Zivilrecht

Kaufrecht

Sach- und Rechtsmängel

Rechtsmangel: Öffentlich-rechtliche Beschränkungen – Gesetzliche Nutzungsbeschränkung

Rechtsmangel: Öffentlich-rechtliche Beschränkungen – Gesetzliche Nutzungsbeschränkung

20. Mai 2025

8 Kommentare

4,7(13.537 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von seiner Gemeinde ein Grundstück. Nach Auflassung und Eintragung des Eigentümerwechsels erfährt er jedoch, dass ein Großteil des Grundstücks der Widmung als öffentliches Straßenland unterliegt.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Rechtsmangel: Öffentlich-rechtliche Beschränkungen – Gesetzliche Nutzungsbeschränkung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Rechtsmangel im Sinne des § 435 BGB kann sich aus einer öffentlich-rechtlichen Beschränkung ergeben.

Ja, in der Tat!

Ein Rechtsmangel nach § 435 BGB besteht, sobald Dritte in Bezug auf die Kaufsache Rechte gegen den Käufer geltend machen können; das reine Bestehen eines Rechtsmangels ist also ausreichend. Rechtsmängel können sich sowohl aus privatrechtlichen Rechten Dritter als auch aus öffentlich-rechtlichen Beschränkungen ergeben. Die privatrechtlichen Rechte Dritter ergeben sich aus § 435 BGB: Bestehende dingliche Belastungen der Kaufsache, Obligatorische Rechte und Beschränkungen durch Urheberrechte oder gewerbliche Schutzrechte. Rechtsmängel durch öffentlich-rechtliche Beschränkungen können gewerbliche Nutzungsbeschränkungen oder nicht bestehende Buchrechte sein (§ 435 S. 2 BGB). Im Gegensatz zum Sachmangel nach § 434 BGB kommt es beim Rechtsmangel nicht auf den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs an, sondern auf den des Eigentumserwerbs.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Bei der Widmung als öffentliche Straße handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Beschränkung.

Ja!

Bei der Widmung als öffentliche Straße handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Beschränkung. K muss den Gemeingebrauch dulden und kann andere nicht nach Belieben von jeder Einwirkung auf das Grundstück ausschließen.

3. Die Widmung als öffentliche Straße stellt einen Rechtsmangel im Sinne des § 435 BGB dar.

Genau, so ist das!

Die Widmung als öffentliche Straße führt zum (Teil-)Entzug des Besitzes des K am Grundstück, daher liegt ein Rechtsmangel vor. Grundsätzlich stellen alle öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, die den Entzug des Besitzes oder des Eigentums begründen, einen Rechtsmangel im Sinne des § 435 BGB dar.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jonah

Jonah

12.6.2023, 12:06:16

Liebes Team, kann der K hier nach 119 I, II BGB anfechten oder seine Rechte nur nach 437 BGB geltend machen? Vielen Dank.

BI

Bilbo

7.8.2023, 19:18:22

Das interessiert mich ebenfalls @[Nora Mommsen](178057) :)

SAB

Sascha B.

30.8.2023, 18:01:56

@[Jonah](35257) Kommt auf die Umstände des Einzelfalles an, aber u. U. ja. So das OLG Hamm: " Nach den Umständen des Einzelfalls muss sich die ein Grundstück veräußernde Gemeinde im Rahmen der Frage, ob sie arglistig gehandelt hat (§ 438 III S. 1 BGB), den Inhalt ihrer Widmungskartei, die von einem anderen als den mit dem Verkauf befassten Fachbereich geführt wird, nicht zurechnen lassen." Siehe OLG Hamm NJW-RR 2016, 1253

