Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub, u.a.

Dreiecksbetrug – Zurechenbarkeit einer Vermögensverfügung

Dreiecksbetrug – Zurechenbarkeit einer Vermögensverfügung

15. Mai 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Häuslebauer H vereinbart mit dem Dritten D, auf Ds Grundstück Hs Terrassendielen zwischenzulagern. Kurz darauf lässt sich Bauarbeiterin B unter Beteuerung ihrer Eigentümerschaft von Ds Mitarbeiter M die Dielen herausgeben und verbraucht sie für eigene Zwecke. H wollte damit seine Terrasse erneuern.

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Einordnung des Falls

Dreiecksbetrug – Zurechenbarkeit einer Vermögensverfügung

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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem B gegenüber M behauptete, sie sei Eigentümerin der Dielen, hat sie M getäuscht und einen Irrtum erregt (§ 263 Abs. 1 StGB).

Ja!

B könnte sich des Betruges strafbar gemacht haben (§ 263 Abs. 1 StGB). Der objektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt zunächst (1) eine Täuschung und (2) einen hierdurch bedingten Irrtum des Opfers voraus. Zu (1): Eine Täuschung ist die ausdrückliche oder konkludente Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel bewusster Irreführung über Tatsachen. Zu (2): Ein Irrtum bezeichnet das Auseinanderfallen von subjektiver Vorstellung und objektiver Wahrheit. B hat gegenüber M fälschlich behauptet, selbst Eigentümerin der Dielen zu sein und damit eine taugliche Täuschungshandlung verübt. Durch diese Täuschungshandlung wurde auch eine Fehlvorstellung bei M über die Eigentumsverhältnisse an den Terrassendielen erregt.
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2. M müsste durch die „Freigabe der Terrassendielen“ irrtumsbedingt über die Dielen verfügt haben.

Genau, so ist das!

Der objektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt weiter voraus, dass der Getäuschte (3) irrtumsbedingt eine Vermögensverfügung vornimmt. Unter einer Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten zu verstehen, das unmittelbar eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen herbeiführt. Da M glaubte, B sei Eigentümerin der Dielen, hat er zugelassen, dass B diese mitnahm und sich den unmittelbaren Besitz an diesen sicherte. Hierin könnte eine Vermögensverfügung zu sehen sein. Die Verfügung muss auch bewusst erfolgen. Im Originalfall blieb unklar, ob der Mitarbeiter sich bei der Freigabe Gedanken über Bs Eigentümerstellung gemacht hatte. Das OLG hatte allerdings angenommen, dass er jedenfalls aufgrund „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ von Bs Berechtigung ausgegangen war, was für das notwendige Verfügungsbewusstsein genüge (RdNr. 16).

3. Wenn durch die Verfügung das Vermögen des Verfügenden – hier M – selbst nicht gemindert wird, scheidet eine Strafbarkeit des Täters wegen vollendetem Betrug stets aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Beim Betrug müssen lediglich Getäuschter und Verfügender identisch sein, nicht aber Verfügender und Geschädigter. Die Vermögensminderung kann somit auch bei einem Dritten eintreten. Um in diesem Fall den Selbstschädigungscharakter des Betrugs zu wahren, muss dem Geschädigten als Vermögensinhaber die Verfügung aber zugerechnet werden können (sog. „Dreiecksbetrug“).M war lediglich Besitzdiener des D. Da er selbst keinen Besitz an den Dielen hatte, hat sich sein Vermögen durch die Besitzübertragung nicht vermindert. In Betracht kommt insoweit allenfalls ein Dreiecksbetrug gegenüber M und zulasten des D oder des H.

4. Wurde Ds Vermögen durch den Verlust des unmittelbaren Besitzes an den Dielen wirtschaftlich vermindert?

Nein!

Der redliche Besitz stellt zwar im Grundsatz eine geschützte Vermögensposition dar. Der Verlust des (mittelbaren) Besitzes führt aber nur dann auch zu einer relevanten Vermögensminderung, wenn dem Besitz ein wirtschaftlicher Wert zukommt.OLG: Dem Gewahrsam und unmittelbare Besitz an den aufbewahrten Terrassendielen lasse sich für D als bloßem Verwahrer kein wirtschaftlicher Wert beimessen (RdNr. 17).

