Eigentumslage am Tatobjekt
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A möchte ein Zeichen gegen die westliche Konsumgesellschaft setzen. Er zündet das Warenlager des großen Onlineversandhändlers O an. Dabei erkennt er, dass sich noch Arbeiter im Warenlager befinden.
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Einordnung des Falls
Eigentumslage am Tatobjekt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat sich wegen Brandstiftung strafbar gemacht, wenn er ein "fremdes" "Warenlager" "in Brand gesetzt" hat (§ 306 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat sich wegen schwerer Brandstiftung strafbar gemacht, wenn er "eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 bezeichnete Sache" "in Brand gesetzt hat" und "dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung" gebracht hat (§ 306a Abs. 2 StGB).
Ja!
3. Das Warenlager des O ist "eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 bezeichnete Sache" (§ 306a Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
4. Das Warenlager muss für A "fremd" sein (§ 306a Abs. 2 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Prokurist
5.12.2022, 15:07:22
Soweit ich weiß, können auch Warenlager unter § 306a II Nr. 3 fallen, wenn sich dort regelmäßig Arbeiter aufhalten. Wäre perfekt, wenn es deshalb hierzu in der Fallbearbeitung noch eine Frage oder einen kurzen Hinweistext gäbe!
Nora Mommsen
5.12.2022, 15:14:37
Hallo Alexander, Danke für den Hinweis. Das möchten wir gar nicht ausschließen - tatsächlich ist aber der § 306a Abs. 2 StGB konkurrenzdominant vor § 306a Abs. 1 StGB zu prüfen. Die Einordnung des Warenlagers im Rahmen des Abs. 1 wird also nur relevant, wenn keine Variante des § 306a Abs. 2 StGB erfüllt ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Prokurist
5.12.2022, 16:33:16
Hallo Nora. Vielen Dank für die schnelle Rückmeldung! Ich muss jetzt aber noch einmal nachhaken: Ich habe bisher immer davon gelesen, dass zwischen § 306a Abs. 1 und Abs. 2 Tateinheit möglich ist (zB im Fischer und MüKo). Demnach müsste man in der Klausur ja schon zunächst einmal beide Absätze voll durchprüfen oder bin ich da gerade irgendwie auf dem Holzweg…?
antoniasophie
26.7.2023, 20:21:55
Oh, das interessiert mich auch :)
Keles111
26.1.2024, 18:47:19
Ich verstehe nicht wieso das Warenlager für die Erfüllung des § 306a II nicht fremd sein muss, wobei doch die Grundvoraussetzung dafür, das Vorliegen eines tauglichen
Tatobjekts iSd. § 306 I Nrn. 1-6 sein muss. Im Hinblick auf das Warenlager müsste es dann ja doch fremd sein, sonst käme man in der Prüfung nichtmal so wie anzusprechen, dass eine konkrete Gefahr vorlag. Will nicht ausschließen, dass ich die Frage oder den Sinn und Zweck dahinter falsch verstanden haben könnte, aber für den Fall würde ich gerne auf die Missverständlichkeit hinweisen.
Leo Lee
27.1.2024, 19:30:01
Hallo Keles111, vielen Dank für diese sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ist es auf den ersten Blick sehr komisch, dass der § 306a II StGB, der sich auf den § 306 I StGB bezieht, keine Fremdheit fordert; dies ist der etwas unglücklichen Gesetzessystematik (m
ehrere verschiedenen Deliktsarten innerhalb eines Paragrafen) geschuldet. Abgesehen von dem Argument, dass § 306a II StGB nicht explizit auf „fremd“ verweise, gibt es einen entscheidenen Grund für die „Nichterforderlichkeit“ der Fremdheit: § 306 I StGB stellt einen speziellen Fall der SACHEBSCHÄDIGUNG dar (also im Grund 303 I + Feuer = 306 I StGB); und weil eben eine Sachbeschädigung immer eine FREMDE Sache betreffen muss, erfordert § 306 I StGB auch das TBM „fremd. § 306a II StGB (wie 306a I StGB) ist wiederum ein Gefährdungsdelikt und soll allen voran die Gefahr durch das Feuer selbst bestrafen, und nicht hauptsächlich die Sachbeschädigung wie bei § 306 I StGB. Deshalb wird – allen voran wegen des Deliktstyps – bei § 306a I und II keine Fremdheit verlangt. Summa summarum: § 306a ist kein spezieller Fall der Sachbeschädigung, weshalb auch eine Fremdheit egal ist. Wenn ich meine eigene Sache verbrenne und sich dabei Menschen verletzen, ist der § 306a I bzw. II GERADE nach dem Sinn und Zweck betroffen. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Radtke § 306 Rn. 1 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo