Vertreter ohne Vertretungsmacht

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A sucht einen Partner für die Gründung einer Beratungs-GbR, in der er junge Podcaster beraten will. Auf einem Date erzählt er Mutter M davon; M meint, ihre Tochter T wäre die perfekte Partnerin. Kurzerhand schließen A und M im Namen der T einen Gesellschaftsvertrag. A beginnt sofort, Podcaster unter Vertrag zu nehmen; T will davon nichts wissen, denn sie wollte das ja gar nicht.

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Einordnung des Falls

Vertreter ohne Vertretungsmacht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wirksamkeitsmängel bei Gründung einer Gesellschaft führen stets dazu, dass diese gar nicht entsteht.

Nein, das trifft nicht zu!

Weder Dritten noch den Gesellschaften untereinander ist es zumutbar, eine tätig gewordene Gesellschaft rückwirkend als juristisches Nullum zu betrachten. Deshalb greifen bei Mängeln des Gesellschaftsvertrags die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft ein: Ist durch Vollzug eines mangelhaften Vertrages ein Gesellschaftsverhältnis begründet worden, kann dieses nicht mehr rückwirkend beseitigt, sondern nur noch für die Zukunft aufgelöst werden. Ein Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund kann also in diesem Stadium grundsätzlich nicht mehr nach den allgemeinen Regeln mit Rückwirkung, sondern nur noch für die Zukunft durch Kündigung geltend gemacht werden.
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2. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft setzen lediglich einen mangelhaften Vertrag voraus.

Nein!

Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft haben drei Voraussetzungen: (1) muss tatsächlich ein, wenn auch unwirksamer, Gesellschaftsvertrag geschlossen worden sein, d. h. der Gesellschaftsvertrag muss zumindest vom tatsächlichen Willen der Vertragsschließenden erfasst werden, (2) muss die Gesellschaft in Vollzug gesetzt worden sein, weil erst dann eine Verdrängung der Nichtigkeitsfolgen gerechtfertigt ist und Abwicklungsprobleme eintreten und (3) dürfen die Mängel des Vertrags nicht so schwerwiegend sein, dass ihre Nichtbeachtung mit höherwertigen Interessen der Allgemeinheit oder Einzelner unvereinbar wäre.

3. Der Gesellschaftsvertrag der Beratungs-GbR ist an sich mangelhaft.

Genau, so ist das!

Eine GbR setzt voraus, dass sich die Beteiligten vertraglich zu einem gemeinsamen Zweck zusammengeschlossen haben, den jeder von ihnen fördert (§ 705 Abs. 1 BGB). Ein solcher Vertrag kommt durch Willenserklärungen zustande. T selbst hat nie eine eigene Willenserklärung abgeben; M konnte die T mangels Vertretungsmacht auch nicht wirksam vertreten. Eine Genehmigung hat T verweigert. Mangels wirksamer Willenserklärung der T ist der Gesellschaftsvertrag mangelhaft.

4. Für das Vorliegen einer fehlerhaften Gesellschaft genügt, dass ein Vertreter ohne Vertretungsmacht den mangelhaften Vertrag geschlossen hat.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Eine fehlerhafte Gesellschaft setze wie jede Gesellschaft einen Gesellschaftsvertrag voraus. Dafür genüge zwar das Vorliegen eines mangelhaften Vertrages. Dieser müsse aber von dem tatsächlichen, wenn auch rechtlich fehlerhaften Willen der Vertragschließenden getragen sein. Grundlegende Voraussetzung für die Annahme einer fehlerhaften Gesellschaft sei mithin das Vorliegen von - wenn auch fehlerhaften - auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gerichteten Willenserklärungen zwischen den Beteiligten (RdNr. 25) Da T selbst keine GbR gründen wollte und die T bloß die M als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, fehlt es an dem erforderlichen tatsächlichen Willen der Vertragsschließenden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Alexander

Alexander

28.2.2023, 15:37:40

Verstehe ich es richtig, dass in diesem Fall - wegen des Fehlens eines mangelhaften Gesellschaftsvertrags - dann die gesamte Tätigkeit allein über das Bereicherungsrecht abgewickelt werden müsste?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

24.3.2023, 10:46:57

Hallo Alexander, richtig - für die Fiktion der fehlerhaften Gesellschaft fehlt es hier an den entsprechenden Voraussetzungen. Die Rückabwicklung erfolgt also nach den ganz normalen Grundsätzen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Nils

Nils

11.1.2024, 14:19:57

Wäre das nicht sowieso ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter?

