Zugang einer E-Mail
21. Mai 2025
16 Kommentare
4,8 ★ (17.217 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M möchte ihren gebrauchten Trekking-Rucksack verkaufen und bietet ihn A für €50 an. A schickt M um 1.30 Uhr nachts eine E-Mail, dass er den Rucksack für €50 kauft. Das E-Mail-Programm der M zeigt den Posteingang um 1.40 Uhr an.
Diesen Fall lösen 57,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Zugang einer E-Mail
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die per E-Mail versandte Annahmeerklärung des A ist wirksam geworden, als sie sich um 1.40 Uhr abrufbereit im E-Mail-Posteingang der M befunden hat.
Nein!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Carlos
30.12.2019, 17:27:46
In den vorigen Fällen kam es immer auf den Zugang an. Das ist auch mit der Rspr. begründet: Erklärung+Abgabe+Zugang = wirksam. Was ist hier der Unterschied, dass es gerade auf die Kenntnisnahme ankommt?

Dominik Rafanoharana
3.1.2020, 14:15:53
Die Verkehrsanschauung. Nach ihr liest man üblicherweise seine E-Mails nicht um 1:40 Uhr nachts.
Carlos
3.1.2020, 17:16:05
Aber in einem Fall zuvor, als eine Kündigung beim erkrankten Vermieter in den Briefkasten eingeworfen wurde und der Erklärende von der Krankheit sogar Kenntnis hatte, wurde auch mit dem Zugang argumentiert, obwohl nach der Verkehrsanschauung nicht zwangsläufig mit der Leerung (hier am selben Tag) zu rechnen ist, wenn man krank im Bett liegt.

Marilena
16.1.2020, 19:32:56
@Carlos Zugang liegt dann vor, wenn der Empfänger Kenntnis nehmen kann und wenn mit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen zu rechnen ist. Letzteres ist eben nicht um 1.40 Uhr nachts der Fall. Was den Fall der Erkrankung angeht, finde ich Deine Argumentation nicht abwegig. Aber ich denke es ist doch eher nach der
Verkehrssitteüblich, einmal am Tag den Briefkasten zu kontrollieren – und falls man wirklich zu 100% bettlägerig ist, übernimmt das jemand anders für einen. Im Vergleich beider Konstellationen erscheint es mir üblicher, dass man während einer Krankheit dennoch tagsüber an den Briefkasten geht, als dass man generell um 1.40 seine E-Mails „checkt“.

Tigerwitsch
21.4.2021, 23:11:08
Wie ist dieser Fall im Vergleich zu dem vorherigen mit dem Faxgerät zu sehen? Bei einem Faxgerät war die WE bereits aufgrund der Speicherung in dem Gerät zugegangen. Unerheblich war, wann das Fax - ausgehend von der Verkehrsanschauung und gewöhnlichen Umständen - ausgedruckt und gelesen wird. Bei der E-Mail ist nunmehr die Speicherung nicht maßgeblich für den Zugang, sondern die Kenntnisnahme nach der Verkehrsanschauung. Im Umkehrschluss würde doch das bedeuten, dass es - aus Sicht des Erklärenden - kurz vor Fristablauf, „zweckmäßiger“ wäre, stets via Fax zu übermitteln als via E-Mail. Denn wenn man beim Fax definitiv (zB in den Nachtstunden) noch fristgerecht ist; sind bei der E-Mail hingegen „übliche Lesezeiten“ maßgeblich, sodass eine Fristablauf drohen würde (bzw Beweisprobleme).

Tigerwitsch
21.4.2021, 23:11:43
Ich hoffe, mein Gedankengang ist verständlich 😇

Lukas_Mengestu
21.12.2021, 19:20:02
Danke Tigerwitsch, leider muss ich Dich enttäuschen. Das Faxgerät hat bezüglich des Zugangs insoweit keinen Vorteil. Auch im vorherigen Fall mit dem Fax kam es ja auf den Eingang in den Machtbereich UND die Kenntnis nach den gewöhnlichen Umständen an. Nur war es dort Montagmittag, weshalb mit einer recht zeitnahen Kenntnis gerechnet werden konnte. Die Faxnachricht um 23.59 Uhr ist also nur bei Fristen gegenüber
Behörden ausreichend. Denn dort kommt es nicht auf die Kenntnisnahme an :D. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-team
julius
3.5.2022, 23:36:12
Warum hier die Kenntnisnahme ausschlaggebend ist, erschließt sich mir auch nicht. Abgesehen von der Uhrzeit. Angenommen es wird per Mail ein Vertrag gekündigt. Die Kündigung landet im Spamordner und wird automatisch innerhalb weniger Minuten gelöscht. Eine Kenntnisnahme ist nicht möglich. Als gewiefter Geschäftsmann kann ich so Kündigungen verhindern.

