+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T packt in einem Baumarkt eine Bohrmaschine in eine Kiste und versteckt diese Kiste sodann in einem von einem Gitterzaun umgebenen Außenbereich des Baumarkts, wo dieser Gartenmöbel ausstellt. T plant, den Zaun in der kommenden Nacht zu überqueren und die Kiste herauszuholen. An der Kasse hält Ladendetektiv L den T jedoch fest. L hatte die Aktion beobachtet.

Einordnung des Falls

Verstecken in Sphäre des Eigentümers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T die Kiste im Außenbereich des Baumarkts versteckt hat, hat er „neuen Gewahrsam begründet“.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Der Gewahrsamserwerber muss die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangen. Auch dies bestimmt sich maßgeblich nach der Verkehrsanschauung. Entscheidend ist, ob der Erwerber die Herrschaft ungehindert durch den früheren Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Die Kiste befand sich weiterhin in der Gewahrsamssphäre des Baumarkthinhabers. Die Schaffung einer Gewahrsamsenklave kann nicht angenommen werden. Zudem hatte T keinen freien, ungehinderten Zugang zu dem Versteck, sodass auch keine mit einem Tabubereich vergleichbare Situation geschaffen wurde.

2. T hat zu einem Diebstahl unmittelbar angesetzt (§ 242 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

T hatte Tatentschluss. Der Täter setzt unmittelbar zur Tat an, wenn er subjektiv die Schwelle zum "Jetzt geht's los" überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die nach seiner Vorstellung von der Tat ohne wesentliche Zwischenschritte den Erfolg herbeiführen und das bedrohte Rechtsgut bereits konkret gefährden. Zur Wegnahme sind hier noch wesentliche Zwischenschritte erforderlich (bis zur Nacht warten, den Zaun übersteigen und die Kiste herausholen). Um auf die im Machtbereich des Baumarktbetreibers versteckte Kiste zuzugreifen, muss T fremdes Hausrecht verletzen mit der Gefahr, entdeckt zu werden. Der Ausübung der Sachherrschaft stehen noch wesentliche Hindernisse im Wege.

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Tigerwitsch

Tigerwitsch

31.1.2021, 14:33:02

Wie hat sich T denn dann strafbar gemacht? Versuchte Unterschlagung?

Vulpes

Vulpes

31.1.2021, 15:12:46

Der Tatplan umfasst eine Unterschlagung der Sache, aber das unmittelbare Ansetzen wäre m.M.n. zu verneinen. Zwischen dem Verstecken der Sache und dem nächtlichen Abholen der Sache liegen noch einige wesentliche Zwischenschritte zur Vollendung (wohl auch anders vertretbar). Ich würde zu keiner Strafbarkeit des T kommen.

Isabell

Isabell

9.3.2021, 11:24:07

Darf dann aber überhaupt der Ladendetektiv handeln?

Real Thomas Fischer Fake 🐳

Real Thomas Fischer Fake 🐳

9.3.2021, 11:34:00

Was würde als Rechtfertigung für das Festhalten in Betracht kommen? Wohl nur § 229 BGB und § 127 I StPO. Beides ist mMn nicht anwendbar.

FML

FML

10.3.2021, 18:11:43

Wäre die Frage inwieweit das Festhalten durch den Ladendetektiv konkret ausgeführt wurde und ob hierbei die Schwelle zur Straftat überschritten ist oder ob es „nur“ zur Durchsetzung des Hausrechts angewandt wurde. Da ist mir der SV zu dünn.

Real Thomas Fischer Fake 🐳

Real Thomas Fischer Fake 🐳

10.3.2021, 18:17:13

Also zumindest eine Nötigung wird bei lebensnaher Auslegung schon vorliegen, wenn von "festhalten" gesprochen wird. Und das erstmal anzunehmen, darauf zielt die Frage der Threaderstellerin wohl auch ab. :)

FML

FML

10.3.2021, 20:09:50

Also gerade bei einer lebensnahen Auslegung fehlt mir für eine Nötigung die Verwerflichkeit gem. 240 II StGB. Jedoch hätte ich auch keine Probleme den Ladendetektiv, sollte er einen Straftatbestand erfüllt haben, nach 127 I StPO als gerechtfertigt anzusehen, wenn man einen dringenden Tatverdacht genügen lässt. But you do you 🤷🏼‍♀️

Isabell

Isabell

10.3.2021, 20:43:38

Richtig 😊


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