Dogu

Dogu

7.3.2024, 17:28:26

Nicht wenn die Mutter vorgibt als Stellvertreterin zu handeln. Dann verpflichtet sie sich ja nicht selbst, sondern (ggfs. unwirksam mangels Vertretungsmacht) die Tochter.

PAUL21

Paul21

8.2.2024, 22:10:04

Woraus ergibt sich, dass M für ihre Tochter insoweit keine Vertretungsmacht hatte?

LELEE

Leo Lee

10.2.2024, 16:06:07

Hallo Paul21, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die fehlende Vertretungsmacht der M für ihre Tochter ergibt sich daraus, dass im Sachverhalt nur genannt wird, dass M kurzerhand im Namen der T einen Vertrag schließt und T dies ja gar nicht wollte. Hieraus ergibt sich, dass T diese Vertretung nicht gewollt hat und dementsprechend auch zuvor keine Vollmacht erteilt wurde :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

PAUL21

Paul21

10.2.2024, 23:00:15

Hallo Leo, danke für die schnelle Antwort, die ich allerdings nur bzgl. einer etwaig rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht nachvollziehen kann. M hat aber bereits kraft Gesetzes Vertretungsmacht (§§ 1626 I, 1629 I BGB). Wieso reicht diese nicht aus?

PAT

Patrick4219

15.2.2024, 15:19:43

Weiß vielleicht noch jemand eine Antwort auf die Frage von @[Paul21](216751)? Nach meiner Einschätzung müsste hier der Vertrag unwirksam sein, da die Eltern die T gem. § 1629, 1626 BGB nur gemeinsam wirksam vertreten können. Vorliegend die M jedoch alleine gehandelt hat. Ich finde jedoch, dass die Sache mit dem Date der M schon sehr stark impliziert, dass hier ein Fall des § 1626a Abs. 3 BGB vorliegt, sodass die M alleine vertretungsbefugt war.

PAUL21

Paul21

15.2.2024, 21:35:06

§ 1626a Abs. 3 BGB wäre eine Lösung des Problems. Dann wäre mir aber erstens an dieser Stelle der Sachverhalt zu dünn. Zweitens hat das für mich zu starke familienrechtliche Bezüge, die nicht nötig wären, um die dahinterstehenden gesellschaftsrechtlichen Überlegungen beizubringen.

PAT

Patrick4219

15.2.2024, 23:00:00

@[Paul21](216751) da gebe ich dir vollkommen Recht. Mich hat hier die Aufgabe auch etwas aus dem klassischen Gesellschaftsrecht gebracht aber die beschriebene Gedankenstruktur ist das Einzige was für mich Sinn ergibt.

KE🦦

kerberos 🦦

19.2.2024, 14:42:03

Ich kann mir vorstellen, dass das Problem hier gar nicht angelegt werden sollte, da nicht explizit drin steht, dass T minderjährig ist und insofern als Volljährige selbst voll geschäftsfähig ist. LG

Dogu

Dogu

14.3.2024, 10:27:29

Wenn ein SV keine näheren Angaben zu einem Punkt macht, ist lebensnah der Regelfall zu unterstellen. Und zum Großteil der Lebenszeit eines Elternteils sind die Kinder nun mal im Regelfall volljährig. Daher stellt sich hier die Frage der gesetzlichen Vertretungsmacht nicht.

