Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Kaufrecht
Gewährleistung bei Verbrauchsgüterkauf durch Einzelkaufmann
Gewährleistung bei Verbrauchsgüterkauf durch Einzelkaufmann
9. Mai 2023
38 Kommentare
4,8 ★ (46.487 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Kauffrau K kauft unter Privatnamen und auf ihre Privatadresse bei Händler V einen Oldtimer. Dieser zeigt sich 5 Monate nach Übergabe als mangelhaft. Es ist nicht aufklärbar, ob der Mangel schon bei Übergabe vorlag. K fragt sich, ob und wie sie Schadensersatz verlangen kann.
Diesen Fall lösen 74,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Der BGH hatte zu entscheiden ob der Käufer eines mangelhaften Oldtimers einen Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer hatte oder nicht, nachdem nicht aufklärbar war, ob der Mangel schon bei Übergabe vorlag. Der BGH entschied, dass der Käufer nach erfolglosem Fristablauf einen Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Könnte K einen Schadensersatzanspruch für die fiktiven Mängelbeseitigungskosten aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB zustehen?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Kann bei § 281 BGB die Käuferin ihren Ersatzanspruch auf die Mangelbeseitigungskosten beschränken? Muss sie dann nicht die Sache zurückgeben?
Ja!
3. Setzen Mängelgewährleistungsansprüche wie § 439 BGB oder § 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB voraus, dass der Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages vorlag?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Trägt der Käufer grundsätzlich die Beweislast dafür, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag?
Ja, in der Tat!
5. Findet im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs für die Dauer von maximal 6 Monaten eine Beweislastumkehr für das Vorliegen des Mangels schon bei Gefahrübergang statt (§ 477 Abs. 1 S. 1 BGB)?
Nein!
6. Wird bei einer natürlichen Person in der Regel vermutet, dass er als Verbraucher handelt?
Genau, so ist das!
7. Wird bei Rechtsgeschäften von Kaufleuten vermutet, dass sie zu ihrem Handelsgewerbe gehören (§ 344 Abs. 1 HGB)?
Ja, in der Tat!
8. Muss K die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB widerlegen, um einen Verbrauchsgüterkauf zu beweisen?
Nein!
9. Kann V vor Gericht beweisen, dass K zu gewerblichen Zwecken handelte?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Kann die Käuferin im Kaufrecht grundsätzlich fiktive Mängelbeseitigungskosten geltend machen?
Ja, in der Tat!
11. Hat K nach erfolglosem Fristablauf einen Schadensersatzanspruch nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB?
Ja!
12. Ist die Vermutung des § 477 Abs. 1 S. 1 BGB stets einschlägig, wenn sich innerhalb des Zwölfmonatszeitraums ein mangelhafter Zustand zeigt?
Nein, das ist nicht der Fall!
13. Trägt nach Ablauf der 12 Monate der Käufer wieder die volle Darlegungs- und Beweislast für das Fortbestehen eines vom Verkäufer verursachten mangelhaften Zustands, auch wenn er schon nach 11 Monaten auf Mängelbeseitigung geklagt hat?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Edward Hopper
21.2.2023, 22:34:01
Verstehe nicht wieso "fiktiver? SE Anspruch? Ist doch ein ganz normaler SE. Schaden ist ja entstanden.
🔥1312🔥
22.2.2023, 08:53:37
Mit fiktiv ist glaube ich gemeint, dass der K noch keine Kosten entstanden sind, weil sie die Reparatur noch nicht vornehmen lassen hat. Über den fiktiven SE erhält sie die Kosten, die eine fiktive Reparatur kosten würde, auch wenn sie die Reparatur nie vornehmen lässt.
asanzseg
26.2.2023, 10:43:45
genau! den fiktiven SE-Anspruch wird im Rahmen des Kaufrechts so bezeichnet, weil damit der SE-Anspruch an die Stelle der (vorrangigen
Nacherfüllungtreten soll) und erst durch die mangelnde
Nacherfüllungder Schaden geltend gemacht werden soll. Fiktiv hier weil der Schaden eigentlich erst dann entsteht, wenn der Käufer tatsächlich eine unfreiwillige Vermögensminderung erfährt, d.h. wenn er den Wagen selbständig zur Reparatur bringt. Es wird klarer, wenn man sich vor Augen führt, dass anders als im AT hier nicht der "Wert der Sache im Mangelfreiem Zustand" ge
schuldet war und hier der Schaden liegt sondern ausschließlich in der nicht durchgeführten
Nacherfüllungdie an die Stelle der
Primärleistungspflichttritt.

kithorx
22.2.2023, 15:35:04
477 I 1 statuiert meines Wissens nach eine
gesetzliche Vermutung. Die Überschrift ist irreführend, die Norm stellt keine
Beweislastumkehrdar. Am Ende wird sie auch
Vermutunggenannt, in einer vorherigen Aufgabe aber
Beweislastumkehr.

