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Klassisches Klausurproblem

M möchte ihren gebrauchten Trekking-Rucksack verkaufen und bietet ihn A für €50 an. A schickt M um 1.30 Uhr nachts eine E-Mail, dass er den Rucksack für €50 kauft. Das E-Mail-Programm der M zeigt den Posteingang um 1.40 Uhr an.

Einordnung des Falls

Zugang einer E-Mail

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die per E-Mail versandte Annahmeerklärung des A ist wirksam geworden, als sie sich um 1.40 Uhr abrufbereit im E-Mail-Posteingang der M befunden hat.

Nein!

Empfangsbedürftige WE werden wirksam mit Zugang (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Zugang (Phase 3) liegt bei verkörperten WE vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.E-Mails sind in den Machtbereich des Empfängers gelangt, wenn sie abrufbereit in dessen Mailbox („elektronischer Briefkasten“) gespeichert sind. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht hier rund um die Uhr. Zu rechnen ist mit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen aber nicht nachts zur Unzeit, sondern im Laufe des nächsten Vormittags. Die Annahme ist trotz Eingang in das E-Mail-Postfach nicht wirksam geworden.

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CAR

Carlos

30.12.2019, 17:27:46

In den vorigen Fällen kam es immer auf den Zugang an. Das ist auch mit der Rspr. begründet: Erklärung+Abgabe+Zugang = wirksam. Was ist hier der Unterschied, dass es gerade auf die Kenntnisnahme ankommt?

Dominik Rafanoharana

Dominik Rafanoharana

3.1.2020, 14:15:53

Die Verkehrsanschauung. Nach ihr liest man üblicherweise seine E-Mails nicht um 1:40 Uhr nachts.

CAR

Carlos

3.1.2020, 17:16:05

Aber in einem Fall zuvor, als eine Kündigung beim erkrankten Vermieter in den Briefkasten eingeworfen wurde und der Erklärende von der Krankheit sogar Kenntnis hatte, wurde auch mit dem Zugang argumentiert, obwohl nach der Verkehrsanschauung nicht zwangsläufig mit der Leerung (hier am selben Tag) zu rechnen ist, wenn man krank im Bett liegt.

Marilena

Marilena

16.1.2020, 19:32:56

@Carlos Zugang liegt dann vor, wenn der Empfänger Kenntnis nehmen kann und wenn mit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen zu rechnen ist. Letzteres ist eben nicht um 1.40 Uhr nachts der Fall. Was den Fall der Erkrankung angeht, finde ich Deine Argumentation nicht abwegig. Aber ich denke es ist doch eher nach der Verkehrssitte üblich, einmal am Tag den Briefkasten zu kontrollieren – und falls man wirklich zu 100% bettlägerig ist, übernimmt das jemand anders für einen. Im Vergleich beider Konstellationen erscheint es mir üblicher, dass man während einer Krankheit dennoch tagsüber an den Briefkasten geht, als dass man generell um 1.40 seine E-Mails „checkt“.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

21.4.2021, 23:11:08

Wie ist dieser Fall im Vergleich zu dem vorherigen mit dem Faxgerät zu sehen? Bei einem Faxgerät war die WE bereits aufgrund der Speicherung in dem Gerät zugegangen. Unerheblich war, wann das Fax - ausgehend von der Verkehrsanschauung und gewöhnlichen Umständen - ausgedruckt und gelesen wird. Bei der E-Mail ist nunmehr die Speicherung nicht maßgeblich für den Zugang, sondern die Kenntnisnahme nach der Verkehrsanschauung. Im Umkehrschluss würde doch das bedeuten, dass es - aus Sicht des Erklärenden - kurz vor Fristablauf, „zweckmäßiger“ wäre, stets via Fax zu übermitteln als via E-Mail. Denn wenn man beim Fax definitiv (zB in den Nachtstunden) noch fristgerecht ist; sind bei der E-Mail hingegen „übliche Lesezeiten“ maßgeblich, sodass eine Fristablauf drohen würde (bzw Beweisprobleme).

Tigerwitsch

Tigerwitsch

21.4.2021, 23:11:43

Ich hoffe, mein Gedankengang ist verständlich 😇

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.12.2021, 19:20:02

Danke Tigerwitsch, leider muss ich Dich enttäuschen. Das Faxgerät hat bezüglich des Zugangs insoweit keinen Vorteil. Auch im vorherigen Fall mit dem Fax kam es ja auf den Eingang in den Machtbereich UND die Kenntnis nach den gewöhnlichen Umständen an. Nur war es dort Montagmittag, weshalb mit einer recht zeitnahen Kenntnis gerechnet werden konnte. Die Faxnachricht um 23.59 Uhr ist also nur bei Fristen gegenüber Behörden ausreichend. Denn dort kommt es nicht auf die Kenntnisnahme an :D. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-team

JUL

julius

3.5.2022, 23:36:12

Warum hier die Kenntnisnahme ausschlaggebend ist, erschließt sich mir auch nicht. Abgesehen von der Uhrzeit. Angenommen es wird per Mail ein Vertrag gekündigt. Die Kündigung landet im Spamordner und wird automatisch innerhalb weniger Minuten gelöscht. Eine Kenntnisnahme ist nicht möglich. Als gewiefter Geschäftsmann kann ich so Kündigungen verhindern.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.5.2022, 15:54:44

Hallo Julius, bei der Kenntnisnahme geht es lediglich um eine

Konkretisierung

des "Machtbereiches" des Empfängers. HIer ist die E-Mail in das Mail Postfach, mithin den Machtbereich der M gelangt. In diesem kann sie von der E-Mail Kenntnis erlangen. Der Zugang erfolgt allerdings erst dann, wenn mit einer Kenntnisnahme GERECHNET werden kann. Es bedarf also keiner TATSÄCHLICHEN Kenntnis, aber der Empfänger muss zumindest die Möglichkeit gehabt haben, hiervon Kenntnis zu nehmen. Eine Verhinderung des Empfangs ist dadurch aber nicht möglich. Denn für die Existenz der Erklärung innerhalb des Machtbereichs ist der Empfänger selbst verantwortlich. Kann er also die Erklärung nicht lesen, weil sie in seinem Spamfilter vernichtet wurde, so trägt er dafür die Verantwortung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

🦊²

🦊²

15.11.2023, 12:00:14

Hi, wenn der Maßstab lautet: "Zugang liegt bei verkörperten WE vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist" Warum ist dann keine wirksame Annahme am nächsten Morgen gegen ca. 10:00 Uhr anzunehmen? Also warum wird am Ende der Subsumtion pauschal festgehalten "Die Annahme ist trotz Eingang in das E-Mail-Postfach nicht wirksam geworden". Sollte es nicht viel eher lauten, dass die Annahme "jedenfalls zum Zeitpunkt 1:40 Uhr nicht wirksam erfolgt ist" ? (Weil eben zu diesem Zeitpunkt keine "unter normalen Umständen zu erfolgende Kenntnisnahme" vorliegt?). Nur weil um 1:40 Uhr keine "unter normalen Umstände erfolgte Kenntnisnahme" vorliegt, heißt es doch nicht per se, dass gar keine wirksame Annahme vorliegt? Oder irre ich mich? Und wenn ja, wo? :D Liebe Grüße

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.11.2023, 11:04:41

Hallo Fuchs2, danke für deine Frage! Du hast absolut recht, das schließt nicht den Zugang grundsätzlich aus. Die Frage lautet aber tatsächlich, ob dies um 1:40 Uhr eingetreten ist, und das ist ja - wie du selber schon angemerkt hast - zu verneinen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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