Verteidiger 2 – Unabhängiger Beistand, (Beratung bei der) Lüge vor Gericht


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Klassisches Klausurproblem

Der Angeklagte A weist seinen Verteidiger V an, Beschwerde gegen eine Entscheidung des Richters einzulegen. V hält dies für aussichtslos. Stattdessen will er lieber lügen und in der Hauptverhandlung vortragen, der A habe sich in einer Notwehrsituation befunden.

Einordnung des Falls

Verteidiger 2 – Unabhängiger Beistand, (Beratung bei der) Lüge vor Gericht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V ist an die Weisung des A gebunden.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Verteidiger ist als Rechtsanwalt ein unabhängiges und gleichgeordnetes Organ der Rechtpflege (§ 1 BRAO). Er ist kein weisungsgebundener Vertreter, sondern Beistand des Beschuldigten und dient auch dem öffentlichen Interesse. Der Verteidiger ist von seinem Mandanten unabhängig und handelt aus eigenem Recht. Er kann für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Aufgabe auch gegen den Willen des Beschuldigten tätig werden. der Beschuldigte kann den Verteidiger daher nicht zwingen, einen Rechtsbehelf einzulegen. V ist als Beistand von A unabhängig und nicht an dessen Weisung gebunden.

2. V darf vor Gericht lügen.

Nein!

Der Verteidiger ist als Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtpflege (§ 1 BRAO). Als Organ der Rechtspflege hat der Verteidiger eine Wahrheitspflicht. Er darf nur vortragen, was auch der Wahrheit der entspricht und die Interessen seines Mandanten nicht auf Kosten der Wahrheit durchsetzen. Der Verteidiger hat kein Recht zur Lüge und darf auch nicht durch die aktive Verdunkelung und Verzerrung des Sachverhalts die Wahrheitserforschung erschweren oder Beweisquellen verfälschen. Zulässig ist es aber, dem Beschuldigten den Rat zu erteilen zu schweigen. V darf wegen seiner Wahrheitspflicht nicht lügen.

3. V darf A empfehlen, selbst zu lügen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Macht der Angeklagte von seiner Freiheit, zur Sache auszusagen, Gebrauch, unterliegt er nicht der Wahrheitspflicht; er hat ein Recht zu lügen. Der Verteidiger darf jedoch nicht zur Lüge raten und auch nicht zu einer Lüge beraten, indem er die unwahre Einlassung des Angeklagten wesentlich mitgestaltet, also beim Erfinden oder bei der Absprache der Lüge mitwirkt. Dann macht sich der Verteidiger selbst wegen Strafvereitelung strafbar (§ 258 StGB). V darf A nicht zur Lüge raten.

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JO

Jose

26.1.2022, 12:23:27

Heißt das, die ganzen Aussagedelikte beziehen sich nie auf den Angeklagten?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.1.2022, 12:30:15

Hallo Jose, zumindest eine Strafbarkeit nach den §§ 153 ff. StGB scheidet bereits tatbestandlich aus (Zeuge/Sachverständiger). Strafbar bleibt indes die falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) bzw. das Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Theo

Theo

18.3.2023, 15:00:48

Wenn der Verteidiger lediglich dem Mandanten zur Lüge rät, ohne diese irgendwie mitzugestalten, wäre das nicht eine (straflose) Anstiftung zu einer straffreien Haupttat wegen 258 IV StGB?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.3.2023, 14:13:10

Hallo Theo, es ist zu differenzieren. Grundsätzlich tatbestandsmäßig ist nur die zugunsten einer anderen Person geleistete Strafvereitelung. Der bloße Selbstschutz wird vom Tatbestand demgegenüber - wie du richtig erkannt hast - nicht erfasst. Entsprechend straflos sind auch solche Handlungen, die den Selbstschutz eines anderen lediglich unterstützen, sei dies als Anstiftung, sei dies als Beihilfe oder sei dies in Form von Strafverteidigungshandlungen. Bei der rechtlichen Beurteilung von Strafverteidigungshandlungen sind Besonderheiten zu beachten.Die in Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Aufgabe und Pflicht geleistete Verteidigungstätigkeit ist von vornherein nicht tatbestandsmäßig. Die Ausübung prozessualer Handlungen durch die Verteidigung ist also danach zu beurteilen, ob sie sich im Rahmen des prozessual zulässigen bewegt. Wird der in der Strafprozessordnung gesetzlich geregelte Rahmen der Verteidigungstätigkeit hingegen im Sinne von Missbrauch überschritten, so kommt Strafvereitelung grundsätzlich in Betracht. Damit kommen wir zur eigentlichen Frage: Es ist zu differenzieren, ob der straflose Selbstschutz des Mandanten in bloß untergeordneter Rolle (durch Rat und Tat) unterstützt wird oder ob der Verteidiger in Vertretung des Mandanten oder durch Führung des Mandats bzw. Bestimmung des Mandanten das Geschehen in einer Weise prägt, dass ihm dieses in Täterschaft zuzurechnen ist. Eine Anstiftung zur Lüge, kann also eine täterschaftliche Strafvereitelung darstellen. Von einer tauglichen Tathandlung wäre daher auch auszugehen, wenn der Verteidiger zum Nachteil der Wahrheit auf den Inhalt von (Zeugen-)Aussagen manipulierenden Einfluss nimmt. Das Prozessrecht gewährt die Verteidigungsbefugnisse lediglich zur Ermöglichung eines prozesskonformen bzw. prozessadäquaten Gebrauchs und nicht als Selbstzweck. Insofern ist dann auch das anwaltliche Berufs- und Standesrecht bedeutsam. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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