Retterschäden 3

26. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T zündet das Gartenhäuschen des A an, in dem sich viele Spielsachen der kleinen Tochter S befinden. Als das Häuschen schon in Flammen steht, rennt S hinein, um ihre Lieblingsspielautos zu retten. Dabei erleidet sie Atembeschwerden und bricht ihre Rettungsaktion ab.

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Einordnung des Falls

Retterschäden 3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T das Gartenhaus des A angezündet hat, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.

Ja!

Das Gartenhäuschen ist eine Hütte, da es sich um ein Bauwerk handelt, das ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bildet, eine nicht nur geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist. Es wurde auch in Brand gesetzt, da es in einer Weise vom Feuer erfasst ist, dass ein Weiterbrennen aus eigener Kraft möglich ist. Zudem befand es sich im Eigentum des A, sodass es für T fremd war.
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2. T hat sich wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) strafbar gemacht, wenn er "eine in § 306 Abs. 1 StGB bezeichnete Sache" "in Brand gesetzt" hat und "dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung" gebracht hat.

Genau, so ist das!

§ 306a Abs. 2 StGB ist ein selbstständiges Grunddelikt und keine Qualifikation zu § 306 StGB. Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Schutzrichtungen. § 306a Abs. 2 StGB schützt die Gesundheit, § 306 Abs. 1 StGB hingegen das Eigentum. Die Definitionen des Tatobjekts und der Tathandlung sind aber identisch.

3. T hat die S "in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht" (§ 306a Abs. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Gesundheitsschädigung (wie in § 223 StGB) meint das Hervorrufen oder Steigern eines wenn auch nur vorübergehenden pathologischen Zustandes. Konkrete Gefahr meint eine kritische Situation, in der die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Rechtsgutserfolges besteht und die (mögliche) Rechtsgutsverletzung lediglich zufällig ausbleibt. S hat hier bereits Atembeschwerden erlitten. Diese stellen eine Gesundheitsschädigung dar.

4. Die Gesundheitsgefährdung muss "durch" das Inbrandsetzen des T hervorgerufen worden sein.

Ja!

Erforderlich ist der spezifische Gefahrzusammenhang, d.h. in der Gesundheitsgefährdung muss sich gerade das der Brandstiftungshandlung innewohnende Risiko verwirklichen.

5. Da S aus bloßem Affektionsinteresse gehandelt hat, liegt eine freiverantwortliche Selbstgefährdung vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Schäden privater Retter stehen im Unmittelbarkeitszusammenhang zur Inbrandsetzung, soweit sie aus einer typischerweise erwartbaren Handlung herrühren. Verfolgt das Opfer bei der Rettungshandlung keine einsichtigen Motive, wird der Unmittelbarkeitszusammenhang durch das Eigenverantwortungsprinzip durchbrochen (freiverantwortliche Selbstgefährdung). Bei bloßem Affektionsinteresse oder zur Durchsetzung nachrangiger Ziele wird der Unmittelbarkeitszusammenhang regelmäßig durchbrochen. Erforderlich ist aber, dass der sich selbst Gefährdende vollverantwortlich handelt. Gefährdet sich eine nicht voll verantwortliche Person selbst, so ist dies dem Brandstifter - selbst bei irrationalen Gründen des Opfers - zuzurechnen. S ist ein Kind und damit eine nicht voll verantwortliche Person.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

19.10.2022, 14:28:10

Wenn jetzt der Vater rein gerannt wäre, würde aber nach der hier gefolgten Meinung verneint, da es dann die gleiche Situation wäre wie bei den Fotos im Fall davor oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2022, 13:33:57

Exakt, die Fälle unterscheiden sich lediglich im Hinblick auf die Verantwortlichkeit der "Retter". Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JO

JonasRehder

25.11.2023, 11:19:45

Moin! Ich wollte nur darauf hinweisen, dass sich bei der Prüfung des § 306 eure Ausführungen auf § 306 I Nr. 1 Var. 2 stützen, in der Frage dann aber § 306 I Nr. 1 Var. 1 bejaht wird. Das ist bei einem kleinen Gartenhäuschen tendenziell aber eher, wie auch in der Prüfung gezeigt, ein Fall des § 306 I Nr. 1 Var. 2

LELEE

Leo Lee

26.11.2023, 09:30:15

Hallo JonasRehder, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben den Text nun entsprechend korrigiert :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

jura🐈

jura🐈

27.6.2024, 17:48:10

Hallo, um nochmal sicher zu gehen wollte ich nachfragen, ob im Rahmen des Gefahrenzusammenhangs "schlicht" die Peobleme der objektiven Zurechnung geprüft werden? oder handelt es sich hierbei um 2 zu trennende Pürfungspubkte, die nicht vermischt werden? Vielen Dank für die Antwort schonmal im Voraus!

LELEE

Leo Lee

29.6.2024, 07:19:24

Hallo jura, vielen Dank für die sehr gute Frage! Diese Frage ist leieder nicht sehr einfach zu beantworten, da der spezifische Gefahrenzusammenhang kein TBM ist, was im Gesetz ausdrücklich steht (vielmehr wurde dieses Konzept „erfunden“, um aufgrund der hohen Strafe den Tatbestand restriktiv handzuhaben). Allerdings wird i.R.d. spezifischen Gefahrenzusammenhangs in der Tat auch in gewisser Hinsicht die obj. Zurechnung geprüft, etwa wenn eine Selbstgefährdung oder ein

Dazwischentreten Dritter

vorliegt. Deshalb lautete die Antwort auf deine Frage: Die obj. Zurechnung wird geprüft, allerdings ohne dabei den Begriff zu erwähnen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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