5. Hat H durch den Verlust des mittelbaren Besitzes an den Dielen eine wirtschaftliche Vermögensminderung erlitten?

Genau, so ist das!

Der redliche Besitz stellt grundsätzlich eine geschützte Vermögensposition dar. Der Verlust des (mittelbaren) Besitzes führt aber nur dann auch zu einer Vermögensminderung, wenn dem Besitz ein wirtschaftlicher Wert zukommt.OLG: H sei mittelbarer Besitzer der Dielen. Da er diese bei sich einbauen wollte, habe er durch den mittelbaren Besitz an diesen wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verloren, sodass eine unmittelbare Vermögensminderung vorläge (RdNr. 17).

6. Ist Ms Verfügung an den Terrassendielen H zurechenbar?

Ja, in der Tat!

Wann die Vermögensverfügung eines Dritten beim Dreiecksbetrug dem Geschädigten zurechenbar ist, ist streitig. Nach der herrschenden Lagertheorie muss der Getäuschte im Lager des Geschädigten stehen. Dieses liegt vor, wenn ein rechtliches oder faktisches Näheverhältnis zum Drittvermögen besteht, zB bei der Übernahme von Schutz- oder Prüfungsfunktionen. M ist für D angestellt, sodass sein Verhalten D zurechenbar ist. D wiederum hatte mit H vereinbart, die Dielen zu verwahren, also mit diesem ein Besitzmittlungsverhältnis geschlossen. Er stand im Lager des H und die Verfügung seines Mitarbeiters war damit H zurechenbar. Im Ausgangsfall bestand noch die Besonderheit, dass D die Eigentumslage nicht klar war und er für den „tatsächlich Berechtigten“ besitzen wollte. Dem OLG genügte dies, um D dem Lager des H zuzurechnen. Auf die konkrete Kenntnis der Person des Vermögensinhabers komme es nicht an. Wie sich im Umkehrschluss aus § 870 BGB ergebe, sei die Kenntnis des Besitzmittlers von der Person des mittelbaren Besitzers nicht erforderlich (RdNr. 17).

7. B hat sich eines Betrugs gegenüber M und zulasten des H nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Ja!

B hat (1) mittels einer Täuschungshandlung (Vorspiegelung über Eigentum) (2) einen Irrtum erregt (fehlerhafte Eigentumsvorstellung), (3) der zu einer dem Geschädigten zuzurechnenden irrtumsbedingten Vermögensverfügung beitrug (Übertragung des unmittelbaren Besitzes), (4) die unmittelbar zu einem Vermögensschaden führte (kompensationsloser Verlust des mittelbaren Besitzes). B handelte auch vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht, ferner rechtswidrig und schuldhaft. Das AG hatte noch ein Näheverhältnis zwischen D und H abgelehnt und in der Folge einen (Trick-)Diebstahl statt eines Betrugs angenommen.

8. Daneben hat sich B durch die Mitnahme der Dielen eines Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach st.Rspr. handelt es sich beim Betrug um ein Selbst-, beim Diebstahl um ein Fremdschädigungsdelikt. Aus diesem Grund schließen sich Betrug und Diebstahl hinsichtlich eines einheitlichen tatsächlichen Vorgangs tatbestandlich gegenseitig aus (Exklusivitätsthese). Die Delikte lassen sich durch das (ungeschriebene) Merkmal der Vermögensverfügung auseinanderhalten. Für einen Betrug muss der Getäuschte unmittelbar und mit Verfügungsbewusstsein über die Sache verfügen. Er muss auf Grund freier, nur durch Irrtum beeinflusster Entschließung Gewahrsam übertragen wollen und übertragen. (Trick-)Diebstahl liegt hingegen vor, wenn die Täuschung nur dazu dient, einen gegen den Willen des Berechtigten gerichteten eigenmächtigen Gewahrsamsbruch des Täters zu ermöglichen oder zu erleichtern (RdNr. 14).

