Wirksame Erfüllung gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen


mittel

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Nachbarin N schuldet der 12-jährigen K noch €100 für die Gitarre, die sie K mit Einverständnis von Ks Eltern abgekauft hat. Als N die K zufällig am See trifft, möchte sie dies aus der Welt schaffen und übergibt ihr einen 100-Euro-Schein. Diesen verliert K auf dem Heimweg.

Einordnung des Falls

Wirksame Erfüllung gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat Eigentum an dem 100-Euro-Schein erlangt (§ 929 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll (§ 929 S. 1 BGB). Die Einigung über den Eigentumsübergang ist ein dinglicher Vertrag, den ein Minderjähriger nur dann ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters abschließen kann, wenn er für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Dies ist allenfalls dann der Fall, wenn der Minderjährige der Erwerber des Eigentums ist. N hat K den Geldschein übergeben und beide waren sich darüber einig, dass das Eigentum daran auf K übergehen soll. Der Eigentumserwerb ist für K lediglich rechtlich vorteilhaft.

2. Ks Kaufpreiszahlungsanspruch gegen N ist nach h.M. durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Nach h.M. (Theorie der realen Leistungsbewirkung) tritt die Erfüllungswirkung ein, wenn der Leistungserfolg bewirkt wird und der Leistungsempfänger empfangszuständig ist. Die Erfüllung ist also kein Rechtsgeschäft, sondern ein Realakt. Obwohl sie für einen Minderjährigen rechtlich nachteilig ist, weil sie seinen Anspruch zum Erlöschen bringt, ist § 107 BGB somit nicht anwendbar. Um trotzdem den Minderjährigenschutz sicherzustellen, wendet die h.M. den § 107 BGB auf die Erfüllung analog an. Ein beschränkt Geschäftsfähiger ist hiernach nur dann empfangszuständig für die Leistung, wenn er sie mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erhält. Ks Eltern haben nur in den Kaufvertrag, nicht jedoch in den Empfang des Geldes durch K eingewilligt.

3. Da mit Übergabe des 100-Euro-Scheins keine Erfüllungswirkung eingetreten ist, hat N einen Anspruch auf Rückübereignung des Scheins gegen K (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB).

Nein!

Wer durch die Leistung eines anderen etwas erlangt, ohne dass der mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg eintritt, ist dem Leistenden zur Herausgabe verpflichtet (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Die Verpflichtung zur Herausgabe ist jedoch ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Die N hat der K den Geldschein gegeben, um den Kaufpreiszahlungsanspruch der K zu erfüllen. Dieser von ihr bezweckte Erfolg ist mangels Einwilligung ihrer Eltern nicht eingetreten. Der Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, da die K den Geldschein verloren hat und somit entreichert ist.

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