Verlorene Gegenstände | innerhalb einer Gewahrsamssphäre


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A legt einen Umschlag mit 500 Euro auf seinen Schuhschrank. Als er dagegen stößt, rutscht der Umschlag hinter den Schuhschrank und bleibt dort verborgen. Bei einem Einbruch einige Monate später findet T den Umschlag und nimmt ihn mit.

Einordnung des Falls

Verlorene Gegenstände | innerhalb einer Gewahrsamssphäre

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hatte zum Zeitpunkt des Einbruchs „Gewahrsam“ an dem Umschlag.

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Genau, so ist das!

Gewahrsam ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Grenzen und Reichweite sich nach der Verkehrsanschauung bestimmen. Eine Beendigung des Gewahrsamsverhältnisses tritt mit dem Ende der Möglichkeit ein, die Sache zu beherrschen. Das Verlegen innerhalb einer Gewahrsamssphäre beseitigt den Gewahrsam nicht. Es gilt die Binsenweisheit: "Die Wohnung verliert nichts". Der Gewahrsam des A bestand also fort.

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FloPoPo

FloPoPo

21.4.2021, 23:48:44

Kann man von einem gelockerten Gewahrsam ausgehen?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

21.5.2021, 19:21:34

Ich würde sagen, eher nicht. Gelockerter Gewahrsam liegt in Fällen vor, in denen trotz räumlicher Entfernung des Inhabers von der Sache seine Einwirkung darauf im Rahmen des Sozialüblichen bestehen bleibt. Beispiel: Der Bauer lässt auf seinem Feld Geräte liegen oder der Wohnungs-/Hausinhaber fährt in den Urlaub und lässt Habseligkeiten in seinem Zuhause zurück. Mit anderen Worten kann man sagen, die Sachen verbleiben in der Sphäre des Gewahrsamsinhabers. Hier hat jedoch A stets (zumindest theoretisch) Zugriff auf den Umschlag. Es handelt sich ja um seine Wohnung, sodass der Mangels räumlicher Trennung kein gelockter Gewahrsam vor.

Isabell

Isabell

21.5.2021, 16:31:03

Gilt das unabhängig davon, ob der Gewahrsamsinhaber davon ausgeht, der Umschlag "wird hier schon irgendwo sein"?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

21.5.2021, 19:33:31

Ich würde sagen ja. Schließlich befinden sich nach der natürlichen Auffassung des täglichen Lebens auch solche Gegenstände in Gewahrsam, deren Aufenthaltsort dem Inhaber zwar nicht bekannt ist, die sich aber in einem generell - von ihm - beherrschten Raum befinden, innerhalb dessen er seinen Herrschaftswillen betätigen kann: so zB bei Sachen, die innerhalb eines Hauses verloren werden. Siehe Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 242 Rn. 26. (Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn ein anderer nach den konkreten Umständen eine den Rauminhaber zurückdrängende Gewalt ausüben kann. Das wäre bei Sachen der Fall, die so von dem Täter innerhalb fremder Räume versteckt werden, dass er ohne weiteres Zugang zu dem Versteck hat.)

Tigerwitsch

Tigerwitsch

21.5.2021, 19:42:05

Oder anders gesagt: „Die Wohnung verliert nichts.“ (vgl. Vogel, in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2010, § 242 Rn. 66 m.w.N. und insbesondere Verweis auf BGH, U. v. 05.06.1953 - AZ.: 2 StR 162/53)


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