Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB
Pfefferspray als gefährliches Werkzeug (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
Pfefferspray als gefährliches Werkzeug (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
10. Mai 2025
14 Kommentare
4,8 ★ (3.161 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sprüht O Pfefferspray ins Gesicht. Bei O kommt es zu einem brennenden Schmerz in den Augen, einer Schwellung der Schleimhäute und Atemnot.
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Einordnung des Falls
Pfefferspray als gefährliches Werkzeug (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T dem O Pfefferspray ins Gesicht gesprüht hat, hat er die Körperverletzung "mittels einer Waffe" bzw. "mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) vorgenommen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lucylawless
5.2.2021, 12:30:24
Ist das Pfefferspray nicht eher ein Gift bzw. ein Stoff iSd Nr.1? Der Täter wirft dem Opfer doch nicht die Dose selbst ins Gesicht, sondern versprüht die ätzende Flüssigkeit...

Real Thomas Fischer Fake 🐳
5.2.2021, 13:20:58
Ich würde sagen, dass die Anwendung von Nr. 1 hier umstritten sein könnte (siehe Link unten, Ansicht 2 -> gelangen ins Körperinnere?). Aber selbst wenn Nr. 1 vorliegt, dann wird ja die Anwendung von Nr. 2 nicht ausgeschlossen, oder? :)

Real Thomas Fischer Fake 🐳
5.2.2021, 13:23:29
https://www.iurastudent.de/streitstaende/strafrecht/gen-gt-f-r-die-beibringung-isd-224-i-nr-1-stgb-dass-der-stoff-u-erlich

lucylawless
5.2.2021, 13:34:21
Im Zweiten wird man zum Glück von der Darstellung von Meinungsstreitigkeiten weitestgehend verschont, v.d. würde ich mit der h.M. gehen und eine Beibringung hier annehmen. Auf das gef. Werkzeug wäre ich ehrlich gesagt auch nicht unbedingt gekommen in diesem Zusammenhang aber gut zu wissen, dass man das hier auch sehen kann. Denn ausgeschlossen ist es nicht, das stimmt :)
Geithombre
31.12.2023, 10:03:11
Da offenbart sich mal wieder der ganze Wahnsinn der Streitstände 😅 Denn hier haben wir mit dem Auge ja sogar einen Fall erwischt, wo man trefflich darüber streiten kann, ob überhaupt das Auge nun als innen oder außen anzusehen ist. Den Korinthenkackern der Meinung, dass Beibringen nur innen meinen könne, kann man nun wunderbar entgegenhalten, dass das Auge ca 1/3 des Tages (im Schlaf) durch die Lider geschützt wird und daher innen liegt. Auch sprachlich bekommt man etwas "auf" die Haut, Kopf, Hand, was auch immer... Dahingehen gelangen sprachlich Sandkörner, Insekten etc "in" das Auge, Ohr, Mund etc. Ob das nun aber Ausführungen sind, die den Korrektor glücklich machen oder gar vom Prüfer so angelegt
waren?
gova
12.6.2024, 13:08:51
Wurde bereits in dem anderen Kommentar erwähnt, aber ich frage der Verständnis halber nochmal: Im dem Fall https://applink.jurafuchs.de/2QMr42nNmKb (Thermoskannen-Fall) weist ihr darauf hin, dass der Kaffee keinen gefährlichen Gegenstand darstellt, da er nicht körperlich ist. Worin liegt der Unterschied zum Pfefferspray? Könnte man hier auch die Annahme eines gefährlichen Werkzeugs ablehnen und stattdessen die Strafbarkeit nach § 224 I Nr. 1 StGB richten?
Kai
18.12.2024, 12:03:20
Vgl. Jäger, Christian, Examens-Repetitorium Strafrecht Besonderer Teil, § 224 StGB Rn. 105: Gleichgültig ist auch der Aggregatszustand des Werkzeuges (fest, flüssig, gasförmig), sodass Messer, Hammer, Schere, Salzsäure oder auch giftige Gase in Frage kommen (so zumindest nach h.M., die § 224 Nr. 2 neben § 224 Nr. 1 StGB anwendet). Demnach findet eigentlich bereits keine Trennung zwischen Nr. 1 und Nr. 2 statt und die Säure könnte sowohl Stoff als auch Werkzeug sein. Ich bin gerade wie du ein wenig verwundert, wieso das im Thermoskannen-Fall anders dargestellt wird. Vielleicht könnte jemand aus dem Jurafuchs-Team hier für Klarheit sorgen. @[Leo Lee](213375), du hast mir schon sehr oft im StrafR weitergeholfen, weißt du hier zufällig auch Näheres?
Kai
18.12.2024, 12:08:35
Zusätzliche Anmerkung: Auch der Rengier, der in den Fundstellen zitiert wird, spricht hierfür (§ 224, Rn. 32) Die weite Interpretation des Werkzeugbegriffs hat ferner dazu geführt, dass man auch chemische Mittel und thermisch wirkende Substanzen, also Gifte und Stoffe, der Nr. 2 subsumiert. Man denke etwa an Salzsäure, heiße Flüssigkeiten, Brennspiritus, Arznei- und Betäubungsmittel sowie (Reiz-)Gase (vgl. BGHSt 1, 1; BGH MDR/D 1956, 526). Insoweit kommt es seit dem 6. StrRG 1998 zu Überschneidungen mit der Nr. 1.
galapagosgarry
7.2.2025, 16:17:56
Ich verstehe es so, dass beim Pfefferspray auf die Dose als Gegestand abgestellt wird. Bei einer Schusswaffe ist auch nicht die Waffe ansich gefährlich, sondern das Geschoss, das aus ihr abgefeuert wird.

