Zeitanteilige Minderung

10. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

R bucht bei V Flüge und ein Hotel auf Sardinien. Da das Hotel im Osten der Insel liegt, war R der Ankunftsflughafen F in der Nähe wichtig. Wegen interner Probleme bei F muss das Flugzeug auf dem Flughafen H landen.

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Einordnung des Falls

Zeitanteilige Minderung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Liegen die Voraussetzungen einer Minderung vor (§§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651m BGB)?

Ja!

Voraussetzung der Minderung (§ 651m BGB) ist (1) das Bestehen eines Pauschalreisevertrags und (2) das Vorliegen eines Reisemangels (vgl. § 651i Abs. 2 BGB). Die Minderung ist ausgeschlossen, wenn der Veranstalter dem Mangel infolge einer unterbliebenen Mängelanzeige nicht abhelfen konnte (§ 651o Abs. 2 BGB). Die Landung auf einem anderen Flughafen stellt eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit und somit einen Mangel dar. Ungeachtet einer Mängelanzeige hätte V den Mangel nicht beheben können, sodass die Minderung auch nicht wegen fehlender Anzeige ausgeschlossen ist.
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2. Die Höhe der geminderten Vergütung ergibt sich nur aus dem mangelfreien Wert der Reise und der vereinbarten Vergütung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es kommt ebenfalls auf den Wert der Reiseleistung im mangelhaften Zustand an. Der Minderungsbetrag berechnet sich nach folgender Formel: „mangelfreier Wert der Reise : mangelhaften Wert = vereinbarte Vergütung : x (geminderte Vergütung).

3. Hier kommt eine zeitanteilige Minderung in Betracht.

Ja, in der Tat!

Die Festlegung der Höhe der Minderung geschieht in der Praxis durch einen prozentualen Abschlag, der vom Gericht geschätzt wird. Wenn der Mangel nicht während der gesamten Reise bestand, spielt die Ermittlung des Tagesreisepreises eine besondere Rolle. Statt eine Minderungsquote für den gesamten Reisepreis anzulegen, wird eine Quote für den betroffenen Tag festgelegt und diese mit den insgesamt betroffenen Tagen multipliziert. Hier betrifft der Mangel nur den Anreisetag. Die Rechtsprechung nimmt hier abhängig von der Entfernung eine Minderung von 30 bis 100 % des Tagesreisepreises an. Ob die Höhe der geltend gemachten Minderung in Ordnung ist, ergibt sich in der Klausur in der Regel aus dem Bearbeitungsvermerk.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Amelie

Amelie

5.6.2023, 20:47:19

Ich verstehe hier nicht warum es keiner Anzeige des Mangels bedarf? Ist es immer so, dass wenn der Reiseveranstalter keine Abhilfe leisten kann, dies nicht ein Kriterium wird? Außerdem hätte der Veranstalter einen Shuttle oder Ähnliches organisiren können, oder nicht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.6.2023, 09:58:03

Hallo Amelie, der maßgebliche Gedanke ist dabei, dass die Anzeige dem Reiseveranstalter die Möglichkeit zur Abhilfe verschaffen soll. Deswegen ist dem BGH zufolge eine Mängelanzeige nicht erforderlich, wenn eine Abhilfe unmöglich wäre, dem Reisemangel also nicht abgeholfen werden könnte (MüKoBGB/Tonner, 9. Aufl. 2023, BGB § 651o Rn. 9 mwN). Ob eine Anzeige entbehrlich ist, ist dann natürlich eine Einzelfallfrage. Natürlich hätte der Veranstalter hier die Folgen abmildern können, zB einen Shuttle schicken. Die dadurch eintretende Verzögerung der Reise und die entgangene Erholungszeit lässt dies allerdings nicht entfallen, sondern verkürzt diese allenfalls. Im Hinblick auf die Beweislast im Prozess ist zu unterscheiden: Der Reisende muss die Umstände darlegen u. beweisen, aus denen sich ergibt, dass die Anzeige entbehrlich war. Der Veranstalter kann sich dann dagegen verteidigen, dass er darlegt und beweist, dass er bei ordnungsgemäßer Anzeige zur Abhilfe des Mangels in der Lage gewesen wäre. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

21.4.2024, 22:53:57

Falls es nicht noch kommt, könntet ihr bitte eine Aufgabe mit Zahlen machen? Finde die Formel irgendwie seltsam und müsste sie glaub auch mal mit Zahlen sehen, um zu verstehen, wie das funktionieren soll. Danke

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.4.2024, 16:45:17

Hi Cocos.lawstudy, im Grunde herrscht hier ein Gleichlauf zur kauf-werkvertragsrechtlichen Berechnung. Der vereinbarte Reisepreis mindert sich also in demselben Ausmaß, in dem sich der Wert der mangelfreien Reise zum Wert der mangelbehafteten Reise befindet. Zur Verdeutlichung hier einmal ein Beispiel: Grundformel: Mangelfreie Reise / Wert der Reise im mangelhaften Zustand = Vereinbarte Vergütung / x (geminderte Vergütung) formt man das nun um ergibt sich: x (geminderte Vergütung) = Vereinbarte Vergütung x Wert der Reise im mangelhaften Zustand / Wert der Reise im mangelhaften Zustand Jezt muss man hier entsprechend Werte einsetzen, z.B. mangelfreier Wert der Reise = 700€ Vereinbarte Vergütung = 700€ Wert der Reise im mangelhaften Zustand = 630 x (geminderte Vergütung) = 700€ x 630 € / 700€ x (geminderte Vergütung) = 630€ Während der Wert der Reise und die vereinbarte Vergütung in der Regel unstreitig sind, bereitet in der Praxis allerdings die Feststellung Probleme, was denn der objektive Wert der mangelbehafteten Pauschalreise ist. Alternativ zu dieser Berechnung wird deshalb lediglich eine Schätzung der Minderung vorgenommen (§ 651m Abs. 1 S. 3 BGB). Hierfür ist der Reisepreis maßgeblich, von dem dann ein prozentualer Abschlag abgezogen wird, je nach Schwere und Dauer des Reisemangels. Bestand der Mangel nur an einzelnen Tagen, so wird der Tagesreisepreis für die Schätzung zugrunde gelegt (Gesamtpreis/Anzahl der Reisetage). Da die Minderungsformel im Reiserecht also nur eine untergeordnete Bedeutung hat, haben wir von weiteren Aufgaben diesbezüglich abgesehen. Mehr dazu findest Du u.a. bei BeckOK BGB/Geib, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 651m Rn. 7 Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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