Lukas_Mengestu
4.5.2022, 15:54:44
Hallo Julius, bei der Kenntnisnahme geht es lediglich um eine
Konkretisierungdes "Machtbereiches" des Empfängers. HIer ist die E-Mail in das Mail Postfach, mithin den Machtbereich der M gelangt. In diesem kann sie von der E-Mail Kenntnis erlangen. Der Zugang erfolgt allerdings erst dann, wenn mit einer Kenntnisnahme GERECHNET werden kann. Es bedarf also keiner TATSÄCHLICHEN Kenntnis, aber der Empfänger muss zumindest die Möglichkeit gehabt haben, hiervon Kenntnis zu nehmen. Eine Verhinderung des Empfangs ist dadurch aber nicht möglich. Denn für die Existenz der Erklärung innerhalb des Machtbereichs ist der Empfänger selbst verantwortlich. Kann er also die Erklärung nicht lesen, weil sie in seinem Spamfilter vernichtet wurde, so trägt er dafür die Verantwortung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Annsophie
2.11.2024, 18:14:49
Wenn die tatsächliche Kenntnis aber vorher stattfindet, also niche erst dann wenn mit kenntnisnahme zu rechnen ist, dann ist doch dieser Zeitpunkt maßgeblich ?? Der Zugang zu dem Zeitpunkt zu dem mit Kenntnisnahme zu rechnen ist ist doch nur eine Vermutungsregelung der Rechtsprechung für den Fall dass eine tatsächliche Kenntnisnahme noch nicht erfolgt ist ?
🦊²
15.11.2023, 12:00:14
Hi, wenn der Maßstab lautet: "Zugang liegt bei verkörperten WE vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist" Warum ist dann keine wirksame Annahme am nächsten Morgen gegen ca. 10:00 Uhr anzunehmen? Also warum wird am Ende der Subsumtion pauschal festgehalten "Die Annahme ist trotz Eingang in das E-Mail-Postfach nicht wirksam geworden". Sollte es nicht viel eher lauten, dass die Annahme "jedenfalls zum Zeitpunkt 1:40 Uhr nicht wirksam erfolgt ist" ? (Weil eben zu diesem Zeitpunkt keine "unter normalen Umständen zu erfolgende Kenntnisnahme" vorliegt?). Nur weil um 1:40 Uhr keine "unter normalen Umstände erfolgte Kenntnisnahme" vorliegt, heißt es doch nicht per se, dass gar keine wirksame Annahme vorliegt? Oder irre ich mich? Und wenn ja, wo? :D Liebe Grüße

Nora Mommsen
16.11.2023, 11:04:41
Hallo Fuchs2, danke für deine Frage! Du hast absolut recht, das schließt nicht den Zugang grundsätzlich aus. Die Frage lautet aber tatsächlich, ob dies um 1:40 Uhr eingetreten ist, und das ist ja - wie du selber schon angemerkt hast - zu verneinen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
stefunny
7.2.2025, 17:30:55
Liebes Jurafuchs-Team, ich habe verstanden, dass erst am Vormittag mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Allerdings erschließt sich mir die Relevanz der Uhrzeit nicht? Der Zugang fällt doch auf denselben Tag, egal, ob die Annahme um 01:40 oder um bspw. 08:00 zugegangen ist? Wie würde ich dies im Fall behandeln? Bzw. hätte dies Relevanz bei einem möglichen Widerruf um bspw. 02:00? Liebe Grüße
lolle
29.4.2025, 12:04:44
wäre der Zugang gegeben, wenn Sie um 1:40 die E-Mail gelesen hätte?