisch vermittelte Kausalität" trifft dagegen eine Aussage über die Art und Weise, wie die Kausalität begründet wird, nämlich nicht durch körperliche Ursachen. Psychisch vermittelt ist die Kausalität also zB auch in Schockfällen, nicht psychisch/physisch dagegen zB im Fall klassischer Verletzungen durch einen Faustschlag ins Gesicht (näher zB Geigel/Schmidt, Haftpflichtprozess, 29. Aufl 2024, Kap 1 Rn 23). Für Prüfungsarbeiten ist es sicherlich sinnvoll, diese Begriffe zu kennen (und als Schlagwort zu nennen). Inhaltlich würde ich die Bezeichnungen aber nicht überbewerten. Das sind ja letztlich nur Versuche der Strukturierung durch das Schrifttum, die im Gesetzestext überhaupt nicht auftauchen und demensprechend nicht immer klar definiert sind. Was die Verlinkung des anderen Falls angeht: Danke für den Hinweis! Ich schaue mir gerne mal an, ob es sich mE anbietet, hier in der Aufgabe eine Verlinkung einzufügen. Leider habe ich gerade mit den von Dir genannten Schlagwörtern (versucht: "Kellertreppe", "Treppe", "Fenster") anscheinend nicht den Fall finden können, den Du meinst. Dementsprechend kann ich inhaltlich für den Moment nichts dazu sagen. Für die Zukunft oder falls jemand anders von Euch gerade über den Fall stolpert: Am einfachsten macht Ihr es uns und am schnellsten können Eure Hinweise geprüft und umgesetzt werden, wenn Ihr uns die Aufgabe, auf die Ihr Bezug nehmt, konkret nennt. Klickt dazu über der Aufgabe auf das Kästchen mit dem nach rechts oben herausragenden Pfeil ("Teilen"-Symbol), anschließend rechts auf die beiden überlappenden Quadrate. Dann habt Ihr den Link zur Aufgabe in der Zwischenablage und könnt ihn zB mit Strg+v in Euren Post einfügen. Falls das nicht geht, liegt es evtl an Eurem AdBlocker, also am besten die Jurafuchs-Seite whitelisten oder mal mit einem anderen Browser probieren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Findet Nemo Tenetur
23.3.2025, 22:59:37
Ich habe sehr grundsätzliche Schwierigkeiten mit dem Merkmal “
Schutzzweck der Norm”. Also ich persönlich, wenn ich versuche es im Fall anzuwenden. Oft scheitere ich nämlich schon daran zu checken, um welche Norm es eigentlich geht. Den zweiten Schritt (
Schutzzweckherausarbeiten) könnte ich dann glaube ich hinbekommen. Dritter Schritt: ? Ist das Verhalten oder der Erfolg vom
Schutzzweckerfasst? Finde ich dann wieder schwierig. Ich denke der dritte Schritt fällt ja auch leichter, wenn man die ersten beiden – also um welchen
Schutzzweckwelcher Norm geht’s – schon beantwortet hat. Deshalb ein Wunsch (weil es auch in Lösungsskizzen, Lehrbücher oder keine Ahnung wo mE regelmäßig nicht klar benannt wird): könnten ihr jeweils kurz dazu schreiben, um welche Norm es geht und welcher der in Rede stehende
Schutzzweckist? In vielen Fällen und vielleicht für viele hier ist das vielleicht total offensichtlich; vielleicht steht es auch deshalb oft in anderen Quellen nicht dabei. Da Jurafuchs aber oft meine letzte Hoffnung ist, wenn ich etwas nicht verstanden habe (und deshalb inzwischen mein erster Anlaufpunkt, wenn ich etwas verstehen möchte), würde ich mich sehr freuen, wenn ihr beim
Schutzzweck der Normkurz dazu schreiben könntet, was die jeweilige (Sorgfalts-)Norm ist. Danke!