Lukas_Mengestu
30.3.2023, 12:55:37
Hallo kithorx, kann es sein, dass Du hier die
gesetzliche Vermutungund den Anscheinsbeweis verwechselst? Bei einer gesetzlichen
Vermutung(§ 2
92 ZPO) BGB ist der Beweis des Gegenteils grundsätzlich möglich. Bis dieser Beweis erbracht ist, gilt aber die
Vermutung(vgl. MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 292 Rn. 25). Insoweit kann der Begriff
gesetzliche Vermutungund
Beweislastumkehrdurchaus synonym verwendet werden, da in diesen Fällen ausnahmsweise der
Anspruchsgegnereine für den
Anspruchsstellergünstige
Tatsachewiderlegen muss. Anders ist dies dagegen beim Anscheinsbeweis, der insbesondere bei der Straßenverkehrshaftung relevant wird. Es handelt sich hier um eine Beweiserleichterung zugunsten des Anspruchstellers bei typischen Geschehensabläufen (zB gilt beim Auffahrunfall grundsätzlich der Anscheinsbeweis, dass der Auffahrende pflichtwidrig gehandelt hat). Der Gegner muss in diesen Fällen aber nun nicht den vollen Gegenbeweis antreten. Es genügt, die richterliche Überzeugung zu erschüttern, dass ein vom Normalfall abweichender Geschehensablauf vorliegt (zB Vordermann sei an der roten Ampel rückwärts gefahren, sodass es zur Kollision kam). Dann obliegt dem
Anspruchsstellerwieder die Beweislast. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Diana Maria
1.3.2023, 21:21:32
Examenstreffer! Kam diese Woche als erste Klausur im Examen in BaWü dran
kajuka
2.3.2023, 16:33:41
Und Hamburg

Lukas_Mengestu
3.3.2023, 11:31:45
Super, vielen Dank euch beiden :-)

Lukas_Mengestu
6.3.2023, 08:36:57
@diana Maria, im Forum unter "Allgemeines" haben wir übrigens jetzt auch einen Thread zum Ringtausch der aktuellen Kampagne eingerichtet, über den ihr euch gerne auch über sonstige Themenstellungen austauschen könnt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7
3.3.2023, 10:00:37
Examenstreffer Sachsen 2023/I in der ZR I Klausur :-)

Lukas_Mengestu
3.3.2023, 10:46:59
Klasse, danke Dir für den Hinweis! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
kajuka
3.3.2023, 19:22:11
Was kam in Sachsen in ÖffR dran? Die Zivilklausuren sind im Frühjahr 2023 in Hamburg und Bawü wohl als Ringtausch-Klausuren gelaufen. 1. ZivilR war Gebrauchtwagen (Oldtimer-Elektromotor) 2. ZivilR GoA/DeliktsR (Notfallknopf-Wasserschaden-Speisekarten-Zerstörte Uhr) 3. ZivilR (Rückforderung Schenkung, Zugewinnsausgleich Eheleute, Arbeitskraft unter Eheleute) usw.
lisi99
4.3.2023, 09:03:46
Es lief BauR und Polizeirecht.
kajuka
4.3.2023, 09:14:14
Super, Dankeschön!
kajuka
4.3.2023, 09:14:59
War Sachsen auch Teil vom Ringtausch? Also kommt dir von den Themen etwas bekannt vor? :-) Viele liebe Grüße!
lisi99
4.3.2023, 09:21:05
Ja, Sachsen scheint auch diesmal wieder Teil des Rigtausches gewesen zu sein.
kajuka
4.3.2023, 09:29:59
Ach, krass…👀 Also garkein Staatsrecht? Und was genau kam in den Öff Klausuren? :-)
ehemalige:r Nutzer:in
26.4.2023, 22:16:52
In BaWü kamen im ÖR 1. Klausur
Normenkontrollantrageines MdB (gegen Verbot von Anbringen eines Posters an Bürofenster) und in Aufgabe 2 etwas PolizeiR dran. In Letzterer musste man die
Zulässigkeiteiner
FFKprüfen. In der 2. Klausur kam nur KommunalR dran: „Geschehnisse im Kreisrat“, d.h.
Rechtmäßigkeiteines Gesetzentwurfs und Kommunalaufsichtsrecht
Friederike Boelitz
24.4.2023, 08:47:55
Wo stehen die Gesetze die Für Garantien gelten?

