Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

AGB

§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB – Vorformuliert

§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB – Vorformuliert

14. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F will sich einen Rennwagen kaufen. Autoverkäufer A hat durch langjährige Erfahrung die Lieblingsklausel seines Chefs, nach der die Kaufpreiszahlung zwei Wochen nach Erhalt des Autos fällig wird, wortgetreu auswendig gelernt. Er weist F bei Vertragsschluss wie jede andere Käuferin im Autohaus mündlich darauf hin.

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Einordnung des Falls

§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB – Vorformuliert

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klausel ist eine „Vertragsbedingung“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Vertragsbedingung ist eine Regelung, die nach dem objektiven Empfängerhorizont den Vertragsinhalt festlegen will. Abzugrenzen sind Vertragsbedingungen von unverbindlichen Hinweisen, Bitten, oder Empfehlungen, die mangels Regelungsgehalt nicht auf den Vertragsinhalt einwirken. Die Bestimmung, dass der Kaufpreis zwei Wochen nach Erhalt des Autos fällig wird, wirkt auf den Vertragsinhalt ein. Es handelt sich daher um eine Vertragsbedindung.
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2. Die Klausel ist „vorformuliert“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Vertragsbedingung ist vorformuliert, wenn sie vor Abschluss des Vertrags oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts entworfen wurde. Irrelevant ist in welcher Form der Vertrag geschlossen wird (§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB) oder von wem die Klausel erstellt wurde, solange sie vorher ausformuliert wurde und so auf eine vorausschauende Vertragsgestaltung schließen lässt. Die Kaufpreisklausel hat A auswendig gelernt und daher in seinem Gedächtnis abgespeichert. Beim Vertragsschluss griff er auf die vorher feststehende Klausel seines Chefs aus seinem Gedächtnis zurück. Trotz fehlender schriftlicher Fixierung handelt es sich bei der mündlichen Klausel daher um eine vorformulierte Vertragsbedingung.

3. Die Klausel ist „für eine Vielzahl von Verträgen“ aufgestellt (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Eine Klausel ist für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt, wenn der Verfasser die Klausel in dem Bewusstsein erstellt hat, dass diese mehrfach verwendet wird. Belanglos ist, ob die Klausel später tatsächlich für eine Vielzahl von Verträgen verwendet wird, sodass bereits bei der ersten Verwendung solcher Klauseln das Merkmal vorliegen kann. Die Klausel wird für alle Kaufverträge des Autohauses verwendet, sodass diese für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt wurde.

4. Die Klausel ist „von einer Vertragspartei (Verwender) gestellt“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Klausel ist von einer Vertragspartei gestellt, wenn die Partei die Einbeziehung der Klausel in den Vertrag einseitig veranlasst hat und so der anderen Partei den Vertrag zu diesen Bedingungen anbietet. A wies die F bei Vertragsschluss auf die einseitig veranlasste Kaufpreiszahlungsklausel hin, sodass er F den Vertrag unter dieser Bedingung anbot. Die Klausel war daher vom Verwender gestellt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

antoniasophie

antoniasophie

24.6.2022, 08:26:25

Und das die Klausel nur mündlich übermittelt ist, stellt dann gar kein Problem? Welche Norm ziehe ich dafür heran?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.6.2022, 10:14:13

Hallo Antonia, das ergibt sich unmittelbar aus einer Auslegung des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, der gerade nicht verlangt, dass die Vertragsbedingungen "schriftlich" vorformuliert werden, weswegen der BGH es genügen lässt, dass die Bedingung "im Kopf des Verwenders" gespeichert ist (zB BGH NJW-RR 2014, 1133). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DAN

Daniel

30.6.2022, 13:23:00

Ich finde es schon einer Erwähnung wert, dass im § 305 I 2 BGB "Gleichgültig (...) in welcher Schriftsart..." steht. Das kann darauf schließen lassen, dass die AGB zumindest in irgendeiner Schriftart verfasst sein müssten. Insofern setzt sich die (einhellige?) Ansicht, dass AGB auch mündlich vereinbart werden können, erweiternd über den Wortlaut der Norm hinweg, oder sehe ich das falsch?

antoniasophie

antoniasophie

30.6.2022, 13:34:41

Hi Daniel, das “gleichgültig… in welcher Schriftart” hatte mich nämlich auch zu den Gedanken geführt und ohne die BGH Entscheidung wäre ich nach meinem Wortlautverständnis auch davon ausgegangen, dass sie schriftlich zu sein haben

Simon

Simon

4.1.2024, 22:34:18

§ 305 I 2 BGB spricht aber auch von der Unbeachtlichkeit der Form des Vertrages. Dies macht klar, dass AGB in jeder denkbaren Gestalt daherkommen können und rechtfertigt sich vor dem Gedanken, dass auch Verträge grds. formfrei (also zB auch mündlich) geschlossen werden können. Nur die AGB einer bestimmten Form zu unterwerfen erscheint daher nicht sinnvoll.