Sebastian Schmitt
16.5.2025, 08:37:12
Hallo @[Findet
Nemo Tenetur](254807), ich kann gut verstehen, dass und warum Dir das Probleme macht. Zunächst mal zu dieser Aufgabe hier: Wir haben jetzt noch einmal explizit klargestellt, dass es natürlich um § 823 I BGB geht, der Fall steht ja auch im Kapitel zu § 823 I BGB und die Nachweise in den Fundstellen beziehen sich ebenfalls auf §
823 BGB. § 823 I BGB dürfte in der Ausbildung nach meinem Eindruck auch einer der Fälle sein, in denen Ihr es am ehesten mit "
Schutzzweck"-Fragen zu tun bekommt. Bei unseren sonstigen Aufgaben, insbesondere denen, die sich auf speziellere Normen beziehen, sollte dazu eigentlich mehr stehen. Falls Ihr dort mögliche Fehler entdeckt oder die Erläuterungen Euch mal zu knapp vorkommen, sind wir für Hinweise jederzeit dankbar und schauen uns das gerne nochmal genauer an. Ich fürchte jedoch, Du stellst Dir das mit dem
Schutzzwecketwas konkreter vor, als es in vielen Fällen ist. Hier geht es wie gesagt um § 823 I BGB. Zielrichtung des § 823 I BGB ist es, Schäden an den genannten Rechten und Rechtsgütern grds im Wege der Totalreparation (§§ 249 ff BGB) zu ersetzen. Das wusstest Du vermutlich vorher auch schon und bei der Subsumtion hilft Dir das kaum weiter. Die
Lehre vom Schutzzweck der Normist dann eine Einschränkung bei solchen Schäden, die zwar (adäquat-)kausal auf das Verhalten des Schädigers zurückzuführen sind, bei denen wir es aber aus wertenden (!) Gründen für zu weitreichend halten, sie auch noch über § 823 I BGB zu erfassen. Zu § 823 I BGB kann man sich insoweit ganz gut an den klassischen Fallgruppen orientieren, in denen das problematisch und dementsprechend zu diskutieren ist bzw zumindest sein kann. Das sind insbesondere Fälle der mittelbaren Verursachung (des "Dazwischentretens", sei es des Geschädigten/Opfers oder Dritter) und der
Schockschäden. Und dann kommt es eben auf eine saubere Argumentation anhand der Umstände des konkreten Sachverhalts an. Vor allem ist natürlich wichtig, dieses Problem überhaupt zu erkennen, das geht aber mit der Kenntnis der Fallgruppen eigentlich recht gut, zumal die Beteiligten in Euren Aufgaben häufig auch etwas in diese Richtung vortragen werden. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Findet Nemo Tenetur
16.5.2025, 22:46:54
Vielen Dank @[Sebastian Schmitt](263562) für die ausführliche Erklärung. Ich glaube ich habe es immer noch nicht ganz verstanden, kann aber nun vielleicht meine Verständnisschwierigkeiten etwas präziser formulieren. Ich glaube ich finde es komisch, dass bei der Frage der adäquaten Kausalität iRd Punktes “
Schutzzweck der Norm” bei § 823 I dann wieder auf den
Schutzzweckvon § 823 I abgestellt wird. Denn wenn ich eine RGV bereits bejaht habe, verstehe ich nicht, wie ich dann später plötzlich noch dazu kommen kann zu sagen, der
Schutzzweckdes § 823 I ist doch nicht betroffen. Deutlicher wird was ich meine vielleicht am einem (von mir ausgedachten) Beispiel des Unterlassens: Es gibt ein Verbot im Krankenhaus, das besagt, dass man keine Topfpflanzen mitbringen darf, weil da Keime in der Erde drin sein könnten und das die Patienten gefährdet. Deshalb muss das Krankenhaus darüber aufklären/das Verbot aussprechen. Das ist nicht passiert. Dann bringt jemand nichtsahnend eine Topfpflanze mit und der Patient isst aber einfach die Pflanze auf und erleidet dadurch eine Zustandsverschlechterung. Und der Besuch hätte die Pflanze aber nicht mitgebracht wenn er von dem Verbot gewusst hätte. Dann lägen ja auch Rechtsgutsverletzung (Zustandsverschlechterung des Pat.),
Verletzungshandlungin Form des Unterlassens der
Verkehrssicherungspflichtund äquivalente Kausalität vor. Ich hätte gedacht, dass man in so Fallkonstellationen dann sagen würde, dass das Aufessen der Pflanze nicht vom
Schutzzweck(Keimreduktion) der Norm (Hinweispflicht) erfasst ist. Und dass dadurch dann die Zurechnung durchbrochen ist. Die ganze Prüfung würde ja dennoch im § 823 I stattfinden, aber hier würde man dann doch nicht auf den
Schutzzweckdes § 823 I, sondern eben auf den
Schutzzweck(Keimreduktion) der Hinweispflicht abstellen, oder? Deshalb finde ich es komisch, dass der in Rede stehende
Schutzzweck der Normsich dadurch ändert, ob ein
Tun oder Unterlassenvorliegt. Also im Fall hier in der Aufgabe frage ich mich, wieso nicht die Norm, um deren
Schutzzweckes geht die “Du sollst keine Häuser anzünden” ist, anstatt die Schutzgüter des § 823 I (Gesundheit etc.). Eben mit der Überlegung, dass der
Schutzzweckvon “Du sollst keine Häuser anzünden” nicht nur der ist, dass das Haus nicht abbrennt, sondern dass daraus auch eine besondere Gefährlichkeit für andere resultiert, uA deshalb, weil Leute zum Retten kommen, und das eben auch von dieser Norm des “du sollst keine Häuser anzünden” erfasst ist. Ich hoffe, dadurch ist meine Verständnisschwierigkeit etwas nachvollziehbarer geworden. Falls du oder jemand anders nochmal Motivation zum nochmal Erklären hat, freue ich mich sehr!
