Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2019
Befangenheit wegen Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren – Causa Harbarth
Befangenheit wegen Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren – Causa Harbarth
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Im Normenkontrollverfahren gegen Art. 13 Abs. 3 EGBGB erklärt Richter H, er war in seiner früheren Funktion als MdB und stellv. Fraktionsvorsitzender intensiv in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden und habe sich dabei mehrfach für das Gesetz ausgesprochen. Ist H befangen?
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Befangenheit wegen Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren – Causa Harbarth
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Bundesverfassungsrichter kann entweder kraft Gesetzes (§ 18 BVerfGG) oder wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 19 BVerfGG) von der Ausübung seines Richteramts ausgeschlossen sein.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. H ist vorliegend von der Ausübung seines Amts ausgeschlossen, da er „in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist“ (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG).
Nein, das trifft nicht zu!
3. Äußert ein Verfassungsrichter selbst Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit, entscheidet der zuständige Senat über dessen Befangenheit (§ 19 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BVerfGG).
Ja!
4. Die Besorgnis der Befangenheit (§ 19 BVerfGG) setzt das Bestehen tatsächlicher Anhaltspunkte voraus, die belegen, dass der Richter parteiisch ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Zweifel an der Unvoreingenommenheit eines Richters liegen vor, wenn ein Eindruck der Vorfestlegung zu den im anhängigen Verfahren relevanten Rechtsfragen besteht.
Ja, in der Tat!
6. Die Beteiligung des H am Gesetzgebungsverfahren ist grundsätzlich geeignet, die Besorgnis der Befangenheit (§ 19 BVerfGG) zu begründen.
Nein!
7. Sein früheres Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender begründet einen Umstand, der geeignet ist, Zweifel an der Neutralität des H zu begründen.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Das öffentliche Werben eines Richters für eine Gesetzesänderung ist grundsätzlich geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Ja, in der Tat!
9. Hat ein Richter sein früheres Werben für eine Gesetzesänderung vor allem rechtspolitisch und nicht verfassungsrechtlich begründet, fehlt es an einer Vorfestlegung.
Ja!
10. H ist wegen der Besorgnis der Befangenheit von der Ausübung seines Richteramts ausgeschlossen (§ 19 BVerfGG).
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
A.Law
28.12.2022, 20:21:20
Kann mir jemand den Unterschied zwischen "rechtspolitisch" und "verfassungsrechtlich" erklären und wie es somit zu dem anderen Urteil zu §217 kam?
Nora Mommsen
3.1.2023, 15:37:49
Hallo A.Law, danke für deine Frage. Verfassungsrechtlich zu argumentieren meint z.B. mit den Grundrechten, einer anderen Gewichtung oder geänderten Kompetenzen im Grundgesetz die Gesetzesänderung zu begründen. Wer rechtspolitisch argumentiert kann aus allerlei Gründen motiviert sein - entweder entspricht die Gesetzesänderung einem aktuellen Trend (wie z.B. Regelungen über E-Roller, die mehr und mehr Innenstädte blockieren) oder erfolgt mit dem Ziel sich die Gunst des Wählers zu erhalten. Die Gesetzesänderung kann erfolgen ohne in irgendeiner Weise verfassungsrechtlich indiziert zu sein. Dort ist der Unterschied. Rechtspolitische Erwägungen sind dem Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen fremd, sodass diese keine Rolle spielen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team