Carl Wagner
24.4.2023, 15:04:54
Gerne helfe ich dir da weiter! Im Ausgangspunkt ist der Garantievertrag ein atypischer Vertrag (=nicht wie ein Kaufvertrag oder Mietvertrag typisierter Vertrag) und fällt unter den allgemeinen § 311 I BGB (Vertragsfreiheit). Im allgemeinen Kaufrecht ist die Garantie in § 443 I BGB definiert. § 433 II BGB enthält eine widerlegliche
Vermutungzugunsten des Käufers, wenn es sich um eine
Haltbarkeitsgarantiehandelt. Im Verbrauchsgüterkaufrecht ist sie in § 479 BGB geregelt. Hier findet sich sogar ein Mindestinhalt gem. § 479 III BGB. Außerdem gibt es hier für die Garantie eine besondere Verjährungsregelung in § 475e IV BGB. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team @[
Lukas Mengestu](136780)

Pilea
17.10.2023, 10:11:30
Kann die Verkäuferin wählen, ob sie den Mangelwert ersetzt haben will oder die fiktiven Reparaturkosten? Das muss sich doch nicht unbedingt entsprechen, oder?
Leo Lee
22.10.2023, 12:31:26
Hallo Pilea, das ist eine sehr gute Frage! Beachte allerdings, dass der Mangelwert und die Reparaturkosten (fiktiv oder nicht) deckungsgleich sind, da die Reparaturkosten im Grunde an die Stelle des Mangelwerts treten (als sog. kleiner SE). Denn wenn K nicht den SE verlangt, kann sie weiterhin die Behebung des Mangels verlangen (und damit die Ausgleichung des Minderwerts bis zum Vollwert, anlässlich des Mangels). Somit entsprechen sich Mangel(bedingter Minder)wert und die (fiktiven) Reparaturkosten i.R.d. kleinen SEs in diesem Fall :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Pilea
17.10.2023, 10:12:04
Und die Buttons verdecken noch die Schrift.
Findet Nemo Tenetur
17.10.2024, 21:16:59
In der Erklärung hört es sich für mich so an, als seien
Vermutungs- und Zweifelsregelungen im Prinzip das gleiche (daher auch die Kollision). Dass das Zusammenspiel der beiden Regelungstypen hier interessant ist, leuchtet mir ein. Aber es sind doch zwei Grundsätzlich andere Ansätze, oder nicht? Das finde ich komisch. Ich dachte immer, die beiden sind grundsätzlich verschieden: Ich dachte, bei einer (widerleglichen)
Vermutung, geht man grundsätzlich von dem aus, was die
gesetzliche Vermutungvorgibt. Die
Vermutunggilt also, solange sie nicht widerlegt wird. Die Zweifelsregelung kommt hingegen initial überhaupt nicht zum Einsatz, also man geht grundsätzlich von dem aus, was sich aus den realen Umstände ergibt und erst wenn sich daraus nichts ableiten lässt, greift man auf die gesetzliche Zweifelsregel zurück. Die Zweifelsregelung gilt also erst dann, wenn sich nicht aus anderweitigen Umständen eine Klärung ergibt. Denn sonst bestünden ja gar keine Zweifel. Kann mir jemand erklären, weswegen das offenbar nicht so ist, und die hier gleichbehandelt werden?
jonas0108
6.11.2024, 19:54:29
Hallo, könnte nochmal genauer begründet werden, warum § 344 I HGB nicht auf den Einzelkaufmann angewandt werden soll? Weil aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich das ja nicht direkt. Dann würde im Ergebnis, wenn § 13 BGB für Einzelpersonen immer vorrangig ist das HGB regelmäßig ausgehebelt, obwohl laut HGB ja auch der Einzelkaufmann nunmal Kaufmann ist. Ist dies auch mit einer europarechtlichen (verbraucherschützenden) Auslegung zu erklären? Würde mich über eine etwas detailliertere Erklärung freuen :) Vielen Dank im Voraus und beste Grüße Jonas
Leo Lee
10.11.2024, 12:10:00
Hallo jonas0108, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ergibt sich aus 344 HGB nicht direkt, dass die Norm (nicht) auf den Einzelkaufmann anzuwenden ist. Diese Unanwendbarkeit ergibt sich vielmehr - wie du bereits schon angedeutet hast - aus dem Zweck der Norm, v.a. in Ansehung des 13 BGB. Denn 344 HGB und 13 BGB enthalten jeweils entgegengesetzte
Vermutungen; 13 BGB im Zweifel Verbraucher, 344 HGB als
VermutungHandelsgeschäft. Wenn also der Einzelkaufmann (der auch Einzel"person" ist), der sich an der Schnittstelle dieser beiden Normen befindet, einen Kauf tätigt, stellt sich die Frage, ob er einen "höheren" Schutz genießen könnte aufgrund 13 BGB oder sogar einen herabgesetzten(!) aufgrund 344 HGB. Und insofern hast du Recht, dass dann das HGB regelmäßig ausgehebelt wird aufgrund 13 BGB, da dann höhere Anforderungen gelten, um eben die "Nichtverbrauchereigenschaft" zu begründen. Dies ist aber - ebenfalls wie du schon angedeutet hast - durch den Gedanken des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-HGB 5. Auflage, Maultzsch § 344 Rn. 24 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
as.mzkw
27.11.2024, 06:20:19
Wäre eine Fristsetzung nicht nach § 475d II 1 BGB entbehrlich?