Tim Gottschalk
16.4.2025, 18:36:55
Hallo @[gova](211395), anders als von @[Kai](56411) zitiert, ist der Aggregatszustand nach h.M. nicht gleichgültig, vergleiche explizit BGH, Urteil vom 14.05.2014 - 2 StR 275/13 Rn. 12. Wie @[galapagosgarry](225215) sagt, ist vielmehr der
erforderliche Gegenstand beim Pfefferspray die Dose, Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, StGB § 224 Rn. 6, BGH, Urteil vom 27. 1. 2011 - 4 StR 487/10. Warum man dann nicht auch auf die Thermoskanne als körperlichen Gegenstand abstellt, kann ich dir jedoch nicht sagen. Im Endeffekt liegen hier verschiedene letztinstanzliche Entscheidungen vor und ich würde nicht ausschließen, dass der BGH auch den Fall mit der Thermoskanne als gefährliches Werkzeug einordnen würde. Wir können daher hier nur die bisherigen Urteile darstellen. Man könnte wohl hinsichtlich einer Unterscheidung damit argumentieren, dass das Pfefferspray seiner Bestimmung nach so eingesetzt werden soll, während die Thermoskanne gerade nicht dafür gedacht ist, damit Kaffee auf andere zu schleudern. Der Schwerpunkt liegt beim Kaffee auf diesem selbst, man würde das nicht wie bei einem Pfefferspray als
Verwendungder Kaffeekanne auffassen. Das bereits erwähnte Urteil BGH, Urteil vom 27. 1. 2011 - 4 StR 487/10 stellt die Maßstäbe des BGH relativ schön dar. Das muss aber nicht überzeugen. Ich halte es auch für gut vertretbar zu sagen, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Fällen gibt und man entweder in beiden Fällen mit Verweis auf die Wortlautgrenze die Strafbarkeit nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB ablehnt oder in beiden Fällen das Behältnis als Werkzeug ansieht und die Strafbarkeit bejaht. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

Tim Gottschalk
16.4.2025, 18:38:52
PS: Eine Strafbarkeit nach § 224 I Nr. 1 StGB würde ich hier jedenfalls als erfüllt ansehen.