Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Abgabe und Zugang von Willenserklärungen

Zugang einer E-Mail, die vor Kenntnisnahme versehentlich gelöscht wird

Zugang einer E-Mail, die vor Kenntnisnahme versehentlich gelöscht wird

21. Mai 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Kunde K will das Angebot von Unternehmer U annehmen. Er schickt U Montagfrüh per E-Mail eine Annahmeerklärung. Montagabend ist U im Aufräumfieber. Versehentlich löscht er alle in seinem E-Mail-Account befindlichen E-Mails. Darunter befindet sich auch die ungelesene E-Mail des K.

Diesen Fall lösen 94,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Zugang einer E-Mail, die vor Kenntnisnahme versehentlich gelöscht wird

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer Hamburg 2024

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die per E-Mail versandte Annahmeerklärung des K ist wirksam geworden, obwohl U sie vor Kenntnisnahme gelöscht hat.

Ja, in der Tat!

Zugang(Phase 3) liegt bei verkörperten WE vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Nicht erforderlich ist, dass der Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme tatsächlich nutzt (Phase 4).E-Mails sind in den Machtbereich des Empfängers gelangt, wenn sie abrufbereit in dessen Mailbox gespeichert sind. Bei E-Mails, die zur üblichen Geschäftszeit an Unternehmen gesendet werden, ist mit Kenntnisnahme am selben Tag zu rechnen. Wirft er die Erklärung vor Kenntnisnahme versehentlich weg oder löscht sie, lässt dies den Zugang unberührt. Die Annahmeerklärung des K ist wirksam geworden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

JonasRehder

13.4.2023, 12:06:16

Nach neuerer BGH Rspr. Ist bei E-Mails im Geschäftsverkehr sogar sofort mit Kenntnisnahme zu rechnen, wenn sie in das E-Mailpostfach gelangt sind und sich dieser Vorgang während der Geschäftszeiten vollzieht. Wird eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt, ist sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht

erforderlich

. (BGH, MMR 2023, 136)

JO

JonasRehder

24.4.2024, 15:16:09

Dies kam nun auch im ersten Examen in Hamburg dran :) (Glaube auch in anderen Bundesländern, da Ringtausch)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.5.2024, 17:48:15

Danke für den Tipp! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Moltisanti

Moltisanti

18.8.2024, 17:57:24

Diese rspr könnte man ruhig mal als Hinweis mit aufnehmen lol

TI

Tinki

27.12.2024, 11:44:05

In dem Maßstabstext wird von einer verkörrperten WE gesprochen. Eine Email ist aber ja gerade nicht verkörpert. Ist § 130 I 1 auf elektronische WE genauso direkt anwendbar?

LELEE

Leo Lee

28.12.2024, 14:35:10

Hallo Tinki, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Das ist insofern eine wirklich SEHR scharfsinnige Frage, als der Wortlaut hier eigentlich überdehnt wird deshalb eine Analogie erfolgen müsste. Das wäre auch die dogmatisch konsequentere Lösung. Allerdings wendet die ghM den 130 unmittelbar auch auf nicht verköperte Willenserklärung an und setzt sich gewissermaßen darüber "hinweg". Ich vermute mal, dass angesichts des Zeitalters der Digitalisierung viele Vertreter es für eine bloße Förmelei halten, bei solch "offensichtlichen" WE wie bei den E-Mails eine Analogie anzustrengen, um am Ende das gleiche Ergenis zu erzielen. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 10. Auflage, Einsele § 130 Rn. 2 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LO

lolle

29.4.2025, 12:08:07

Wie ist es zu bewerten, wenn der Empfänger keinen Zugriff mehr auf das Postfach hat?


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