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

24.2.2025, 14:05:53

Hallo @[Jonah](197616), vorab in aller Kürze: tendenziell nur die Rechte nach § 437 BGB, aber str. Deine Frage läuft letztlich auf die Frage der Abgrenzung zwischen Sachmängelgewährleistungsrechten und dem Anfechtungsrecht nach § 119 BGB hinaus. In den Einzelheiten ist das eine sehr umstrittene Frage, insbesondere für die Frage der Anfechtung nach § 119 II BGB (wobei wir uns noch kurz näher anschauen müssten, ob die Widmung als öffentliche Straße eine

verkehrswesentliche Eigenschaft

ist), die den Rahmen eines Forumsposts leider sprengen würde. Ich würde Dich und auch @[Bilbo](210205) deshalb dazu zB auf MüKoBGB/Maultzsch, 9. Aufl 2024, § 437 Rn 80 ff oder ein ordentliches Lehrbuch zum

Schuld

R/KaufR verweisen, wo das allgemein näher erläutert wird. Falls Ihr dann noch konkrete Fragen habt, können wir darüber natürlich gerne sprechen. Und zu Deinem Beitrag, @[Sascha B.](158832): Das ist richtig, bezieht sich allerdings nur auf das arglistige Verschweigen nach § 438 III BGB bzw höchstens noch eine

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

nach

§ 123 BGB

, nach der Jonah nicht gefragt hatte. Für die

arglistige Täuschung

nach

§ 123 BGB

ist auch das Verhältnis zu §§ 434 ff BGB unproblematisch:

§ 123 BGB

bleibt neben §§ 434 ff BGB anwendbar, weil der Täuschende nicht schutzwürdig ist (MüKoBGB/Maultzsch, 9. Aufl 2024, § 437 Rn 83). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

BI

Bilbo

26.2.2025, 11:42:00

Danke für Antwort und Empfehlung @[Sebastian Schmitt](263562)

Steinfan

Steinfan

13.5.2024, 18:31:12

Eine öffentlich-rechtliche Beschränkung kann ja auch einen Sachmangel begründen. Die Abgrenzung erfolgt meines Wissens danach, ob das Drittrecht in der

Beschaffenheit

der Sache wurzelt (dann Sachmangel und kein Rechtsmängel). Im Urteil sehe ich hierzu keine Auseinandersetzung. Warum genau liegt hier nach diesem Maßstab kein Sachmangel vor? LG

Juraddicted

Juraddicted

19.9.2024, 13:01:25

Das habe ich mich auch gefragt liebes Jurafuchs-Team :)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

24.2.2025, 13:38:27

Hallo @[Steinfan](235363), hallo @[Juraddicted](96780), die Abgrenzung lässt sich im Kern tatsächlich ganz gut darauf herunterbrechen, was Steinfan gesagt hat. Das OLG Hamm argumentierte in der unserem Fall zugrunde liegenden Entscheidungen allerdings etwas komplexer, konkret mit dem Vergleich zwischen der Widmung als öffentliche Straße (nach dem OLG ein

Rechtsmangel

) und einer öffentlich-rechtlichen Baubeschränkung (nach dem OLG ein Sachmangel): "Auch wenn es sich bei der Widmung als öffentliche Straße ebenfalls um eine auf dem öffentlichen Recht beruhende Beschränkung handelt, unterliegt sie einer anderen rechtlichen Bewertung als eine Baulast: Zu berücksichtigen ist nämlich, dass dem Eigentümer in der ersten Fallkonstellation kraft der bestehenden öffentlich-rechtlichen Bindung in deren Umfang das Grundstückseigentum selbst entzogen werden kann: § 11 I StrWG NRW sieht vor, dass der Träger der Straßenbaulast „das Eigentum an den der Straße dienenden Grundstücken erwerben soll“. Für den Fall, dass kein freihändiger Erwerb eines bereits für die Straße in Anspruch genommenen Grundstücks möglich ist, sehen § 11 Absatz III 1 StrWG NRW, § 2 I Nr. 1 EEG NRW bzw. § 42 StrWG NRW die Möglichkeit der Enteignung vor. Diese „Belastung“ eines Grundstücks mit einer Enteignungsmöglichkeit stellt insofern einen Rechtmangel dar, als der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte [...]." (OLG Hamm, NJW-RR 2016, 1253, 1256, Rn 72) Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community