PAUL21

Paul21

14.3.2024, 21:36:09

Die Antwort überzeugt mE nicht. Wenn der Ersteller des Sachverhalts sich ausgerechnet das (auch rechtlich) besondere Eltern-Kind-Verhältnis aussucht, hat das idR einen Grund. Minderjährigkeit lässt sich umso mehr annehmen, wenn von einem „Kind“ die Rede ist. Eine streng prozentuale Betrachtungsweise von Lebenszeiten verbietet sich.

Dogu

Dogu

14.3.2024, 21:58:53

Kind ist eine Verwandtschaftsbezeichnung. Daraus kann nicht ohne Weiteres auf eine Vertretungsmacht geschlossen werden. Es gibt sogar minderjährige Kinder, deren biologische Eltern keinerlei Vertretungsmacht mangels Personen- oder Vermögenssorge haben. Auch sowas kam in Examensklausuren schon vor.

PAUL21

Paul21

14.3.2024, 22:22:01

Erstens ist die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern der gesetzliche Regelfall. Fehlen davon abweichende Sachverhaltsangaben, geht man selbstverständlich von einer Vertretungsmacht als Grundsatz aus. Insofern ist dein Verweis auf Ausnahmesituationen nicht hilfreich. Zweitens ist eine Diskussion darüber, ob „Kind“ bloß eine Verwandtschaftsbezeichnung ist oder eine Altersimplikation enthält entbehrlich, weil letzteres eindeutig zutreffend ist. Verwandtschaftsbezeichnung im juristischen Sinne wäre wohl eher Abkömmling, im normalen Sprachgebrauch wohl „Sohn“ oder „Tochter“. Seinen 40-jährigen Sohn „Kind“ zu nehmen ist idR seltsam. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der Adjektivierung „kindlich“, welche offenkundig nicht primär ein Verwandtschaftsverhältnis andeuten, sondern eine gewisse Infantilität ausdrücken soll.

Dogu

Dogu

15.3.2024, 14:26:08

Kind ist ein juristischer Begriff. Lies bitte § 1591 ff. BGB. Bspw. spricht § 207 I Nr. 2 a.E. BGB von der Vollendung des 21. Lebensjahr des Kindes. Die Behauptung, dass BGB verwende Kind nicht als Verwandtschaftsbezeichnung ist objektiv falsch. Du hast dich da etwas verrannt. Außerdem stimmt deine Aussage bezüglich der gesetzlichen Vertretungsmacht nicht für unverheiratete Eltern.

Dogu

Dogu

15.3.2024, 14:36:31

Außerdem ist Abkömmling der Oberbegriff. Auch Enkel sind Abkömmlinge, aber keine Kinder.

PAUL21

Paul21

15.3.2024, 14:53:56

Es stimmt, dass das BGB auch das Wort "Kind" benutzt; etwas anderes habe ich aber auch nicht behauptet. Das ändert auch nichts daran, dass erstens der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch eine gewisse Altersspanne impliziert und idR nicht als Verwandtschaftsbezeichnung verwendet wird. Vor allem kann keine lebensnahe Sachverhaltsauslegung über das Verhältnis von "Minderjährigenjahren" und "Volljährigenjahren" zur Lebensspanne der Eltern vorgenommen werden, wie du das vorgeschlagen hast. Zweitens stimmt zwar, dass meine Aussage für unverheiratete Eltern nicht immer stimmt (obschon sie eine gemeinsame Vertretungsmacht bewirken können, § 1626a I BGB). Vielmehr gilt (noch einmal): Ja, es gibt Ausnahmen. Der vorgesehene Grundsatz bleibt aber der der gemeinsamen Vertretungsmacht der (verheirateten) Eltern. Von diesem Ausgangspunkt geht das BGB in §§ 1626 I 1, 1629 I BGB aus. Das ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 1626a I ("Sind die Eltern […] nicht miteinander verheiratet,". Im Ergebnis bedeutet das, dass im allgemeinen Sprachgebrauch die Verwendung von "Kind" eine gewisse Infantilität und Unreife impliziert, wie sie regelmäßig bei Minderjährigen auftritt. Der gesetzliche Regelfall bei solchen Minderjährigen ist dann die gemeinsame Vertretungsmacht der Eltern.

