Gebrauchtwagenhändler
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V lässt seinen Gebrauchtwagen über den Gebrauchtwagenhändler G als Vermittler an K verkaufen (sog. Agenturgeschäft). Dabei macht G "ins Blaue hinein“ falsche Angaben zur Unfallfreiheit des PKW. Aufgrund eines Unfallschadens ist das Auto weniger Wert.
Einordnung des Falls
Gebrauchtwagenhändler
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da G nicht Vertragspartei ist, scheiden vertragliche und quasi-vertragliche Ansprüche des K gegen G aus.
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Nein, das trifft nicht zu!
2. G ist Sachwalter. Zwischen G und K besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 3 BGB).
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Ja!
3. K hat gegen G einen Schadenersatzanspruch aus cic (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB).
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Genau, so ist das!
4. K hat gegen G einen deliktischen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.
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Nein, das trifft nicht zu!
5. K kann den Kaufvertrag mit V wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).
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Ja!
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Tr(u)mpeltier
4.2.2020, 17:48:00
Ich hätte grds. zur Verwendung des Begriffes vorvertragliches schuldverhältnis bzw c.i.c. Im gesamten Kapitel eine Frage. Vielleicht liege ich ja falsch und gehe von einem falschen begriffsverständnis aus, aber nach meinem Kenntnisstand wurde die von der Rspr. entwickelte Figur der cic im Zusammenhang mit der Schuldrechtsmodernisierung nur in 311 Abs 2 kodifiziert. Die in Abs. 3 u.a. geregelteSachwalterhaftung hat damit nur entfernt etwas zu tun. Sie dehnt die Haftung im Vergleich zur cic nicht in zeitlicher, sondern vor allem in personeller Sicht aus. Insoweit halte ich es für irreführend bzw falsch, bei 311 abs 3 mit den Begriffen cic oder vorvertragliches schuldverhältnis zu arbeiten.

Eigentum verpflichtet 🏔️
16.7.2020, 10:38:37
Hallo Trumpeltier, da die Haftung nach 311 III auch zeitlich vor Vertragsabschluss begründet wird, handelt es sich dabei auch um einen Fall der cic (vgl. Palandt-Grüneberg, 74. Aufl., 311 Rn. 60), die sogenannte "Dritt-culpa".
Ihering92
15.4.2020, 13:46:13
Der Sachverhalt gibt nicht her, ob V die Täuschung kannte oder kennen musste (123 II BGB)..

Dennis Kostak
20.6.2020, 20:41:03
V ist hier wohl der Halter des zu verkaufenden PKW. Also kann man sich denken, dass er über den Unfallschaden seines eigenen Fahrzeugs Kenntnis hat. =)

Eigentum verpflichtet 🏔️
16.7.2020, 10:32:23
Hallo ihr beiden, danke für die Kommentare. Ganz wichtig - bitte beachtet, dass Dritter iSd § 123 II BGB nur jeder am Vertragsschluss gänzlich Unbeteiligte ist. Als Verkaufsvermittler steht G im Lager des V und ist gerade nicht Dritter. Die Täuschung des G wird V daher wie eine eigene zugerechnet! Der Anfechtungsgrund ist daher auch 123 I (NICHT II) BGB! Wir haben das, weil das sehr wichtig ist auch noch einmal zur Verdeutlichung in der letzten Antwort ausgeführt.
Lalala
27.7.2020, 19:26:22
Wäre hier eine Haftung des G aus §831 BGB möglich?

Eigentum verpflichtet 🏔️
28.7.2020, 17:46:58
Hallo Lalala164, danke für die gute Frage! Die Haftung nach § 831 BGB erfordert einen Verrichtungsgehilfe. Dies ist eine Person, die für einen Geschäftsherren in dessen Interesse tätig wird und abhängig von dessen Weisungen ist. Zwar könnte man hier daran denken, weil der Verkäufer sicher dem Vermittler einzelne (An)weisungen erteilt hat. Allerdings umfasst die Haftung nach 831 BGB nur die weisungsgebundenen Beschäftigung, mit einer gewissen Abhängigkeit. Klassischerweise der Arbeitnehmer. Bei einem Agenturgeschäft ist dies nicht anzunehmen.
gelöscht
21.8.2020, 01:45:07
Es wäre noch ein Hinweis möglich, dass K auch gegen V über die c.i.c. vorgehen und so eine Vertragsaufhebung verlangen kann, da PV und Verschulden des G dem V über 278 BGB zugerechnet werden.

Eigentum verpflichtet 🏔️
21.8.2020, 12:44:56
Hallo 18 Punkte Kandidat, danke für den Kommentar. Verstehe ich das richtig? Du würdest den Verkäufer V hier aus cic § 311 II BGB dem Käufer K gegenüber haften lassen, wegen eines Verschuldens des G. Du begründest das damit, dass G Erfüllungsgehilfe des V sei und deswegen sein Verschulden dem V zugerechnet werden soll. Stimmt das?
gelöscht
21.8.2020, 13:21:31
Ja genau. Wenn der G die Vertragsverhandlungen für den V führt, dann wird er mit Wissen und wollen im Pflichtenkreis des V aus dem vorvertraglichen SV mit Pflichten nach 241 II tätig und verletzt diese durch das ins Blaue hinein raten.

Ira
3.11.2020, 15:17:39
Hier wieder wie bei der vorherigen Frage.. Antworten des Moderators nicht zufriedenstellend
QuiGonTim
25.7.2022, 19:09:08
Könnte man G hier auch als Procurator in rem suam sehen? Als Vermittler hat er doch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Verkauf des Fahrzeugs.

Nora Mommsen
11.8.2022, 11:31:59
Hallo QuiGonTim, ein eigenes wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 311 b Abs. 3 BGB ist nicht lediglich irgendein wirtschaftlicher Vorteil. Dies beschränkt sich auf auf Ausnahmefälle, in denen der Dritte bei den Verhandlungen im Grunde in eigener Sache tätig wird, etwa, weil er von vornherein die Absicht hat, die Gegenleistung des anderen Teils nicht an den Vertretenen weiterzuleiten, sondern für eigene Zwecke zu verwenden. Ein lediglich mittelbares wirtschaftliches Interesse, etwa in Gestalt von Provisionen oder Gewinnen der vertretenen Gesellschaft, reicht dagegen nicht aus. Daher scheidet G hier als procurator in rem suam aus. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Burumar🐸
30.10.2022, 12:59:27
Warum ist G hier nicht Erfüllungsgehilfe?

CR7
5.4.2023, 18:11:44
Wer sagt, dass er es nicht ist? :) G ist Erfüllungsgehilfe des V, da dieser für den V in seinem Pflichtkreis mit Wissen und Wollen tätig ist. Die Frage des Erfüllungsgehilfen ist jedoch nur für die Zurechnung von Verschulden relevant: Wenn V nicht wusste, dass der Wagen einen Unfallwagen hat und G bspw. garantiert, dass der Wagen unfallfrei ist, dann liegt hier eine (verschuldensunabhängige Garantiezusage, § 276 I S. 1 Hs. 2 BGB) vor und die Willenserklärung wird dem V zugerechnet. Aber zugleich besteht *neben* dem Anspruch K gegen V ein Anspruch K gegen G, weil dieser *nicht* auf die Schutzgüter des K Rücksicht genommen hat (§ 241 II) und derart viel Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat und ein wirtschaftliches Intersse am Vertragsschluss hatte (§ 311 III), dass dieser eigentständig aus c.i.c. hierfür haftet. K darf das Geld nicht zweimal bekommen, so dass K und G nach § 840 BGB analog als Gesamtschuldner haften.