Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten („Amoklauf von Winnenden“)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

V bewahrt - ohne die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen (nach § 36 Abs. 1 S. 1 WaffG) - seine Schusswaffe offen zugänglich im Kleiderschrank im Schlafzimmer auf. Sein minderjähriger Sohn S erschießt mit der Waffe 15 ehemalige Mitschüler und Lehrer.

Einordnung des Falls

Amoklauf von Winnenden, BGH NStZ 2013, 238 (Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat den Tod der 15 Menschen kausal verursacht.

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Ja!

Rspr. und hL bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte V seine Waffe nicht offen zugänglich im Kleiderschrank aufbewahrt, hätte S die 15 Menschen damit nicht erschossen.

2. Im Erfolg hat sich eine neue, von S eigenverantwortlich geschaffene Gefahr realisiert, die die objektive Zurechnung gegenüber V ausschließt.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Beim eigenverantwortlichen Dazwischentreten eines Dritten ist nach Verantwortungsbereichen abzugrenzen. Knüpft er an das Verhalten des Ersttäters dergestalt an, dass er eine neue, selbstständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr schafft, die sich dann allein im Erfolg realisiert, ist der Erfolg ausschließlich ihm zuzurechnen. Wenn aber die vom Ersttäter gesetzte Gefahr gerade das Risiko des Eingreifens Dritter beinhaltet, ist die objektive Zurechnung gegenüber dem Ersttäter zu bejahen.V hat Sicherheitsvorschriften verletzt, welche gerade dem Schutz vor Straftaten Dritter dienen. Die von V gesetzte Gefahr umfasst mithin die tödlichen Schüsse des S, die aus V's Waffe abgefeuert wurden. S hat gerade keine völlig neue Gefahr begründet.

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