9. B wird aber noch wegen Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB verurteilt.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 246 Abs.1 2.HS StGB tritt die Unterschlagung im Wege der formellen Subsidiarität zurück, wenn die Tat in anderen Vorschriften mit schwerer Strafe bedroht ist.Hier gelangte B infolge des bereits nach § 263 StGB strafbewehrten Dreiecksbetrug in den Besitz der Dielen. Hinter diesem tritt die Unterschlagung wegen der in § 246 Abs. 1 StGB ausdrücklich geregelten formellen Subsidiarität zurück.Sofern hier keine Probleme angelegt sind, kannst Du die Prüfung regelmäßig auf den Hinweis bezüglich der Konkurrenz begrenzen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

JonasRehder

23.1.2024, 15:20:32

Moin, ich weiß, dass es bisher in der Rspr. in Fällen der Abgrenzung von

Dreiecksbetrug

und Trickdiebstahl keinen Verweis auf die etwaig einschlägige Konstellation der mittelbaren Täterschaft gibt. Ist dies jedoch nicht gerade hier naheliegender als die Annahme eines normalen Trickdiebstahls? Wenn ja, könntet ihr das aufnehmen?

Erik_1995

Erik_1995

9.5.2025, 14:37:50

@[JonasRehder](141758) Ich habe es endlich durchdrungen. Einmal verstanden sind solche Fälle ein Geschenk im Examen: Alsooo: Die erste Frage ist immer, ob das Einverständnis des Getäuschten beachtlich ist. Die Abgrenzung findet bei § 263 in der

Vermögensverfügung

statt. Ist es beachtlich? (der Getäuschte stand im Lager des Geschädigten) dann scheidet immer Diebstahl aus, weil bei

§ 242

ein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

vorliegt welches zu Lasten des Geschädigten wirkt. Stellen wir fest, dass der Verfügende nicht im Lager des Geschädigten stand, ist sein tatbestandsausschließendes Eiverständnis unbeachtlich. Es wäre ja auch unbeachtlich, wenn ich einem 3. gestatte in dein Haus einzubrechen. Ich bin dazu nicht befugt sofern ich nicht in deinem Lager stehe. Genau deswegen brauchen wir die Lagertheorie um zu klären, ob mein Einverständnis (ob durch

Täuschung

verursacht oder nicht) beachtlich ist. Festzuhalten ist also: Die Lagertheorie entscheidet darüber, ob das natürliche Einverständnis des Getäuschten dem Geschädigten zugerechnet wird. Falls nicht liegt zwingend

Diebstahl in mittelbarer Täterschaft

oder Trickdiebstahl vor. Zur Abgrenzung dessen: Es kommt darauf an, wer den Gewahrsam des Geschädigten gebrochen hat. War es der Getäuschte selbst, hat er den objektiven Tatbestand des

§ 242

erfüllt. Da es ihm an der

Bereicherungsabsicht

fehlt, ist er lediglich ein

absichtslos doloses Werkzeug

. Stimmt der Getäuschte hingegen nur zu, dass ein

Dritter

den Gewahrsam bricht, handelt es sich um klassischen Trickdiebstahl im Dreieck. Den Tatbestand des

§ 242

hat dann alleine der Täuschende erfüllt. Ein "normaler" Diebstahl. Im hiesigen Fall( sofern man ein Näheverhältnis ablehnt): D hat nur zu C gesagt "ja okay, dann nimm es dir". Der objektive Tatbestand des

§ 242

hat alleine C erfüllt. D hat gar nichts gemacht außer unbefugterweise mit dem Gewahrsamsbruch durch C einverstanden zu sein. Deswegen scheitert eine Strafbarkeit des C auch nicht an einem tatbestandsausschließenden Einverständnis! Denn was D sagt ist völlig egal, er durfte "nichts melden". Abschließend: Es macht keinen Unterschied, ob C dem D gesagt hat, dass er zum Abtransport berechtigt war oder ob C sich nachts heimlich auf das Grundstück schleicht und die Platten abtransportiert. Es ist

rechtl

ich exakt das gleiche. Denn sofern man sagt, D stand nicht im Lager des Opfers wird jede

Täuschung

an ihm bei

§ 242

unbeachtlich ( Außer beim Prüfen der mittelbaren Täterschaft bei der Tatherrschaft). In beiden Fällen hat alleine C den Tatbestand des

§ 242

erfüllt. Das eine hat nur den fancy Namen "Trickdiebstahl". Dogmatisch ist ein Trickdiebstahl nichts anderes als ein normaler Diebstahl. Ich hoffe das hilft anderen auch diesen "Klick-Moment" zu erleben wie ich es gestern durfte :D


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