Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

Entscheidungen von 2023

Dreiecksbetrug – Zurechenbarkeit einer Vermögensverfügung

Dreiecksbetrug – Zurechenbarkeit einer Vermögensverfügung

11. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Häuslebauer H vereinbart mit dem Dritten D, auf Ds Grundstück Hs Terrassendielen zwischenzulagern. Kurz darauf lässt sich Bauarbeiterin B unter Beteuerung ihrer Eigentümerschaft von Ds Mitarbeiter M die Dielen herausgeben und verbraucht sie für eigene Zwecke. H wollte damit seine Terrasse erneuern.

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Einordnung des Falls

Dreiecksbetrug – Zurechenbarkeit einer Vermögensverfügung

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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem B gegenüber M behauptete, sie sei Eigentümerin der Dielen, hat sie M getäuscht und einen Irrtum erregt (§ 263 Abs. 1 StGB).

Ja!

B könnte sich des Betruges strafbar gemacht haben (§ 263 Abs. 1 StGB). Der objektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt zunächst (1) eine Täuschung und (2) einen hierdurch bedingten Irrtum des Opfers voraus. Zu (1): Eine Täuschung ist die ausdrückliche oder konkludente Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel bewusster Irreführung über Tatsachen. Zu (2): Ein Irrtum bezeichnet das Auseinanderfallen von subjektiver Vorstellung und objektiver Wahrheit. B hat gegenüber M fälschlich behauptet, selbst Eigentümerin der Dielen zu sein und damit eine taugliche Täuschungshandlung verübt. Durch diese Täuschungshandlung wurde auch eine Fehlvorstellung bei M über die Eigentumsverhältnisse an den Terrassendielen erregt.
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2. M müsste durch die „Freigabe der Terrassendielen“ irrtumsbedingt über die Dielen verfügt haben.

Genau, so ist das!

Der objektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt weiter voraus, dass der Getäuschte (3) irrtumsbedingt eine Vermögensverfügung vornimmt. Unter einer Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten zu verstehen, das unmittelbar eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen herbeiführt. Da M glaubte, B sei Eigentümerin der Dielen, hat er zugelassen, dass B diese mitnahm und sich den unmittelbaren Besitz an diesen sicherte. Hierin könnte eine Vermögensverfügung zu sehen sein. Die Verfügung muss auch bewusst erfolgen. Im Originalfall blieb unklar, ob der Mitarbeiter sich bei der Freigabe Gedanken über Bs Eigentümerstellung gemacht hatte. Das OLG hatte allerdings angenommen, dass er jedenfalls aufgrund „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ von Bs Berechtigung ausgegangen war, was für das notwendige Verfügungsbewusstsein genüge (RdNr. 16).

3. Wenn durch die Verfügung das Vermögen des Verfügenden – hier M – selbst nicht gemindert wird, scheidet eine Strafbarkeit des Täters wegen vollendetem Betrug stets aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Beim Betrug müssen lediglich Getäuschter und Verfügender identisch sein, nicht aber Verfügender und Geschädigter. Die Vermögensminderung kann somit auch bei einem Dritten eintreten. Um in diesem Fall den Selbstschädigungscharakter des Betrugs zu wahren, muss dem Geschädigten als Vermögensinhaber die Verfügung aber zugerechnet werden können (sog. „Dreiecksbetrug“).M war lediglich Besitzdiener des D. Da er selbst keinen Besitz an den Dielen hatte, hat sich sein Vermögen durch die Besitzübertragung nicht vermindert. In Betracht kommt insoweit allenfalls ein Dreiecksbetrug gegenüber M und zulasten des D oder des H.

4. Wurde Ds Vermögen durch den Verlust des unmittelbaren Besitzes an den Dielen wirtschaftlich vermindert?

Nein!

Der redliche Besitz stellt zwar im Grundsatz eine geschützte Vermögensposition dar. Der Verlust des (mittelbaren) Besitzes führt aber nur dann auch zu einer relevanten Vermögensminderung, wenn dem Besitz ein wirtschaftlicher Wert zukommt.OLG: Dem Gewahrsam und unmittelbare Besitz an den aufbewahrten Terrassendielen lasse sich für D als bloßem Verwahrer kein wirtschaftlicher Wert beimessen (RdNr. 17).

5. Hat H durch den Verlust des mittelbaren Besitzes an den Dielen eine wirtschaftliche Vermögensminderung erlitten?

Genau, so ist das!

