Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Sonderfälle

Verpflichtung des Geschäftsführers kraft öffentlichem Rechts II

Verpflichtung des Geschäftsführers kraft öffentlichem Rechts II

16. April 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

L ist Lastwagenfahrer für Heizölhändler H. Bei einer Auslieferungsfahrt baut er einen Unfall, wodurch ein Teil des geladenen Öls ausläuft. Der verantwortliche Verwaltungsträger V beseitigt das Öl sofort, um Schlimmeres zu verhindern. V will, dass H die Kosten dafür trägt.

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Einordnung des Falls

Verpflichtung des Geschäftsführers kraft öffentlichem Rechts II

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Ölbeseitigung ist ein alleiniges Geschäft des H und damit für V objektiv fremd.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein objektiv fremdes Geschäft fällt nach außen erkennbar ausschließlich in den Rechts- und Interesssenkreis eines anderen. Nach § 7 Abs. 1 Var. 3 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs zum Schadensersatz verpflichtet, wenn bei dessen Betrieb eine Sache beschädigt wird. H ist Inhaber des Heizölhandels und somit Halter der dafür eingesetzten LKWs. Er war somit zur Ölbeseitigung verpflichtet. Indem der V das Öl beseitigte, hat er ein Geschäft des H ausgeführt. Da die Ölbeseitigung jedoch gleichzeitig eine öffentlich-rechtliche Pflicht des V als Verwaltungsträger darstellt, war sie auch ein Geschäft des V und nicht ausschließlich ein Geschäft des H. Somit war das Geschäft für V auch-fremd. Im Originalfall hatte die Verwaltungsträgerin gegen die Haftpflichtversicherung des L geklagt. Da die Beseitigung kein Geschäft der Versicherung darstellt, scheiterte es bereits hieran.
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2. Der Fremdgeschäftsführungswille wird bei auch-fremden Geschäften nach Auffassung der h.L. widerlegbar vermutet.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Fremdgeschäftsführungswille wird laut BGH bei auch-fremden Geschäften genauso wie bei objektiv fremden Geschäften grundsätzlich widerlegbar vermutet. Eine gegebenenfalls hierdurch zu weitreichende Bejahung von Ansprüchen aus GoA werde durch wertende Korrekturen an anderen Stellen verhindert. Die Ölbeseitigung stellt ein für V auch fremdes Geschäft, womit Vs Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird. Anhaltspunkte dafür, dass V das Geschäft nicht auch für jemand anderes führen wollte, liegen nicht vor. Dieser Lösungsweg entspricht der BGH-Rechtsprechung. Nach Ansicht der Literatur wird der Fremdgeschäftsführungswille bei auch fremden Geschäften dagegen nicht widerlegbar vermutet, sondern muss positiv festgestellt werden. Danach wäre die Prüfung hier zuende. Damit Du Dir keine Folgeprobleme abschneidest, solltest Du dem BGH folgen. Im zweiten Examen musst Du die Ansichten nicht mehr diskutieren, folge einfach dem BGH.

3. Liegen die Grundvoraussetzungen einer echten GoA (§ 677 BGB) – nach Ansicht des BGH – § 677 BGB vor?

Ja!

Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Die Ölbeseitigung ist ein für V auch-fremdes Geschäft. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet (BGH). H hat V weder zur Ölbeseitigung beauftragt, noch war V gegenüber H sonst dazu berechtigt.

4. Die Ölbeseitigung ist auch eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB.

Genau, so ist das!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht geäußert hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse. Der H konnte seinen Willen nicht äußern, da er abwesend war. Die Ölbeseitigung entsprach Hs objektivem Interesse, da er nach § 7 Abs. 1 StVG hierzu verpflichtet war und auch seinem mutmaßlichen Willen. Die Voraussetzungen der berechtigten GoA liegen somit vor.Ein Anspruch schiedet nach Auffassung des BGH nur aus, sofern öffentlich-rechtliche Vorschriften die Kostenfolge der Ölbeseitigung abschließend regeln würden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

F. Rosenberg 🦅

F. Rosenberg 🦅

17.1.2025, 17:34:31

Die VOS einer berechtigten GoA sind erfüllt. Scheidet hier ein Anspruch nach der Rspr. aus?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

13.2.2025, 14:57:08

Hey @[F. Rosenberg 🦅](206066), Anspruch (-), sofern öffentlich-rechtliche Regeln die Kostentragungspflicht abschließend regeln. Wenn es dafür keine Anhaltspunkte im Sachverhalt gibt: Anspruch aus GoA (+) Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team


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