Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)

Abwesenheit des Angeklagten als absoluter Revisionsgrund - eigenmächtiges Entfernen des Angeklagten

Abwesenheit des Angeklagten als absoluter Revisionsgrund - eigenmächtiges Entfernen des Angeklagten

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Reichsbürger Richard (R) ist angeklagt. Die Beweisaufnahme läuft schlecht für ihn. Gefrustet stürmt er aus dem Saal und verkündet, er wolle dieses Theater nicht länger mitspielen. Da er bereits ausgesagt hatte, führt die Kammer die Verhandlung ohne ihn zu Ende.

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Einordnung des Falls

Abwesenheit des Angeklagten als absoluter Revisionsgrund - eigenmächtiges Entfernen des Angeklagten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Verfahrensrecht ist verletzt, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Handlung unterblieben ist, wenn sie fehlerhaft vorgenommen worden ist oder wenn sie überhaupt unzulässig war.

Ja!

Zu Beginn der Prüfung der Verfahrensrüge solltest Du stets sauber definieren, wann eine Verletzung des Verfahrensrechts vorliegt. Im Anschluss prüfst Du dann, gegen welche formelle Verfahrensvorschrift das Tatgericht verstoßen haben könnte.
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2. Die Fortführung der Hauptverhandlung in Rs Abwesenheit könnte gegen §§ 338 Nr. 5 StPO verstoßen haben.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 338 StPO selbst stellt keine Verfahrensvorschrift dar. Aus § 338 StPO folgt lediglich, dass bei Verletzung einer der in Bezug genommenen Verfahrensvorschriften das Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensfehler unwiderlegbar („stets“) vermutet wird.Achtung: Formuliere hier präzise, dies wird gerne durcheinandergebracht.

3. Die Fortführung der Hauptverhandlung in Rs Abwesenheit könnte gegen §§ 230 Abs. 1, 231 Abs. 1 StPO verstoßen haben.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich darf eine Hauptverhandlung ohne den ausgebliebenen Angeklagten nicht stattfinden bzw. nicht ohne ihn fortgesetzt werden (§§ 230 Abs. 1, 231 Abs. 1 StPO).R hat sich aus der Hauptverhandlung entfernt und war folglich abwesend.

4. Liegt ein revisibler Verfahrensverstoß vor, wenn R eigenmächtig der Hauptverhandlung ferngeblieben ist (§ 231 Abs. 2 StPO)?

Nein!

In Abwesenheit eines Angeklagten darf (weiter-) verhandelt werden, wenn ein gesetzlich normierter Ausnahmetatbestand vorliegt.Die Fortführung der Verhandlung erfolgte rechtmäßig, sofern die Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 StPO erfüllt waren.

5. Lassen sich sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 231 Abs. 2 StPO unmittelbar dem Gesetz entnehmen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ausweislich des Wortlautes kann in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt werden, wenn (1) der Angeklagte sich entfernt oder er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung ausbleibt, (2) er über die Anklage schon vernommen war, (3) das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und (4) er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann. Darüber hinaus ist anerkannt, dass der Angeklagte eigenmächtig gehandelt haben muss.Es entspricht dem Zweck und der Systematik des § 231 Abs. 2 StPO, dass die Norm nur bei Angeklagten anwendbar ist, deren Abwesenheit nicht gerechtfertigt oder entschuldigt ist.

6. Hat sich R eigenmächtig entfernt?

Ja, in der Tat!

Eigenmächtig handelt, wer ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt.R ist nach § 230 Abs. 1 StPO nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ist nicht ersichtlich. R wurde bereits vernommen und die Kammer hat seine Anwesenheit offensichlich nicht weiter für erforderlich erachtet. Sofern er in der Ladung auf die Folgen des eigenmächtigen Entfernens hingewiesen wurde, durfte die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortgesetzt werden. Es liegt insoweit keine Gesetzesverletzung und damit auch kein Revisionsgrund vor. Die Eigenmächtigkeit muss dem Angeklagten nachgewiesen werden.
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