Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 1 BGB

Unverhältnismäßiges Eingreifen von Berufsrettern

Unverhältnismäßiges Eingreifen von Berufsrettern

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

N zündet das Haus seiner Tante T an. Als Berufsfeuerwehrmann F die Schreie der T hört, stürzt er völlig überhastet, ohne Absprache mit den Kollegen und ohne Atemluftgerät ins brennende Haus. F stirbt Minuten später infolge einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

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Einordnung des Falls

Unverhältnismäßiges Eingreifen von Berufsrettern

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N hat durch das Anzünden des Hauses eine kausale Verletzungshandlung für die Verletzung des Rechtsguts Leben des F gesetzt.

Ja!

Nach der Äquivalenztheorie ist jede Tatsache ursächlich für einen Schadenseintritt, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Rechtsgutsverletzung in ihrer konkreten Gestalt entfiele. Damit sind auch völlig unwahrscheinliche Geschehensabläufe umfasst. Würde man das Anzünden des Hauses hinwegdenken, so wäre F nicht zum Löschen in das Haus gerannt und wäre dort nicht durch die Kohlenmonoxid-Vergiftung umgekommen. Damit ist die Verletzungshandlung des N kausal für den Tod des F.
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2. N ist die Rechtsgutsverletzung des F auch adäquat-kausal zurechenbar.

Genau, so ist das!

Die Zurechnung umfasst die Adäquanz und den Schutzzweck der Norm. Nach der Adäquanztheorie sind solche Erfolge nicht zurechenbar, wenn der Geschehensablauf außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt. F ist als Teil der Berufsfeuerwehr zur Rettung von Personen verpflichtet. Damit ist das korrekte Eingreifen von Berufsrettern in der Brandlegung typischerweise angelegt. Dass es dabei zu einer Gesundheits- oder Lebensgefahr kommen kann, liegt damit nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit.

3. N ist die Rechtsgutsverletzung des F auch unter den Grundsätzen des Schutzzwecks der Norm zurechenbar.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach dem Schutzzweck der Norm wird die Zurechenbarkeit grundsätzlich durch eine freiwillige Entscheidung des Geschädigten unterbrochen. In Ausnahmefällen kommt jedoch ein Fall der psychisch vermittelten Kausalität in Betracht. Diese ist immer dann gegeben, wenn der Geschädigte vernünftigerweise zu seiner Entscheidung kommen konnte und die Selbstgefährdung nicht außer Verhältnis zu der Motivation steht. Grundsätzlich war F als Berufsretter zum Eingreifen verpflichtet. Er hat sich jedoch offensichtlich unvernünftig und unverhältnismäßig gefährdet. Diese Gefahr ist in der Brandlegung nicht begründet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Mr_Monsense

Mr_Monsense

9.12.2020, 19:45:39

M.E. ist die Frage nach der Adäquanz der Kausalität hier nicht so unproblematisch wie dargestellt. Ihr argumentiert, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass ein Feuerwehrmann bei der Rettung von Menschen aus einem brennenden Haus verletzt wird. Während das wohl richtig ist, habe ich Zweifel daran, ob es so wahrscheinlich ist, dass ein Feuerwehrmann, zumal ein Berufsfeuerwehrmann, sich so unvernünftig verhält, dass er wider besseren Wissens ohne Schutzausrüstung und Absprache in das Haus rennt, um zu retten. Vielmehr halte ich dies für ein Verhalten, mit dem man nicht rechnen kann (oder muss), sodass die haftungsbegründende Kausalität hier nicht erst beim

Schutzzweck der Norm

scheitert, sondern das Verhalten des N bzgl. der RGV des F schon nicht adäquat-kausal ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.10.2021, 11:26:52

Hallo Mr_Monsense, in der Tat könnte man hier Zweifel haben, ob man nicht bereits im Rahmen der Adäquanz rausfliegt. Wir haben den Fall dem OLG Stuttgart nachgebildet, das die Haftung jedenfalls mit Blick auf den Schutzzweck hat entfallen lassen. Andere Ansichten sind aber natürlich ebenfalls vertretbar (auch wenn das in unserer "stimmt"/"stimmt nicht" Abfrage nicht immer so gut zum Ausdruck kommt). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

17.7.2023, 06:58:20

Wann würde man den "

Schutzzweck der Norm

" bejahen?

Blan

Blan

23.8.2023, 05:58:20

Schutzzweck des §823 I BGB ist es, dass die Norm vor Verletzungen schützen will, die durch Dritte zugefügt wird. Dadurch dass F selbst in das Haus rennt, fügt er sich diesen Schaden aber selbst zu, sodass dies dann eigentlich nicht mehr vom

Schutzzweck der Norm

erfasst wäre. Ausnahmsweise ist dieses Verhalten aber dann einem Dritten zurechenbar, sofern der Dritte dieses mittelbar veranlasst hat, der andere Teil sich „herausgefordert fühlte“ und im Rahmen der Angemessenheit/Billigkeit handelte (Sich also auch in dem Rahmen „herausgefordert fühlen durfte“. (-) Ohne Schutzkleidung ins Haus rennen = Unangemessenes Verhalten des Selbstschädigers- daher keine Zurechnung (+) Mit Schutzkleidung ins Haus rennen = Angemessenes Verhalten des Selbstschädigers- daher Zurechnung (Wie der Fall davor)


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