Zivilrecht

Zivilprozessrecht

Klageänderung

Sachdienlichkeit (§ 263 Alt. 2 ZPO)

Sachdienlichkeit (§ 263 Alt. 2 ZPO)

11. April 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Pferde

K kauft von B ein Pferd. Das Pferd lahmt. K erklärt die Minderung und verklagt B auf Rückzahlung eines Kaufpreisanteils. Im weiteren Verlauf erklärt K stattdessen den Rücktritt und verlangt den Gesamtkaufpreis zurück. B widerspricht der Klageänderung.

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Einordnung des Falls

Sachdienlichkeit (§ 263 Alt. 2 ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn K eine wirksame Klageänderung (§ 263 ZPO) vorgenommen hat, wird dasselbe Verfahren unter identischem Aktenzeichen weiterverhandelt.

Ja!

Eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO liegt vor, wenn der Kläger Änderungen am Streitgegenstand vornimmt. Der Streitgegenstand setzt sich aus dem Klageantrag und dem zugrundeliegenden Sachverhalt zusammen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, sog. zweigliedriger Streitgegenstand). Tauscht der Kläger also den bisher vorgetragenen Lebenssachverhalt, den Antrag oder beides, ändert sich der Streitgegenstand. Eine zulässige Klageänderung bewirkt, dass kein neuer Prozess angefangen werden muss und dient der Prozessökonomie.
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2. K hat den Streitgegenstand verändert.

Genau, so ist das!

Indem K nicht mehr den Anspruch auf teilweise Rückzahlung, sondern einen vollständigen Rückgewähranspruch geltend macht, ändert sie sowohl den Antrag als auch den Lebenssachverhalt. Denn anstelle aus der ursprünglichen Vertragsbeziehung will K nun aus einem Rückgewährschuldverhältnis vorgehen. Es handelt sich um einen anderen Streitgegenstand (vgl. BGHZ 205, 151).

3. Vorliegend hat B widersprochen. Kann die Klageänderung damit nur unzulässig sein?

Nein, das trifft nicht zu!

Widerspricht der Beklagte der Klageänderung, so ist sie nur zulässig, wenn das Gericht sie für sachdienlich erachtet (§ 263 Alt. 2 ZPO). Dies ist eine Ermessensfrage, die in objektiver Hinsicht überprüfbar ist. Maßgeblich ist eine objektive Beurteilung der Frage, ob der Streitstoff geklärt und ein Folgeprozess verhindert werden kann (BGH III ZR 93/83 RdNr. 23). Unerheblich ist, ob neue Beweiserhebungen nötig sind. Die Sachdienlichkeit liegt somit nur dann nicht vor, wenn ein völlig anderer Streitstoff Gegenstand des Verfahrens werden soll.Die Sachdienlichkeit ist in den meisten Fällen gegeben. Springe aber nicht sofort auf § 263 Alt. 2 ZPO. Vorrangig solltest Du die Einwilligung bzw. die rügelose Einlassung prüfen. § 263 Alt. 2 ZPOdient vor allem der Prozessökonomie: Wenn bereits Verfahrensstoff gesammelt wurde, soll vermieden werden, dass in einem neuen Prozess „von vorne“ begonnen werden muss.

4. Eine Klageänderung ist immer zulässig.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Klageänderung ist in den folgenden Fällen zulässig: (1) der Beklagte erteilt seine Einwilligung (§ 263 Alt. 1 ZPO), (2) der Beklagte lässt sich rügelos im Sinne des § 267 ZPO darauf ein oder (3) das Gericht erachtet die Klageänderung als sachdienlich (§ 263 Alt. 2 ZPO). Daraus ergibt sich: Sofern der Beklagte der Klageänderung ausdrücklich widerspricht, kann sie nur noch unter den Voraussetzungen des § 263 Alt. 2 ZPO zulässig sein.

5. Ist Ks Klageänderung sachdienlich?

Ja!

Die Klageänderung ist als sachdienlich zuzulassen, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Streits fördert und einen neuen Prozess vermeidet. Es geht K nach der Klageänderung immer noch um die Gewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag über das Pferd. Es kann damit ein Großteil des bisherigen Verfahrensstoffes weiterverwendet werden. Durch die Klageänderung wird kein völlig anderer Verhandlungsstoff in das Verfahren gebracht. Die Klageänderung ist sachdienlich und damit zulässig.Ist die Klageänderung unzulässig, muss das Gericht darauf hinweisen und fragen, ob der Kläger die ursprüngliche Klage aufrechterhalten, zurücknehmen oder darüber nicht mehr verhandeln und ein Versäumnisurteil in Kauf nehmen will (§ 139 Abs. 2 ZPO).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

15.2.2021, 07:49:54

Bei diesem Abwandlungen fände ich es hilfreich, wenn ihr jeweils den letzten Satz (wo sich der Sachverhalt ändert) fett formatieren könntet :)

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

14.3.2021, 01:12:28

Danke für den super Vorschlag, TeamRahad! Haben wir gleich umgesetzt ;)

JANA

janaro

13.4.2022, 11:25:41

Könntet ihr das in den Lösungen auch so machen, also nach der Erklärung der Grundsätze die jeweilige Lösung des konkreten Falles fett drucken? Die Erklärungen zur Theorie kommen nämlich in mehreren Aufgaben vor und ich muss dann immer nach dem konkreten Satz suchen, der die Lösung für den jetzigen Fall enthält…

Juraluchs

Juraluchs

5.2.2023, 19:00:15

Sehe ich auch so!

Juraluchs

Juraluchs

5.2.2023, 19:06:07

Eine vielleicht etwas ins Abseitige führende Frage: Wie sind die im Prozess vorgebrachten Gestaltungserklärungen materiell-rechtlich zu begreifen? Also wurde insofern (ggf. anfechtbar) die Minderung erklärt?

JulianF

JulianF

4.2.2025, 16:41:29

Wieso ist nicht relevant, dass K mit der Minderung schon den Vertragsinhalt und die geschuldete Leistung gestaltend angepasst hat und ein mangelbedingter

Rücktritt

gar nicht mehr infrage kommt?


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