Schriftform: Problem Telefax

21. November 2024

4,7(8.387 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Hobby-Köchin K möchte sich eine neue Küchenmaschine bei V zum Preis von €1.000 kaufen. Da K nicht ausreichend liquide ist, bittet sie die B, sich für die Verbindlichkeit zu verbürgen. B erklärt per Fax die Übernahme der Bürgschaft für die Kaufpreiszahlung in Höhe von €1.000. K wird zahlungsunfähig. V möchte B in Anspruch nehmen. B hat bisher noch nicht gezahlt.

Diesen Fall lösen 79,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Schriftform: Problem Telefax

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Erklärung des Bürgen ist formfrei möglich.

Nein!

Für die Willenserklärung des Bürgen gerichtet auf den Abschluss eines Bürgschaftsvertrages ist ein Schriftformerfordernis vorgesehen (§ 766 S. 1 BGB). Wird die Schriftform nicht gewahrt, so ist die Willenserklärung des Bürgen als nichtig anzusehen (§ 125 S. 1 BGB). Die Erklärung des B bedarf der Schriftform (§ 766 S. 1 BGB). Die Annahme der Erklärung durch den Gläubiger V ist hingegen formfrei.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Anforderungen an die Form richten sich nach § 126 Abs. 1 BGB.

Genau, so ist das!

Erforderlich ist eine Ausstellung und eigenhändige Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung. Alternativ kann eine Unterzeichnung durch notariell beglaubigtes Handzeichen erfolgen. Die Unterschrift muss unter der Bürgschaftserklärung erfolgen und damit den Abschluss des Urkundentextes darstellen. Das Fax müsste eine eigenhändige Unterschrift beinhalten.

3. Das Fax wahrt die Anforderungen an die Eigenhändigkeit.

Nein, das trifft nicht zu!

Eigenhändigkeit ist gleichzusetzen mit handschriftlich. Nicht ausreichend sind daher Stempel oder maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens. Eine eingescannte und ausgedruckte Unterschrift genügt nicht den Anforderungen an die Eigenhändigkeit. Der Ausdruck des Faxes enthält nicht die originale eigenhändige Unterschrift des B und genügt damit nicht den Formanforderungen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ON

onlyjura

20.6.2024, 11:17:46

Ein Fax oder Scan betrifft doch nur die Übermittlung der Erklärung. Sie kommt dann zwar nicht im Original an. Allerdings ändert das nichts daran, dass die Erklärung handschriftlich erstellt werden konnte. Ohne ein solches Original könnte ich auch nichts faxen oder scannen (es gibt dann nämlich keine Erklärung).

BL

Blotgrim

29.6.2024, 08:16:10

Das wiederlegt dein Argument zwar nur teilweise, aber der Gläubiger muss die Erklärung zumindest vorübergehend im Original im Besitz haben. Brox/Walker sagt dazu (§33 RN.19): "Die schriftliche Erklärung muss "erteilt" sein. Erteilung ist die Entäußerung der Originalurkunde. Dazu genügt nicht die Unterzeichnung des

Schriftstück

s; vielmehr ist es erforderlich, dass diese dem dem Gläubiger - wenn auch nur vorübergehend - zur Verfügung gestellt wird. Deshalb ist die Übermittlung des Urkundeninhalts an den Gläubiger durch Telefax nicht als schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung iSd § 766 S.1 anzusehen " Das Problem ist hier also, dass dem Gläubiger hier nie die originale Urkunde zur Verfügung gestellt wird.

Simon

Simon

1.8.2024, 15:21:41

§ 766 BGB

spricht von der schriftlichen Erteilung der Bürgschaftserklärung. Diese ist eine empfangsbedürftige WE, welche nach § 130 I 1 BGB mit Zugang beim Empfänger wirksam wird. Gerade die dem Gläubiger zugehende Erklärung muss daher den Formanforderungen der § 766 S. 1, 126 I BGB genügen, da erst in diesem Zeitpunkt eine wirksame WE vorliegt. Mittelbar kann man auf § 126 II BGB abstellen, wo die Unterschriften auf derselben Urkunde erfolgen müssen, was nur möglich ist, wenn das dem Empfänger zugehende Exemplar eigenhändig unterschrieben ist. Auch lässt sich das aus einem Umkehrschluss zu § 127 II 1 BGB entnehmen, der eine telekommunikative Übermittlung (z.B. durch Telefax) genügen lässt. Ob das teleologisch vor dem Hintergrund der Warnfunktion des Bürgen gerechtfertigt ist, lässt sich m.E. aber durchaus bezweifeln.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

18.9.2024, 13:42:57

Hallo @[onlyjura](188741), @[Blotgrim](167544) und vor allem @[Simon](131793) haben Deine Frage schon sehr schön beantwortet. Mit den Argumenten von Simon lässt sich die Antwort sogar mittelbar der Systematik des Gesetzes entnehmen. Jedenfalls nach dem BGH reicht die von Dir genannte Variante also nicht, sondern es muss tatsächlich die Urkunde mit der Unterschrift selbst auch dem Erklärungsempfänger zugehen (konkret für die Bürgschaftsurkunde BGH NJW 1993, 1126, 1127). Das gilt jedenfalls dann, wenn mit der Form eine Warnfunktion verfolgt wird, wie es bei §§ 766 S 1, 126 BGB der Fall ist (näher MüKo-BGB/Einsele, 9. Aufl 2021, § 126 Rn 21). Ob das rechtspolitisch mehr als 30 Jahre nach der Entscheidung des BGH noch zeitgemäß und sinnvoll ist, kann man natürlich bezweifeln. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen