Heilung, § 766 S. 3 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Kirmesbetreiberin K kauft sich bei V ein neues Riesenrad für €1 Million. Zur Sicherheit sollte eine Bürgschaft bestellt werden. B und V einigen sich mündlich über den Inhalt eines Bürgschaftsvertrages. Als K zahlungsunfähig wird, nimmt V die B in Anspruch. B steht für die €1 Million ein und zahlt den Betrag an V.
Einordnung des Falls
Heilung, § 766 S. 3 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch die mündliche Vereinbarung zwischen B und V ist grundsätzlich ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zustande gekommen.
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Nein!
2. Die Zahlung der B führt dazu, dass der Formverstoß unbeachtlich wird (§ 766 S. 3 BGB).
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Genau, so ist das!
3. B erfüllt die Kaufpreisverbindlichkeit des K gegenüber V (§ 433 Abs. 2 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
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Sartorius
20.12.2021, 14:56:34
Warum ist bei zwei Kaufleuten die Schriftform erforderlich und § 350 HGB kommt nicht zur Anwendung?
Lukas_Mengestu
21.12.2021, 09:01:41
Hallo Sartorius, sehr guter Gedanke. § 350 HGB setzt indes voraus, dass es sich bei der Bürgschaft um ein (zumindest einseitiges) Handelsgeschäft des Bürgen handelt. Der Versprechende muss also Kaufmann sein (vgl. Lehmann-Richter, in: BeckOK-HGB, 34. Ed. 15.10.2021, § 350 RdNr 1). Da es zu B insoweit aber keinerlei Hinweise im Sachverhalt gibt, kann man hier nicht ohne weiteres unterstellen, dass es sich bei B um einen Kaufmann handelt. Aus diesem Grund kommt § 350 HGB nicht zur Anwendung. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team
jomolino
26.1.2022, 14:58:00
Wie kommt es dass er nicht auf die Hauptforderung leistet, und diese trotzdem erfüllt wird? Dann lautet die Tilgungsbestimmung ja eigentlich auf beide Verbindlichkeiten oder?
Lukas_Mengestu
27.1.2022, 19:34:55
Vielen Dank für die Frage, nomamo! Der Wortlaut des § 766 S. 3 BGB ist an dieser Stelle missglückt. Nicht die Hauptverbindlichkeit, sondern die eigene Bürgschaftsschuld muss erfüllt werden (Habersack, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 766 RdNr. 29; Staudinger, in: Schulze-BGB, § 766 RdNr. 5). Dies ergibt sich auch aus der Systematik: Leistet der Bürge auf die Bürgschaftsforderung, so geht die Hauptverbindlichkeit (hier: Kaufpreisforderung) im Rahmen des gesetzlichen Forderungsübergangs über (§ 774 Abs. 1 BGB). Der Bürge hat regelmäßig kein Interesse, dass diese Hauptverbindlichkeit erfüllt wird und damit nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt. Vielmehr wird er selbst neuer Gläubiger des Schuldners. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team