Paul Hendewerk
20.5.2025, 18:16:13
@[Findet
Nemo Tenetur](254807) § 823 I BGB soll im Ausgangspunkt vor allen Beeinträchtigungen der aufgezählten Rechte/Rechtsgüter schützen. Dieser weite Haftungsmaßstab bedarf im einzelnen Falle jedoch - ähnlich wie im Strafrecht - der normativen Korrektur, die durch das Kriterium des
Schutzzweckszusammenhangs realisiert wird. Eine der Fallgruppen, die den
Schutzzweckzusammenhangsowohl im Straf- als auch auch im zivilrechtlichen Deliktsrecht entfallen lässt, ist die
eigenverantwortliche Selbstgefährdung. Wenn sich der Geschädigte eigenverantwortlich selbstgefährdet, schlägt sich in der RG-Verletzung nicht die
Verletzungshandlungdes Schädigers, sondern ebendiese
eigenverantwortliche Selbstgefährdungnieder.

Sebastian Schmitt
20.6.2025, 10:20:17
Hallo @[Findet
Nemo Tenetur](254807), nur weil wir eine adäquat-kausale Rechtsgutsverletzung haben, muss die noch nicht vom
Schutzzweck der Normgedeckt sein. Den
Schutzzweckhast Du ja vorher noch gar nicht geprüft, sondern nur die Rechtsgutsverletzung + die Kausalität nach der Äquivalenz- und
Adäquanztheorie. Und Dein Beispiel ist schon sehr speziell. Entscheidend ist nicht allein der
Schutzzweckirgendeines Verbots, sondern auch der
Schutzzweckder verletzten Haftungs(!)norm bzw des der Haftung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (vgl Staudinger/Höpfner, BGB, Neubearb 2021, § 249 Rn 28, 32 f; Erman/Ebert, BGB, 17. Aufl 2023, Vor § 249 Rn 34). Du verstehst das Ganze also vielleicht etwas zu sehr "strafrechtlich" und schaust zu sehr auf ein "Verbot". Der
Schutzzweckder haftungsbegründenden Norm kann natürlich eng mit einem ganz konkreten Verbot/Gebot zusammenspielen (vgl MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl 2022, § 249 Rn 122 ff). Dann sind wir oft (auch) bei
§ 823 II BGB, wo Euch zB StGB- oder StVO-§§ erwarten, gerade in Prüfungsaufgaben. Häufig wird es aber selbst dann letztlich um die von mir genannten Konstellationen gehen (Verfolger- oder
Schockschäden-Fälle), bei denen die grundlegende Argumentation auch über verschiedene
Schutzgesetze hinweg sehr ähnlich ist. Es gibt außerdem jede Menge Fälle, für die einfach nur § 823 I BGB unsere haftungsbegründende Norm ist, auf deren
Schutzzweckwir schauen (zB bei fahrlässiger, also nicht strafbarer Sachbeschädigung). Denn auch § 823 I BGB hat ja einen solchen Zweck, er schützt nämlich die genannten Rechte oder Rechtsgüter vor Verletzungen bzw knüpft daran zumindest die
Schadensersatzpflicht. Und zivilrechtlich gibt es doch streng genommen gar keine Norm, die sagt, man soll keine Häuser anzünden. Das sagt nur das StrafR und das berücksichtigen wir besonders über
§ 823 II BGBiVm §§ 306 ff StGB. Es gibt aber eine zivilrechtliche (Haftungs-)Norm, die uns sagt, dass man zB bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung fremden Eigentums oder bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung von Leben/Körper/Gesundheit eines anderen zum
Schadensersatz verpflichtet ist - und das ist eben § 823 I BGB. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team