BL

Blotgrim

27.3.2024, 11:47:35

Der Hinweis auf die Schriftart steht der hier dargelegten Auslegung meiner Meinung nach nicht entgegen. Ich lese die Norm so, dass sie lediglich betont dass wenn der Vertrag schriftlich erfolgt keine bestimmte Schriftart bedarf. Insbesondere da S.2 am Ende auch sagt (wie von Simon schon erwähnt), dass es gleichgültig ist welche Form der Vertrag hat, das spricht ja dafür, dass der komplette Vertrag mündlich geschlossen werden kann

QUIG

QuiGonTim

11.7.2022, 18:40:51

Muss die mündliche Klausel stets in der gleichen Formulierung aufgesagt werden oder genügt eine Inhaltsgleichheit (z.B. „Nach Vertragsschluss ist der Käufer verpflichtet, den Kaufpreis binnen zwei Wochen zu zahlen.“ v.s. „Wenn Sie das Auto kaufen, müssen Sie es in spätestens 14 Tagen bezahlt haben.“)?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.7.2022, 11:11:15

Hallo QuiGonTim, ob die gedanklich gespeicherte Klausel Wort für Wort verwendet oder lediglich inhaltsgleich sein muss, lässt sich der BGH-Rechtsprechung nicht mit letzter Gewissheit entnehmen (vgl. BGH NJW

199

9, 2180; NJW-RR 2014, 1133). Dagegen könnte der Wortlaut stehen, denn eine bloß inhaltsgleiche Klausel ist eben nicht "vorformuliert". Im Hinblick auf den Schutzzweck des AGB-Rechts den Vertragspartner im HInblick auf "vorbereitete" Klauseln zu schützen, erscheint es dagegen vorzugswürdig, dass auch inhaltsgleiche Klauseln erfasst sind (vgl. auch BeckOGK/Lehmann-Richter, 1.6.2022, BGB § 305 RdNr. 112, wonach Modifikationen einer Klausel nur dann zum Wegfall des Merkmals "vorformuliert" führen, wenn die Änderung der Klausel so gravierend ist, dass nach der Verkehrsanschauung von einer vorausschauenden Interessenwahrnehmung nicht mehr die Rede sein kann). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DE

Doris Eventualis

23.1.2024, 10:36:46

Hallo, meine Frage hat jetzt direkt nicht mit AGB zu tun, aber was wäre denn, wenn der Autohändlern ausersehen die AGB mündlich vor dem Kunden falsch wiederholt und sie im Vertrag schriftlich anders drin stehen und der Kunde jetzt zum Beispiel den Betrag aufgrund dessen zu spät überweist. In wessen Risikobereich fällt sowas? Hätte der Kunde besser lesen sollen, trifft ihn da eine Pflicht oder geht das auf Kosten des Autohändlers bzw Autohauses. Vielleicht ist das auch ein bisschen zu weit weg vom Thema gedacht aber vielleicht könnte mir da jemand eine Antwort geben 😊

TI

Timurso

23.1.2024, 12:36:16

Dass der Verwender seine gesamten AGB als solche mündlich vorträgt scheint mir relativ praxisfern. Praxisnäher ist wohl der Fall, dass mündlich eine Absprache getroffen wird, die den AGB widerspricht. In diesem Fall geht die Individualvereinbarung den AGB vor, § 305b BGB. Sollte es dennoch der Fall sein, dass lediglich die AGB als solche mündlich wiederholt werden, müsste geprüft werden, welche Version denn nun gelten soll. Im Zweifel würde die widersprüchliche schriftliche Klausel wohl nach § 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil werden oder zumindest nach § 305c II BGB in der verwenderfeindlichsten Version gelten.


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