Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Geschäftsfähigkeit
Wirksame Erfüllung gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen
Wirksame Erfüllung gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Nachbarin N schuldet der 12-jährigen K noch €100 für die Gitarre, die sie K mit Einverständnis von Ks Eltern abgekauft hat. Als N die K zufällig am See trifft, möchte sie dies aus der Welt schaffen und übergibt ihr einen 100-Euro-Schein. Diesen verliert K auf dem Heimweg.
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Einordnung des Falls
Wirksame Erfüllung gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat Eigentum an dem 100-Euro-Schein erlangt (§ 929 S. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ks Kaufpreiszahlungsanspruch gegen N ist nach h.M. durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
3. Da mit Übergabe des 100-Euro-Scheins keine Erfüllungswirkung eingetreten ist, hat N einen Anspruch auf Rückübereignung des Scheins gegen K (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Helena
13.12.2021, 18:56:47
Ich finde die Frage etwas verwirrend. Denn die N hat ja den Anspruch, dieser ist nur nicht durchsetzbar wegen
Entreicherung.
Lukas_Mengestu
13.12.2021, 19:25:00
Hallo Helena, vielen Dank für Deine Rückfrage. Bei der
Entreicherunghandelt es sich allerdings um eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung, wie zB die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB und nicht bloß um eine "Einrede". Der Anspruch erlischt insofern unmittelbar durch die
Entreicherung, es wird nicht bloß die Durchsetzung des Anspruchs durch die Erhebung einer Einrede gehemmt (vgl. Schwab, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 818 RdNr. 185). Insofern ist es durchaus korrekt, dass N hier keinen Anspruch mehr auf die Leistung hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Merida
13.7.2023, 13:31:58
Ich schließe mich Helena an. Das Grundproblem ist, dass man aus der Systematik eurer Fragen an sich bei der Fragestellung hier erwartet, dass erst gefragt wird, ob grundsätzlich der Anspruch besteht, und als folgefrage dann die
entreicherungkommt. Wenn das (ausnahmsweise) nicht so ist liegt man bei derartigen Fragen falsch und hat sie dauernd bei wiederholen obwohl man an sich nicht falsch gelegen hätte. Vielleicht findet ihr dafür noch eine bessere Lösung 😇
NN
21.4.2024, 15:45:41
Kann mich den Beiden nur anschließen!
Matschegenga
12.6.2024, 21:42:18
Statt einfach schon die Wirksamkeit der
Übereignungmit dem Argument des Minderjährigenschutzes auszuschließen, wendet man stattdessen den §
107 BGBlieber analog auf den Eintritt der Erfüllungswirkung an. Die Folge: Man stelle sich vor, der Schuldner schuldet dem Minderjährigen Geld. Solange die Eltern ihre Einwilligung in die Erfüllung verweigern, kann der Minderjährige vom Schuldner immer wieder Geldzahlung fordern, das Geld ausgeben, wieder Geldzahlung fordern und wieder ausgeben. Abgesehen von der Frage, wie der Minderjährigenschutz so eine Analogie in Abwägung mit dem Schutz des Rechtsverkehrs und den Interessen des Schuldners überhaupt rechtfertigen soll. Wer möchte denn überhaupt unter diesen Umständen mit einem Minderjährigen kontrahieren? Zumal die gesetzlichen Vertreter dem Verpflichtungsgeschäft zugestimmt haben und somit bereits fest damit rechnen dürften, dass eine Leistung an ihr Kind bewirkt wird - wie soll die Schutzwürdigkeit des Minderjährigen da so groß sein, dass ein solches Konstrukt gerechtfertigt ist?
Timurso
13.6.2024, 10:31:35
Sicherlich kann man geteilter Meinung darüber sein. Nichtsdestotrotz sehe ich hier schon einen gewissen Schutzbedarf, da die Zustimmung zum Kaufvertrag nur das "Ob" der Leistung an das Kind bestimmt, nicht jedoch das "Wie". Die Eltern haben hier ein Interesse daran, sicherzustellen, dass das Kind das Geld nicht verliert. Der Rechtsverkehr ist dadurch auch nicht über Gebühr eingeschränkt, in Kenntnis der Rechtsprechung sollte die N das Geld eben einfach den Eltern als Vertreter des Kindes geben und hat keine Probleme.
Tom98
26.6.2024, 10:45:17
Das ist doch für einen Laien völlig realitätsfremd. Man kann durchaus erwarten, dass jemand, der nicht aus dem juristischen Bereich kommt, weiß, dass minderjährige beschränkt geschäftsfähig sind. Die Annahme, dass diese zusätzlich Kenntnis über das Abstraktion und
Trennungsprinziphaben, ist aber realitätsfremd. Als Laie würde ich annehmen, dass in der Einwilligung zum Rechtsgeschäft (Verpflichtungsgeschäft) jedenfalls eine
konkludente Einwilligung zur üblichen Erfüllung (des
Verfügungsgeschäftes) steckt. Dass Fälle nicht erfasst sind, in denen beispielsweise mit 1 Cent Münzen oder an Erfüllung statt/
erfüllungshalbergeleistet werden soll, ist aber klar.
Dogu
5.7.2024, 12:26:44
@[Tom98](228224) Dein Ansatz würde bedeuten, dass einem 7-jährigen der Verkaufspreis für sein Grundstück in die Hand gedrückt werden könnte. Das ist mE genauso unvertretbar. Und ja, aus steuerlichen Gründen werden Kinder oft über ihre Eltern Grundstückseigentümer.
Tom98
5.7.2024, 16:33:29
Ich denke, dass man da durchaus differenzieren darf. Das kann nämlich auch der Laie! Vieles in der Juristerei kann man ad absurdum führen. Das Wenigste ist deswegen gleich Murks.
Dogu
5.7.2024, 17:24:19
Mir ging's nicht ums ad absurdum führen, sondern um die Betonung, wie schützenswert das Vermögen des Minderjährigen ist und dass man die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters deshalb nicht auf die Erfüllung ausdehnen darf.
benjaminmeister
12.11.2024, 17:20:13
Die Regelung hat wie @[Dogu](137074) schon dargegelegt hat definitiv seine Berechtigung. In deiner @[Matschegenga](138216) Konstruktion dürfte man übrigens relativ schnell auch einfach mal zu § 242 BGB (Stichwort: Einwand des Rechtsmissbrauchs bei widersprüchlichem Verhalten) gelangen.