Der redliche Besitz stellt grundsätzlich eine geschützte Vermögensposition dar. Der Verlust des (mittelbaren) Besitzes führt aber nur dann auch zu einer Vermögensminderung, wenn dem Besitz ein wirtschaftlicher Wert zukommt.OLG: H sei mittelbarer Besitzer der Dielen. Da er diese bei sich einbauen wollte, habe er durch den mittelbaren Besitz an diesen wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verloren, sodass eine unmittelbare Vermögensminderung vorläge (RdNr. 17).

6. Ist Ms Verfügung an den Terrassendielen H zurechenbar?

Ja, in der Tat!

Wann die Vermögensverfügung eines Dritten beim Dreiecksbetrug dem Geschädigten zurechenbar ist, ist streitig. Nach der herrschenden Lagertheorie muss der Getäuschte im Lager des Geschädigten stehen. Dieses liegt vor, wenn ein rechtliches oder faktisches Näheverhältnis zum Drittvermögen besteht, zB bei der Übernahme von Schutz- oder Prüfungsfunktionen. M ist für D angestellt, sodass sein Verhalten D zurechenbar ist. D wiederum hatte mit H vereinbart, die Dielen zu verwahren, also mit diesem ein Besitzmittlungsverhältnis geschlossen. Er stand im Lager des H und die Verfügung seines Mitarbeiters war damit H zurechenbar. Im Ausgangsfall bestand noch die Besonderheit, dass D die Eigentumslage nicht klar war und er für den „tatsächlich Berechtigten“ besitzen wollte. Dem OLG genügte dies, um D dem Lager des H zuzurechnen. Auf die konkrete Kenntnis der Person des Vermögensinhabers komme es nicht an. Wie sich im Umkehrschluss aus § 870 BGB ergebe, sei die Kenntnis des Besitzmittlers von der Person des mittelbaren Besitzers nicht erforderlich (RdNr. 17).

7. B hat sich eines Betrugs gegenüber M und zulasten des H nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Ja!

B hat (1) mittels einer Täuschungshandlung (Vorspiegelung über Eigentum) (2) einen Irrtum erregt (fehlerhafte Eigentumsvorstellung), (3) der zu einer dem Geschädigten zuzurechnenden irrtumsbedingten Vermögensverfügung beitrug (Übertragung des unmittelbaren Besitzes), (4) die unmittelbar zu einem Vermögensschaden führte (kompensationsloser Verlust des mittelbaren Besitzes). B handelte auch vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht, ferner rechtswidrig und schuldhaft. Das AG hatte noch ein Näheverhältnis zwischen D und H abgelehnt und in der Folge einen (Trick-)Diebstahl statt eines Betrugs angenommen.

8. Daneben hat sich B durch die Mitnahme der Dielen eines Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach st.Rspr. handelt es sich beim Betrug um ein Selbst-, beim Diebstahl um ein Fremdschädigungsdelikt. Aus diesem Grund schließen sich Betrug und Diebstahl hinsichtlich eines einheitlichen tatsächlichen Vorgangs tatbestandlich gegenseitig aus (Exklusivitätsthese). Die Delikte lassen sich durch das (ungeschriebene) Merkmal der Vermögensverfügung auseinanderhalten. Für einen Betrug muss der Getäuschte unmittelbar und mit Verfügungsbewusstsein über die Sache verfügen. Er muss auf Grund freier, nur durch Irrtum beeinflusster Entschließung Gewahrsam übertragen wollen und übertragen. (Trick-)Diebstahl liegt hingegen vor, wenn die Täuschung nur dazu dient, einen gegen den Willen des Berechtigten gerichteten eigenmächtigen Gewahrsamsbruch des Täters zu ermöglichen oder zu erleichtern (RdNr. 14).

9. B wird aber noch wegen Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB verurteilt.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 246 Abs.1 2.HS StGB tritt die Unterschlagung im Wege der formellen Subsidiarität zurück, wenn die Tat in anderen Vorschriften mit schwerer Strafe bedroht ist.Hier gelangte B infolge des bereits nach § 263 StGB strafbewehrten Dreiecksbetrug in den Besitz der Dielen. Hinter diesem tritt die Unterschlagung wegen der in § 246 Abs. 1 StGB ausdrücklich geregelten formellen Subsidiarität zurück.Sofern hier keine Probleme angelegt sind, kannst Du die Prüfung regelmäßig auf den Hinweis bezüglich der Konkurrenz begrenzen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

JonasRehder

23.1.2024, 15:20:32

Moin, ich weiß, dass es bisher in der Rspr. in Fällen der Abgrenzung von

Dreiecksbetrug

und Trickdiebstahl keinen Verweis auf die etwaig einschlägige Konstellation der mittelbaren Täterschaft gibt. Ist dies jedoch nicht gerade hier naheliegender als die Annahme eines normalen Trickdiebstahls? Wenn ja, könntet ihr das aufnehmen?


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