KE🦦

kerberos 🦦

15.3.2024, 15:04:08

Selbst dann: im Fall steht doch nirgendwo, dass T ein Kind sei, sondern nur, dass eine Mutter-Tochter-Beziehung besteht. Oft helfen auch die Illustrationen bei der Interpretation. Ansonsten würde ich persönlich erwarten, dass durch Altersangabe im Sachverhalt explizit auf die Minderjährigkeit hingewiesen wird. Auch bei der Verwendung des Begriffs „Kind“ könnte man differenzieren: wird das Wort in Beziehung zur Mutter verwendet oder allgemein („Die Mutter redet mit ihrem Kind“ - was mE unterschiedlich ausgelegt werden kann - vs. „Das Kind erzählt etwas.“ - hier wird mE auf Minderjährigkeit verwiesen).

PAUL21

Paul21

15.3.2024, 15:17:58

Das stimmt, das Wort "Kind" wurde auch nicht von mir eingeführt. Ich fand es nur komisch, dass der Sachverhalt ausdrücklich auf ein Mutter-Tochter-Verhältnis hinweist. Hätten ja auch zwei Freunde, Mann und Frau usw. sein können. Normalerweise hat so etwas ja einen Grund.

KE🦦

kerberos 🦦

15.3.2024, 15:20:14

Ja, ein bisschen verwirrt hat es mich anfangs auch, aber das hilft vielleicht auch, die Bearbeitung eines Sachverhalts zu schulen. Solche Fälle können ja durchaus auch mal in der Realität vorkommen.

CR7

CR7

31.7.2024, 17:14:23

Also wer hier eine Minderjährigkeit annimmt, betreibt Sachverhaltsquetschung. Vor allem das Bild zum Sachverhalt (der nach den Jurafuchs-Grundsätzen) zum SV gehört, spricht dafür, dass es sich nicht um ein minderjähriges Kind handelt. Der originale Sachverhalt und die Rechtsfrage, auf die sich der Fall bezieht, zeigt dies: "Sachverhalt: Die Klägerin, eine Bank, begehrt von der Beklagten die Herausgabe des Erlöses aus der Veräußerung von Investmentanteilen, die versehentlich doppelt auf ein Depotkonto bei einer anderen Bank übertragen wurden. Die Beklagte hatte ihrem Vater eine Generalvollmacht erteilt, der ohne ihr Wissen eine GbR gründete, die das Konto übernahm. Nach dem versehentlichen Übertrag der Anteile verkaufte die GbR diese und vereinnahmte den Erlös. Rechtsfrage: Ist die Beklagte verpflichtet, den Erlös aus der versehentlichen Doppelausführung des Übertragungsauftrags an die Klägerin herauszugeben, obwohl die GbR möglicherweise nicht wirksam gegründet wurde und die Beklagte von der Übertragung keine Kenntnis hatte?"

Dua

Dua

20.2.2024, 10:59:44

Müsste M dann nicht nach 179 I BGB haften?

Amelie

Amelie

10.9.2024, 13:40:20

Hi, die letze Frage verwirrt nicht etwas. Heißt dies, dass noch nicht mal eine

fehlerhafte Gesellschaft

entstanden ist weil es hier an einem Willen zum Vertragsschluss fehlt? Mit der Konsequenz, dass A allein für sein Tätigwerden im Rechtsverkehr haftet?

AS

as.mzkw

13.9.2024, 15:58:43

So verstehe ich es, mangels Vertretungsmacht der M und Genehmigung der T liegt keine wirksame WE vor, die für und gegen T wirken könnte nund damit auch kein Gesellschaftsvertrag.

DIAA

Diaa

17.10.2024, 10:21:27

ich verstehe die Frage leider auch nicht so ganz


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